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Mein Vorbild ist Mark Zuckerberg nicht

Für 40 Prozent der Leute in meinem Alter ist der Facebook-Chef ein Vorbild. Ich verstehe das nicht. Er verkörpert Perfektion und Disziplin, aber keine Inspiration.
Foto: imago | ZUMA press

Mark Zuckerberg ist für 40 Prozent der Menschen in meinem Alter ein Vorbild. Das sagt eine Studie, die 2.400 Millennials befragte. Die Teilnehmer kamen aus elf Ländern wie Australien, den USA, Brasilien, Indien und Kanada. Der Facebook-Gründer lag damit zehn Prozent vor dem Vorbild auf Platz zwei: den eigenen Eltern.

Klar, eines kann ich Zuckerberg nicht abstreiten: Der Mann hat sich seinen Erfolg selbst erarbeitet. Und, dass er vor Kim Kardashian liegt, (ein Prozent der gut 7.000 befragten Menschen aller Altersgruppen wählten sie) ist auch nachvollziehbar. Ein Vorbild ist er aber für mich noch lange nicht. Für mich ist er ein glatt gestriegelter Unternehmensboss.

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Zuckerberg sitzt im gläsernen Facebook-Headquarter und lässt genau das nach außen, was nach außen soll. Große Ideen (Sendedrohnen in Wüsten und allen Ecken der Welt, für eine offenere Welt), perfekte Familienfotos (er beim Windelnwechseln) und Buchvorschläge, die Zuckerberg schlau aussehen lassen (Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionenvon Thomas Kuhn). Verkörpert dieser Ausschnitt also das, was junge Menschen vom Leben wollen? Ambitionen, Disziplin, Erfolg, idyllisches Familienleben und die perfekte Selbstdarstellung in allen Lebensbereichen von der Gemeinnützigkeit bis hin zur Liebe?

Und seht was in dieser hochheiligen Nacht/
der Herr unserer Daten für Freude uns macht. #Zuckerberg pic.twitter.com/QbP3GlSyCl
Haluka Maier-Borst 2. Dezember 2015

Die Spitze der Inszenierung war folgender Facebook-Post: Zuckerbergs perfektes Familienfoto mit Frau und neugeborenem Töchterchen mit der Ankündigung versehen, Zuckerberg und seine Frau würden im Laufe ihres Lebens 99 Prozent ihrer Anteile am Facebook-Konzern spenden—an die gemeinsame Stiftung "Chan Zuckerberg Initiative", die sich für Chancengleichheit von Kindern in aller Welt einsetzt. Schöner Move, denkt man kurz. Dann kommen die Zweifel: Will er einfach nur Steuerschulden abwälzen? So oder so ist klar, dass Zuckerberg auch ohne die Anteile genug Geld hat. Was er sich mit der Spende erkaufte, war Respekt.

Ein weiteres Puzzle des perfekten Selbstbilds: Zuckerberg pflegte 2015 seinen Buchclub auf Facebook (ja, wirklich, hier nachzulesen), in dem er ohnehin hoch gelobte Bücher vorstellt. Dem intellektuellen Zuckerberg ist es schließlich wichtig, sein Wissen weiterzugeben.

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An anderer Stelle wäre der Grips von Zuckerberg sehr gut eingesetzt: Facebook hat ein ernstes Problem mit Hasskommentaren. Auf der Plattform gedeihen volksverhetzende Parolen, vor allem in geschlossenen Gruppen. Dafür sei kein Platz auf Facebook, sagte Zuckerberg immer wieder, auch zu Angela Merkel. Der Facebook-Chef, der gerade erst beim Papst vorbeigeschaut hat, spricht direkt mit Regierungschefs. Passiert ist seit diesen Worten zwischen ihm und Merkel wenig, besonders ernst scheint es ihm also nicht zu sein. Im Juli bekam das Unternehmen für den intransparenten und inkonsequenten Umgang mit Hasskommentaren den Negativpreis Verschlossene Auster. Der Vorwurf: Facebook setzt der Verrohung der Kommunikation auf seinen Seiten nichts entgegen. Das Geschäftsmodell basiert schlicht darauf, dass Menschen unkontrolliert ihre Meinungen verbreiten können.

Was Ex-Facebook-Manager Antonio García Martínez über Zuckerberg als Menschen erzählt, macht ihn für mich nicht gerade sympathischer. Martínez, der in einem Buch erstmals Details aus dem Inneren von Facebook preisgibt, sagt im Interview mit dem Interview mit dem Tagesspiegel: Jedes Jahr setzte Zuckerberg sich selbst eine große Aufgabe, die messbar sein muss. "Als ich anfing, war es: 10.000 Schritte am Tag gehen—das war, lange bevor jeder so ein Fitbit-Band trug. Letztes Jahr las er ein Buch pro Woche."

Natürlich kann man jetzt sagen: Wow, dieser Typ hat so viel Disziplin, dass er sogar Sport und Bildung in seinen Imperiums-Manager-Alltag einbauen kann. Beneidenswert! Auf der anderen Seite sind "10.000 Schritte am Tag gehen" oder "jede Woche ein Buch lesen" vor allem Ziele, mit denen man sich die eigene Leistungsfähigkeit beweist und sie weiter nach oben schraubt, die Fitness, die Allgemeinbildung. Und vielleicht braucht man auch genau das, um seinen Job auf Dauer durchzuhalten.

Zuckerberg ist mir zu farblos | Foto: Coralie Ferreira | Flickr | CC 2.0

Die Konsequenz, mit der Mark Zuckerberg seine Freizeitziele verfolgt, fehlt ihm an jener Stelle, die ihn als Vorbild für mich nicht tragbar macht. Er präsentiert sich als Gutmensch, er will die Kinderarmut stoppen und Menschen zu Bildung verhelfen—nicht gerade einfache Ziele. Gleichzeitig versagt er an einer Stelle, an der er so leicht etwas besser machen könnte. Er hat alle Möglichkeiten, auf Facebook gegen Volksverhetzung so hart vorzugehen wie gegen Nippel. Er macht es aber nicht. Jeder, der ein freiwilliges soziales Jahr gemacht hat, ist in dieser Hinsicht—einfach mal helfen—für mich das bessere Vorbild.

Zuckerberg fehlt es für mich auch an Bescheidenheit, um ein gutes Vorbild zu sein. Jeder weiß, dass er schlau und erfolgreich ist. Aber mit seinen Fotos und Buchvorschlägen scheint er uns das unbedingt noch mal präsentieren zu müssen. Ganz anders als ein Jazz-Schlagzeuger. Anstatt zu zeigen, was er drauf hat und ständig Solos einzulegen, hält er sich zurück. Er spielt perfekt und unauffällig seinen Rhythmus und hält so die ganze Band zusammen. Nur im richtigen Moment—und nur dann—präsentiert er sein Können. Denn genau das ist es, was einen sehr guten Schlagzeuger von einem guten unterscheidet. Davon habe ich mehr gelernt als von Mark Zuckerberg.