Wir haben Menschen gefragt, wie sie sich den Akademikerball vorstellen

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Wir haben Menschen gefragt, wie sie sich den Akademikerball vorstellen

Wird dort einfach nur zur Musik von Andreas Gabalier gesoffen oder werden doch Pläne zur Übernahme Österreichs geschmiedet?

Alle Illustrationen von JANINSKI ILLUSTRATION

Denkt man an den Akademikerball, hat man wohl zu allererst Bilder von den Demonstrationen der vergangenen Jahre im Kopf – umfallende Mistkübel, eingekesselte Menschengruppen, grinsende Burschenschafter, die sich mit dem Taxi den Weg in die Hofburg bahnen. Darüber, wie der Ball selbst abläuft, weiß man nicht allzu viel, außer dass Strache dort gelegentlich Brandreden halten soll. Dennoch haben aufgrund der alljährlichen Kontroverse um den Ball viele ein Bild der eigentlichen Veranstaltung im Kopf.

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Aber wie sieht dieses Bild aus? Stellen sich Außenstehende den Ball als waschechtes Nazi-Event oder eigentlich ziemlich langweilig vor – oder als langweiliges Nazi-Event? Wird dort einfach nur zur Musik von Andreas Gabalier gesoffen oder werden doch Pläne zur Übernahme Österreichs geschmiedet? Um herauszufinden, wie sich verschiedene Menschen die Veranstaltung vorstellen, haben wir nachgefragt. Alles, was nun folgt, ist natürlich frei erfunden.

Leon, 15, Schüler aus Wien

Also ich stelle mir das so vor: Ich glaube, dort gibt es schlechte Musik, schlechte Kleidung und schlechte Menschen. Wahrscheinlich gibt es auch viel Alkohol und Prolomusik – so in der Andreas Gabalier-Art. Ich glaube, die ganzen rechten Politiker und rechten Menschen, die dort sind, reiben sich selbstgefällig die Hände und klatschen und freuen sich, was sie Jahr für Jahr mit der FPÖ erreichen.

Ich glaube, es ist dort außerdem sehr patriotisch dekoriert, so in den Farben der deutschen und österreichischen Flagge und in verschiedenen Burschenschafter-Farben. Wie die Ballgäste aussehen, weiß ich nicht genau. Wahrscheinlich haben manchen von ihnen normale Anzüge an und die Burschenschafter kommen mit ihrem kleinen Hütchen.

Matern, 30, Redakteur bei VICE Deutschland

Zum Akademikerball hereingelassen werden nur Leute, die einen sehr strengen Gesichtstest, den sogenannten "Deix-Test", bestehen. Dementsprechend wimmelt es im Saal von kurzbeinigen Korpsstudenten mit fröhlich-verkrampften Dampfnudel-Gesichtern, die alle sehr aufgeregt und sehr nervös sind. Alle grinsen und schlagen sich viel zu fest auf die Schultern, stellen sich gegenseitig ihre "Damen" vor und geraten sofort in angeregte Gespräche darüber, wie scheiße die Demonstranten da draußen aussehen und wer wirklich Schuld am 1. Weltkrieg war. Die Damen müssen sich dann notgedrungen auch unterhalten, beschäftigen sich aber hauptsächlich damit, Martin Sellner auszuweichen, der gestern zur Sicherheit nochmal Sissi geschaut hat und jetzt im Saal herumpirscht und versucht, allen Frauen Handküsse aufzuzwingen.

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Der Saal ist prachtvoll, überall hängen Blumen, Fahnen, Eichenlaub. Die Tische biegen sich unter dem Silberbesteck, den Kerzenständern, den Köpfen der wackeren Jungmannen, die während Norbert Hofers Rede eingeschlafen sind. Alles glänzt, das Essen ist vorzüglich, der Veltliner auch, die Backen der Damen werden immer röter, Österreich wird ewig leben!

Die Stimmung ist ausgelassen. Auf der Tanzfläche schunkeln dutzende Paare um einen am Boden sitzenden jungen Mann, der sich beim "Fingerstechen-Spiel" mit seinem Säbel drei Finger abgehackt hat und jetzt leise wimmert. Die Musik wird bald immer schneller, lauter, drängender. Kurz nach Mitternacht reißen sich sämtliche Männer die Jacken und Hemden vom Leib, wenig später tragen sie außer Band und Deckel gar nichts mehr. Die Frauen haben sich schon vor einer Weile geschlossen im Damenklo verbarrikadiert. Im Saal reiben die Männer ekstatisch ihre schwitzenden Volkskörper aneinander, bis sie schließlich zu einer einzigen grölenden, zuckenden, österreichischen Masse verschmelzen. Es ist der schönste Ball des Jahres.

Maria, 25, Gegendemonstrantin, die bei den Demonstrationen im Jahr 2015 verhaftet wurde

Die Leute, die beim Eingang warten, sehen aus wie du und ich, nur mit komischen Kopfbedeckungen. Was sie vom Rest abgrenzt, sind die gierigen Blicke, als sie die Hofburg betreten. Die Männer laufen aufgeregt im Kreis, die Frauen grüßen einander beschämt und versuchen, das ganze Schauspiel in Zaum zu halten. Die Männertoilette ist durchgehend überfüllt, weil sich die Herren ihre Käppchen gerade richten und sich gegenseitig die Senfflecken von der zu engen Uniform abwischen. Ein Duft von massiver Selbstüberschätzung liegt in der Luft, während darüber gesprochen wird, wie fertig der Heinzi heute ausschaut und warum er den Hofer immer wieder so böse anschaut.

Beim Essen streiten sich zwei junge, uniformierte Burschen, wem das größte Würstl zuerst serviert wird. Die Begleitung von einem der Männer schlichtet den Streit, indem sie das Würstl teilt, damit beide gleich viel haben. So unharmonisch sich die Szenen im Essenssaal auch apspielen, in der Disco geht es ganz entspannt zu. Dort herrscht Einigkeit – und Recht und Freiheit.

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Die Frauen scharen sich gelangweilt zusammen, sie zeigen sich gegenseitig ihre "The Future is Female"-T-Shirts, die sie unter den Kleidern tragen und reden über Familie, Beruf und die richtige Work-Life Balance. Marine Le Pen wird ganz in Lugner-Manier hofiert, bis sie schließlich vor den lüsternen Blicken fliehen kann. Die Frauen machen es ihr gleich und kehren augenrollend zu ihrem eigenen, bedeutenden Leben zurück und lassen die Männer ganz Mann sein. Dass sie sich einmal im Jahr erbarmen, so einem Herrenwitz beizuwohnen, ist die Ruhe das restliche Jahr allemal Wert. Die Männer schlagen sich machttrunken die restliche Nacht die Köpfe ein. Es herrscht großes Geschrei und Tränen fließen.

Jakob (*), 27, Gegendemonstrant

In der Regel wird ein traditionalistisches Rollenbild gewahrt und durchaus auch propagiert: Frauen in bodenlangen, simplen Kleidern, Männer in Frack, Fliege und gern auch Uniform. Große Teile der Kerle samt Couleur, also Mütze, Band und Zipfelbund ihrer Burschenschaft. Die Veranstaltung selbst wird fad, behäbig und gekünstelt sein. Ich denke auch, dass einige bis viele Besucher_Innen das ähnlich sehen, aber man macht halt mit und es geht viel um Außenwirkung, "ein Zeichen setzen", all der Käse.

Der Konsum ist zurückhaltend, man will nicht ungut auffallen: Bier, Spritzer, kaum Drogen, vielleicht eine Line Koks am Klo. Neben kruden Banalitäten oder dem neuesten Schmiss von HansKarlFritz werden auch politische Inhalte, nicht nur in Wirtshausmanier, besprochen und Kontakte vom schlagenden Jungburschi bis rauf zum hohen Funktionär etwaiger nationalistischer Parteien geknüpft. Bis auf die Eröffnung wird kaum bis wenig getanzt, ich vermute ein generelles Gefühl von "warten". Bei gut 1000 Personen fühlt sich die Hofburg nun mal sehr karg, leer und unmotivierend an. Da kannst du dein Volk noch so sehr lieben.

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Juliane (*), 54, Van der Bellen-Wählerin vom oberösterreichischen Land

Die Männer werden einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd mit Fliege tragen, schätze ich mal. Und natürlich so eine Schärpe quer drüber – zwecks Zusammenhaltsgefühl. Die "Damen" stehen als Zierde an ihrer Seite – natürlich zurecht gemacht mit Ballkleid, langer Mähne oder Hochsteckfrisur mit Krönchen. Manche tragen vielleicht sogar ein langes Dirndl. Ihre Gesichter sind voller Euphorie und sie freuen sich, dass sie vielleicht endlich mal den Strache oder den Hofer aus der Nähe sehen oder gar ein paar Worte mit ihnen sprechen können.

Der Saal ist mit viel Glitzer dekoriert – gemischt mit Traditoinellem wie zum Beispiel Hirschgeweihen. Am Anfang wird es wahrscheinlich noch eher gesittet zugehen. Nachdem aber festgestellt wurde, dass keine "feindlichen" Reporter an Bord sind, geht es bestimmt ordentlich ab. Irgendwelche Burschenschaftslieder oder "deutsches" Liedgut wird gesungen – mit der Hand an Schärpe und Herz. Tanzen werden sie wohl auch, nehme ich an, sowohl zu traditionellen Stücken wie dem Wiener Walzer, aber auch zu Liedern von Andreas Gabalier. Zum Zeitvertreib erzählen sie sich Witze, politisieren oder führen einfach nur Smalltalk. Im Grunde stelle ich mir das Ganze recht langweilig vor.

Aleksandar, 21, Migrant in Wien und Rapper

Ich glaube, die Ballbesucher sind weiß und alt. Natürlich sind auch ein paar Junge dort, aber der Großteil ist älter. Manche tragen Trachten, manche Ballkleider, Anzüge und Schmisse. Der Ballsaal ist prunkvoll dekoriert – mit einer Prise Heimatgefühl. Passieren tut dort nichts Spannendes. Sie trinken und smalltalken hauptsächlich. Manche freuen sich, dass Trump jetzt Präsident der USA ist, viele ärgern sich noch darüber, dass der Norbert es nicht gemacht hat. Wie sonst auch überall werden die alternativen Fakten und Fake News Thema sein, allerdings eher unter dem jüngeren Publikum. Neben dem Smalltalk wird auch über den tobenden linkslinken Mob gelacht und sich teilweise darüber geärgert. Aber eher wird drüber gelacht.

Es wird natürlich wie überall sonst Bier und Spritzer getrunken. Der Abend beginnt mit klassischer Musik, wahrscheinlich Wagner. Später wird Helene Fischer und Gabalier gespielt und es wird getanzt. Große US-Pophymnen werden sicher auch gespielt, allerdings erst sehr spät am Abend in einem abgegrenzten Discobereich.

(*) Namen von der Redaktion geändert

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