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Sex

"Ein schöner Penis" – Bei der britischen Dating-Show 'Naked Attraction' suchen Nackte die Liebe

Nur auf Grundlage ihrer Körper müssen sie entscheiden, mit wem sie ein Date haben wollen und mit wem nicht. Sieht so das Dating der Zukunft aus?

Alle Screenshots via Channel 4

Wenn man es mal ganz ehrlich herunterbricht, alles weglässt, unsere Erfahrungen, unseren Job, unseren Stil, unsere Kleidung, unsere Gefühle—also im Grunde alles, was normalerweise bei der Partnersuche, beim ersten Eindruck, wichtig ist, dann bleiben unsere nackten Körper: Beine, Arme, Köpfe, Brüste, Penisse und Muschis. Und genau hier setzt die neue britische Dating-Show Naked Attraction an.

Bei der Dating-Show müssen sich die Teilnehmer komplett ausziehen und dann nur auf Grundlage der Körpermerkmale entscheiden, mit wem sie ein Date haben wollen und mit wem nicht. Dating-Apps und -Websites haben uns quasi darauf gedrillt, in Sekunden nach dem Aussehen zu entscheiden. Die Show ist nur die logische Konsequenz dieser Entwicklung. Sie treibt sie auf die Spitze.

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Im Vorspann der Show erzählt man uns, wie kompliziert die heutige Dating-Welt ist, und ein paar junge Frauen und Kerle reden davon, wie schwer sie es auf Tinder haben. Ich will hier jetzt nicht überheblich klingen, aber Tinder ist nun wirklich keine Kunst. Das verwundert zugegebenermaßen, denn eigentlich erscheint das schnelle Wischen durch Hunderte Profile deutlich unkomplizierter als die Präsentation des eigenen Genitalbereichs in einer Fernsehshow. Vermutlich haben die Kandidaten dann doch nicht alle der ihnen zur Verfügung stehenden Dating-Möglichkeiten ausgeschöpft. Wahrscheinlich reichten sie einfach nur schnell ihre Bewerbungsunterlagen ein, nachdem sie ihre Superlikes bei Tinder aufgebraucht hatten, oder sie haben einfach ohnehin seit Jahren nach einer Möglichkeit gesucht, ihr exhibitionistisches Naturell auszuleben.

Bei der ersten Kandidatin handelt es sich um Aina. Aina ist 32 und eine harte Sau. Das merkt man sofort. Aina kann einen vermöbeln. Es folgt ein kleiner Einspieler, in dem Aina zusammen mit einer Freundin ("Sie ist eine starke Frau und braucht dementsprechend einen starken Mann") in einer Bar etwas trinkt, dann irgendwelchen abgefahrenen Yoga-Scheiß macht und anschließend noch mit großen Kopfhörern in einem schummrig beleuchteten Wohnung sitzt und Musik hört. Sie steht auf Musik und Stärke. Und sie sucht einen Mann, der auf Musik und Stärke steht.

"Warum willst du dir dein Date nackt aussuchen?", fragt die Moderatorin Anna Richardson und stellt damit die wohl berechtigtste Frage in der Geschichte der Menschheit. Die Moderatorin erklärt, dass sich Aina aus sechs potenziellen Männern zwei aussuchen muss und dann ebenfalls alle Hüllen fallen lassen muss. Letztendlich werden dann drei nackte Menschen herumstehen und sich gegenseitig sagen, was ihnen am Körper des jeweils anderen gefällt. Aina ist zwar nervös, weil auch sie sich ausziehen muss, aber sie zieht es trotzdem durch. "Wenn man Angst hat, sollte man es einfach machen", sagt sie. Aina ist eine Nihilistin. Und schon sieht sie sich mit sechs Penissen in abgetrennten Kabinen konfrontiert.

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Obwohl sich in Naked Attraction alles um Schwänze und Brüste dreht, achtet man komischerweise doch ab und an darauf, es nicht zu sehr auf die Spitze zu treiben. So kündigt die Moderatorin besagte Penisse auch mit den etwas distanziert und schüchtern wirkenden Worten "Zeigt uns die unteren Körperhälften" an. Die ganze Show wäre dabei eigentlich noch tausend Mal besser—oder zumindest ehrlich—, wenn die Moderatorin mit stolzgeschwellter Brust einfach ein "RAUS MIT DEN PIMMELN!" rufen würde. Nun gut.

Dieser bizarre Balanceakt zwischen Keck- und Schüchternheit geht dann weiter, als Aina ein paar Schritte nach vorne geht, um sich die Penisse etwas genauer anzuschauen. "Ein schöner Schniedel", sagt sie: "Tolle Form." Die Stimme der Moderatorin nimmt plötzlich einen warnenden Ton an. "Das ist aber schon ein ziemlich langes Glied." Aina hat in ihrem Leben aber wohl schon einiges gesehen. "Findest du wirklich?", fragt sie nämlich. Ein Kandidat mit einem ziemlich abgefahrenen Elefanten-Tattoo um den Penis trägt eine Beinprothese. "Reden wir doch mal über das Bein!", sagt die Moderatorin ganz locker. Es ist wirklich schwer zu sagen, in welche Schublade man diese Show nun stecken soll. Schmutzig, aufgeladen, komisch, witzig, albern? Statt über das Bein reden die beiden jetzt lieber über das Thema Schamhaare. Aina hat ein paar Schamhaare, sagt sie. Anschließend eliminiert sie den Kerl mit dem kleinsten Schwanz und meint, dass der Grund dessen zu schwacher "Stand" ist. Das ist gelogen. Naked Attraction ist ungefähr so erotisch wie der Sexualkundefilm, den du dir in der fünften Klasse im Beisein der Lehrerin anschauen musstest.

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Muhammad, der erste Aussortierte, tritt in die Mitte des Studios und macht eine Art glamouröse Pose—allein, zerbrechlich und nackt. Anschließend sagt er noch, wie viel Spaß er hatte und, dass er jetzt viel mehr Selbstvertrauen und Liebe für seinen eigenen Körper besitze. Während seiner Ansprache habe ich allerdings nur einen einzigen Gedanken im Kopf: "DER TYP IST AUSGESCHIEDEN UND HAT DAMIT VÖLLIG UMSONST SEINEN SCHWANZ IM FERNSEHEN AUSGEPACKT. DAS WAR'S MUHAMMAD. ICH WEIß JETZT, WAS DU IN DER HOSE HAST!"

Als Nächstes muss Maxwell gehen. Maxwell ist ein Zoowärter in der Ausbildung und besitzt die Art von Augenbrauen, die einem den ganzen Abend lang Drinks bescheren, wenn man sie nur richtig einsetzt.

Das halb lehrreiche und halb freche Geplauder über Sex reißt nicht ab. Es folgt ein Moment, in dem Aina und die Moderatorin vor einem nackten Mann mit Schlafentzug darüber diskutieren, was einen schlechten Kuss ausmacht. Besagter Mann lächelt und nickt dabei einfach nur, als ob er sich auf einer Party in ein Gespräch einbringen wolle. Nach und nach muss ein Kandidat nach dem anderen gehen und jeder umarmt Aina dabei auf diese "Berühre meine Hose ja nicht mit deinem Penis"-Art und Weise. Die Moderatorin teilt jedem ausgemusterten Typen außerdem noch mit, was Aina an ihm gefallen hat ("Sie stand auf deinen knackigen Hintern"). Obwohl sie das vorher ganz offensichtlich schon mitbekommen haben. Naked Attraction fühlt sich immer mehr wie ein Blick in die Zukunft an: 2050 gibt uns die Regierung vor, wen wir zu daten haben, und teilt das Proletariat nach Titten- und Schwanzgröße ein.

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Was außerdem komisch anmutet, ist die Tatsache, dass jeder Kandidat mehr oder weniger sagt, dass er richtig viel Spaß gehabt hat. Nach der distanzierten Umarmung und einer Arsch-Aufnahme geht es hinter den Kulissen, wo sie lächeln und nochmal erzählen, wie schön alles war, obwohl sie ausgeschieden sind. Jetzt fühlen sie sich in ihren Körpern pudelwohl und es war befreiend, mit verdecktem Gesicht und nacktem Penis im Fernsehen aufzutreten.

Aina hat das Teilnehmerfeld währenddessen auf zwei Kandidaten reduziert. Da haben wir zum einen Matty, den Einbeinigen und mit Elefanten-Intimtattoo verzierten Künstler, und zum anderen Rob, den selbstironischen und witzigen Tanzlehrer. Jetzt muss aber auch sie selbst die Hüllen fallen lassen. Mattys Kommentar: "Absolut wunderschön. Tolle Kurven. Die Hüften und Brüste gefallen mir besonders gut." Ich bin mir nun ziemlich sicher, dass es sich hier nicht mehr um eine Dating-Show, sondern um ein besonders komplexes Bewerbungsgespräch für einen Platz in der C-Promi-Liga handelt.

Es ist wirklich komisch, wenn sich nackte Menschen total zweckmäßig verhalten und dabei den Eindruck machen, einen Heizungskessel oder einen kaputten Kühlschrank zu untersuchen. Man nimmt die Ärsche der anderen unter die Lupe, beurteilt Penisspitzen und sinniert über Intimbehaarung. Die Moderatorin fragt die Jungs, was sie von Ainas Scham- und Achselharen halten. "Man kann mit seinem eigenen Körper anstellen, was man will", prescht Matty nach vorne. "Wenn man stolz darauf ist, dann sind einem keine Grenzen gesetzt." Scheiße, ist das bizarr.

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Letztendlich entscheidet sich Aina für Matty und die beiden haben dann ein Date in einer Bar—und zwar angezogen. Dabei wird leider offensichtlich, dass Matty einen echt beschissenen Kleidungsstil hat. Das trifft aber eigentlich auf alle Involvierten zu. Und plötzlich ist auch ersichtlich, warum das Konzept einer Dating-Show mit nackten Tatsachen für die Kandidaten so verlockend klingt. Jede weitere zerrissene Jeans und hölzerne Halskette ist nämlich ein Indikator dafür, warum sie sich nackt so wohl fühlen. Wenn man aus Naked Attraction eine Sache lernen kann, dann wohl folgende: Probier es ruhig mal mit schlecht angezogenen Menschen, denn die haben ziemlich oft richtig stramme Körper.

In der zweiten Hälfte der Show lernen wir Mel kennen. Mel ist bisexuell, was die ganze Sache noch interessanter macht. Sie kann jetzt nämlich Nackedei-Deal or No Deal mit Männern und Frauen spielen.

Beim Kennenlernen übt sich die Moderatorin in halb schwesterlichen und halb lehrreichen "Hattest du es schon jemals mit einem zu großen Penis zu tun?" und verleiht dem Ganzen so einen Touch von unerwünschter Aufklärung durch eine heiße Tante. Mel hat schon zwei Körperteile begutachtet und ist der jungen Dame in der grünen Kabine nicht abgeneigt. "Mir gefallen ihre Tattoos", meint sie. Die Moderatorin hält kurz inne. "Und was ist mit den Brüsten?"

Ruben muss nach Hause gehen, weil sein Gemächt zu groß ist. Deswegen zieht er dieses Gesicht:

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Und auch jetzt reden die ausgeschiedenen Kandidaten hinter den Kulissen wieder darüber, wie toll diese Erfahrung war und wie #bodyposi jetzt alle sind. Ach ja, ihr potenzielles Date sah natürlich super aus. Die einzige Ausnahme bildet hier Mark: "Ihre Beine haben mir nicht gefallen."

Und auch jetzt unterhält man sich wieder darüber, was man an den Körpern der jeweils anderen mag und was nicht. Das stärkt zwar den Zusammenhalt, führt aber gleichzeitig auch zu einigen Konversationen, die es so wohl wirklich noch nie gegeben hat: "Was glaubt ihr, wie sieht Mel ohne Klamotten aus? Schamhaare oder rasiert?" Die Antwort: "Ich glaube, dass sie schon Schamhaare hat, diese aber sehr gut pflegt."

Am Ende entscheidet sich Mel für die tätowierte Rebecca aus der grünen Kabine und die beiden haben ein alkoholgeschwängertes Date. Natürlich ist man auch weiterhin froh darüber, bei Naked Attraction mitgemacht zu haben. "Ich habe mir während des Dates gar keine Gedanken darüber gemacht, ob und wie sie meinen Körper bewertet", meint Rebecca über Mel. "Sie hat mich ja schon nackt gesehen." In "Einen Monat später"-Einspielern sieht man schließlich noch, wie beide Pärchen immer noch zusammen sind und auch richtig glücklich wirken. Moment mal, funktioniert dieses verrückte Konzept etwa wirklich? Was zum Teufel?

Handelt es sich für Millenials also hierbei um den einzigen Weg, ein Date zu finden? Oder ist das Ganze doch etwas tiefgründiger? Suchen wir alle so verzweifelt nach der wahren Liebe und der einen besonderen Verbindung, dass wir dafür wirklich alles tun würden? Also sogar eine Fernsehmoderatorin über unsere Schambehaarung herziehen lassen? Ich weiß es nicht. Ich werde aber auch weiterhin Naked Attraction schauen, um es herauszufinden.