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Deradikalisierung

In dieser Videoserie schwört ein ehemaliger IS-Sympathisant aus Wien dem Dschihadismus ab

"Mein Name ist Jamal Al-Khatib, ich habe euch eine Geschichte zu erzählen."

Zu Beginn ertönen arabische Acapella-Gesänge, dann stellt sich der schwarz-vermummte Protagonist vor: "Assalamu alaikum wa rahmatullah wa barakatuh [Frieden sei mit euch, liebe Geschwister, und Gottes Segen und Barmherzigkeit!]. Mein Name ist Jamal Al-Khatib, ich habe euch eine Geschichte zu erzählen."

Seit Mitte Juli existieren im Netz vier Videoclips, die nacheinander im Wochentakt auf YouTube gestellt- und gleichzeitig über einen zugehörigen Twitter-Account, sowie eine Facebook-Seite verbreitet wurden. "Mein Weg: Jamal Al Khatib" heißt die Serie, die weiters in die Kapitel "Heimat", "Jihad" und "Mein Bruder" unterteilt ist. Jamals "Geschichte" handelt von der Flucht seiner Familie aus der kriegsgebeutelten Heimat (offenbar Tschetschenien), kriminellen Handlungen im Teenie-Alter, Gefängnisaufenthalt und der Hinwendung zum radikalen Islam und der Ideologie der Terrormiliz IS.

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Er habe auch mit dem Gedanken gespielt, nach Syrien gehen. Als ein Freund von ihm dort getötet wurde und er das Leid dessen Familie sah, habe er aber zu zweifeln begonnen und den Dschihadisten schließlich abgeschworen. Mit den Videoclips möchte er ein Zeichen gegen deren verlogene Ideologie setzen.

So (leider) fast schon klassisch die Biografie von Jamal klingen mag, so bemerkenswert ist die Machart der Videos: actionlastig und schnell geschnitten, in jugendlichem Tonfall erzählt durchaus mit religiöser Symbolik versehen, lassen die Clips unweigerlich auch an die Propagandavideos der IS-Terroristen denken. Von dieser Ästhetik irritiert, löschte Facebook zu Beginn sogar den zugehörigen Account auf der Plattform.

Die Überlegung dahinter scheint klar. Man will den Dschihadisten, deren Videos ja selbst von westlichen Actionfilmen, Videospielen und Hip Hop-Videos inspiriert sind, entgegenwirken. Hinzu kommt die entscheidende Rolle von theologischen Gegenargumenten. Immer wieder werden Verse aus dem Koran in die Handlung der Videos eingestreut und den Dschihadisten entgegengestellt.

In den Kommentaren posten religiös interessierte Jugendliche, ultrakonservative Lästerer, aber auch vereinzelt dschihadistische Accounts.

Das Prinzip scheint auch aufzugehen. Ohne bisherige mediale Berichterstattung erreichten die Videos zehntausende Aufrufe. Vor allem aber erreichen sie die erhoffte Zielgruppe. In den hunderten Kommentaren auf Facebook diskutieren religiös interessierte Jugendliche, geben ihr Feedback ab oder verlinken Freunde. Auch viele aus Kriegsgebieten Geflüchtete melden sich zu Wort. Daneben gibt es aber auch offene Ablehnung von vor allem Ultrakonservativen, die dem Projekt misstrauen. Vereinzelt mischen sich auch dschihadistische Accounts darunter, die etwa Treueschwüre auf den selbsternannten IS-Kalifen Abu Bakr Al-Baghdadi posten, was auch unverzüglich gelöscht wird.

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Der Account von Jamal Al Khatib bemüht sich daneben sichtlich, mit den Kritikern konstruktiv zu diskutieren und auf Feedback einzugehen.

Von den Kritikern wird ihm vor allem vorgeworfen, mit den "Demokraten" zusammenzuarbeiten und sich als "Murtad" (Abtrünniger) an den Verfassungsschutz oder der Politik zu verkaufen. Wer konkret die professionell gemachten Videos produziert, dazu hält man sich auch auf Anfrage von VICE bedeckt. Offiziell spricht der Account von Jamal von einem "Team an Freunden", die ihm bei der Umsetzung helfen.

Recherchen zeigen zumindest, dass es sich dabei weder um ein Ministerium oder den Verfassungsschutz handelt. Seitens der anonymen Macher wird die Produktion einer zweiten Staffel überlegt, ob dies aber tatsächlich klappe, stehe noch aus.

Thomas auf Twitter: @t_moonshine

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