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Eine Liebeserklärung an das beste Englisch-Buch unserer Jugend, das You & Me

Die „You & Me"-Bücher aus unserer Schulzeit waren so viel mehr als „What's Your Telephone Number". Sie waren unsere Bibel.
Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung des Klett-Verlags | Foto: Langenscheidt, Collage via VICE Media

Man denkt ja gerne, den Großteil der eigenen Englischkenntnisse hätte man sich über Songtexte von den Backstreet Boys und Nirvana angeeignet. In einem bestimmten Ausmaß mag das auch stimmen (contagious musste ich zum Beispiel nie nachschlagen), aber die grundlegenden Basics haben wir trotzdem Lückentexten, Vokabeltests und Songs über Telefonnummern zu verdanken. Beigebracht hat uns das in dem allermeisten Fällen die heilige Schrift der „Units" und „Grammar Revisions": Das You & Me.

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The New You & Me, so der genaue Titel des Werks, begleitete seit seiner Erstauflage 1997 so ziemlich jeden Unterstufenschüler Österreichs durch den Englischunterricht. Heute ist das nicht mehr so—die Nachfrage sei nicht mehr so groß, die Kinder hätten heute neue Bücher, berichtet man beim öbv. Der „English is a word game"-Spirit wird trotzdem für immer in uns weiterleben. Das hier ist eine nostalgische Huldigung der unfreiwilligen Bibel unserer Schulzeit.

Immerhin haben wir über die Jahre wirklich viel vom You & Me gelernt. Beispielsweise schreibe ich dem Buch bis heute meine totale Unfähigkeit darüber, im täglichen Sprachgebrauch ohne Anglizismen auszukommen, zu. So manche lebenswichtige Lektion zum Thema Flirten habe ich aber erst viel zu spät begriffen.

Möchte man etwa jemandes Handynummer, weiß aber nicht so recht, wie man danach fragen soll, ist es laut You & Me ratsam, einfach mal ins Blaue zu raten. „Is it 53428?", zum Beispiel. In der Regel wird sich daraus ergeben, dass man die gewünschte Nummer von der jeweiligen Person auf den Handrücken geschrieben bekommt. „920376, that's it, that's it Jack." Und ich schwöre, das funktioniert wirklich. (Einmal.)

Blättert man heute durch die Seiten, erscheinen einem die Inhalte teils antik—„Are you on the internet?"—, teils von großer Wichtigkeit—dass sich der vierte Band etwa in ausgedehnter Form mit häuslicher Gewalt beschäftigt, war mir jedenfalls nicht mehr in Erinnerung. Ich weiß noch, dass wir diese Plays immer mit verteilten Rollen in der Klasse aufführen mussten. Die Vorstellung von ein paar 14-Jährigen, die Zeilen wie „Mum, don't hit me, Mum. Not in the face, Mum." vorlesen, ist keine besonders angenehme.

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Fotos mit freundlicher Genehmigung von Ernst Klett Sprachen

Und ja, ähnlich wie bei einem Sissi-Marathon, bei dem man leicht ein bevorstehendes Coming-out von Kaiser Franz Joseph vermuten kann, sieht man auch sein altes Englischbuch beim nochmaligen Durchschauen plötzlich mit ganz anderen Augen.

Mit versexten Erwachsenen-Augen, um genau zu sein. Diese Szene aus dem Stück „A really good friend" liest sich buchstäblich und unweigerlich wie das Drehbuch eines Schwulen-Pornos. „Lick it off, I said" Die erwähnte Cherry wurde wohl mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit gepoppt. Ich kann förmlich die DVD vor mir sehen. „A really good friend"—Hilfe.

Das Textbook—inklusive der verhassten Irregular Verbs und Vokabellisten im Anhang—war aber zumindest noch beliebter als sein zurückgebliebener Zwilling, das Workbook. Prinzipiell waren beide gleich aufgebaut, mit dem Unterschied, dass es dem Workbook einfach an allem fehlte. Es war schwarzweiss, hatte noch mehr Vokabellisten und man musste es fast zur Hälfte ausfüllen (!). Das Textbook war ein farbiger Spaziergang, das Workbook eine einzige steinige Wanderung. Nebeneinander sahen sie ein bisschen aus wie Coco Chanel und Roberto Geissini.

Damit sich das farblose Workbook seiner Unbeliebtheit auch wirklich bewusst wurde, habe ich mir irgendwann erst gar nicht mehr die Mühe gemacht, es überhaupt noch einzubinden. Einbinden war sowieso immer der größte Unsinn—nach einem Jahr waren die Bücher eh unbrauchbar und die stundenlange Ausbüglerei mit dem Lineal und das ganze Luftbläschen-Zerstechen waren völlig umsonst. Wer tut sich so was freiwillig an? (Danke, Mama.)

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Was uns zum nächsten Punkt bringt: Die Kinder auf den Titeln. Die etwas betagteren Semester unter euch werden sich wahrscheinlich eher an die ursprünglichen Covergestaltungen der You & Me-Bücher erinnern: Eine Collage aus vier Einzelfotos—jugendlich, nahbar, authentisch. Voller 90er-Lebensfreude. Seht nur, wie sehr sich die Blonde auf Band 3 darüber freut, eine neuartige Datenverarbeitungsmaschine bedienen zu dürfen. Wenn die wüsste!

Noisey: Wir haben mit dem Typen geredet, der die Songs aus dem ‚You & Me' komponiert hat

Es ist so eine Sache mit Gesichtern auf Schulbüchern. Früher oder später entwickelt man einfach eine ausgeprägte Abneigung ihnen gegenüber, egal wie gezwungen freundlich sie einen auch anlächeln mögen. Spätestens nach der ersten Schularbeit ist da einfach nichts Gutes mehr, das man mit ihnen assoziiert. Man konnte also gar nicht anders, als ihre dumm grinsenden Fratzen irgendwann mit Leidenschaft zu verabscheuen, wissend, die toten Blicke sollten einen noch bis zum Schulabschluss tagtäglich verfolgen. Edding-Bärte waren nicht ausgeschlossen.

Das Mädchen auf Band 1, das so deppert in den Apfel beißt, hat mich persönlich übrigens immer extrem aufgeregt. Zunächst mal beißt sie nicht mal wirklich in den Apfel, ihr Kiefer ist eindeutig geschlossen. Schabt sie ihre Vorderzähne an der Apfelschale ab? Sie versucht ja noch nicht mal, es echt aussehen zu lassen. Das ist wie der furchtbare Moment in Star Wars Episode 2, wo Padme auch extrem gekünstelt in einen CGI-Apfel beißt. Und dann ist da dieser Blick—was ist das? Welche Emotion möchte sie zum Ausdruck bringen? Wut? Etwa darüber, dass sie nicht weiß, wie man richtig von einem Apfel abbeißt? Oder war das einfach gerade ein ungünstiger Moment?

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Ich war auch eine beunruhigend lange Zeit davon überzeugt, die vier Kinder auf den Fotos wären die Autoren. Oder umgekehrt—also, die vier angeführten Namen wären die der Kinder. Gerngroß, Puchta, Davis und Holzmann—„die heißen ja komisch". So oder so habe ich das Konzept von Autorenerwähnung und Cover-Kindern auf Schulbüchern nicht ganz begriffen.

Und weiß bis heute irgendjemand, was zur Hölle jetzt eigentlich dieses „SbX" ist? Irgendwas mit Internet, oder? Ich glaube, nicht einmal die Lehrer hatten damals eine Ahnung davon—was auch erklären würde, warum diese drei Buchstaben entgegen ihrer fortlaufenden Erwähnung über vier Bücher hinweg konsequent totgeschwiegen wurden (zumindest in meiner Klasse).

Das Schöne daran, alte Schulbücher wie das You & Me durch zu wälzen, sind die schier endlosen Erinnerungen, die sich einem dabei erschließen. Viele von ihnen hatte man zwischenzeitlich schon so gut verdrängt, dass sie sich wie aus einem früheren Leben importiert anfühlen. Mit ihnen kommt schließlich auch das unermüdliche Verlangen, den Klassenkameraden von damals zu schreiben—nichts geht über gemeinsames Schwelgen mit Flashback-Freunden.

Zum Schluss kann ich nur sagen: Danke, You & Me. Für die Units. Für die Vokabeln. Die Words and Phrases. Die Musik. Für die Lückentexte und die Listenings. Danke Gerngroß, Puchta, Davis und Holzmann—ihr seid Helden. Danke Mario Bottazzi, für diese unfassbar großartigen Songs. (Im Buch steht auch noch „Erich Ballinger for his extremely imaginative layout work", aber come on, wir alle wissen, wie es im Buch aussieht.) Danke an die Lehrer, die diesen ganzen Dreck mit uns durchstehen mussten. Englisch war wahrhaftig ein Word Game, und es ist immer noch so strong.

Franz auf Twitter: @FranzLicht