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Bushidos Ehekrise zeigt, wie rassistisch und frauenfeindlich deutsche Medien sind

Der Rapper soll seine Frau Anna-Maria geschlagen haben—und Boulevardmedien verwandeln das Drama um häusliche Gewalt in eine billige Disney-Metapher.

Screenshot: YouTube

Fast könnte man davon ausgehen, dass den Boulevardmedien nichts Besseres passieren konnte als die folgende Geschichte: Bushido soll seine Ehefrau geschlagen haben, die ihn daraufhin angezeigt hat und mit den Kindern aus der gemeinsamen Villa im Süden von Berlin ausgezogen ist. Jetzt wohnt die Schwester von Sarah Connor bei ihrer Familie in Norddeutschland—angeblich inklusive Polizeischutz, weil die Beamten ein Risikopotential in Bushidos nachgesagten Verbindungen zu einer arabischen Großfamilie sehen.

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Das ist eine Nachricht, die vor allem erst einmal deswegen betroffen macht, weil häusliche Gewalt ein schreckliches Thema ist, das die Betroffenen (und dadurch eben auch den Nachwuchs) in eine furchtbare Situation bringt. Sollten die Vorwürfe der Wahrheit entsprechen, könnte man also zusammengefasst sagen: Bushido ist ein ziemliches Arschloch und seine Frau hat sich richtig verhalten. Sich aus einer missbräuchlichen Beziehung zu befreien, erfordert schließlich jede Menge Mut. Vor allem dann, wenn der Ehepartner in der Öffentlichkeit steht und die Paparazzi nie weit sind.

Bei Anis und Anna-Maria Ferchichi scheint die Berichterstattungslage allerdings nicht ganz so einfach zu sein. Das liegt zum Einen daran, dass sie Personen der Öffentlichkeit sind und sich somit im Allgemeinen jedes Fitzelchen ihres—bisher recht erfolgreich geheim gehaltenen—Privatlebens verkaufen lässt. Zum Anderen handelt es sich bei Herrn Ferchichi aber auch zufällig um einen der bekanntesten und erfolgreichsten Rapmusiker Deutschlands, der in seinen Texten gerne über Gewalt und des Öfteren mal auch auf wenig schmeichelhafte Art und Weise über Frauen spricht.

Wer nicht weiter als drei Meter über den Büroflur denkt, könnte jetzt natürlich sagen: „Hätte sich Anna-Maria das nicht denken können, wenn sie einen Künstler heiratet, dessen musikalische Vita nicht gerade für ihre ausgesprochene Gewaltlosigkeit bekannt ist?" Und das war es dann auch, was aus jeder Randnotiz zu vergangenen Verfehlungen des „Hass-Rappers" sickerte. Hätte man ja vorher wissen können, dass das ein Frauenschläger ist. Dieselben Personen würden womöglich auch nur mit den Schultern zucken, wenn Al Pacino zum Entsetzen seiner Familie an einer Drogen-Überdosis stirbt. Er hat ja schließlich mal Scarface gespielt.

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Weil man aber auch in der letzten Gossip-Kolumne nicht offen sagen kann, dass ein Missbrauchsopfer selbst Schuld an seiner Situation ist, muss ein anderer Dreh her, um über den fragwürdigen Ruf von Rapstars im Allgemeinen und die durchwachsene Vergangenheit Bushidos im Besonderen herziehen zu können. Irgendwas mit Gefühl, enttäuschten Erwartungen und klarer Rollenverteilung. Es war nur naheliegend, dass man sich einer Disney-Metapher bedient.

In ihrem Artikel „Wenn man sein Ich an berühmte Männer verliert" macht die WELT-Autorin Claudia Becker keinen Hehl daraus, dass sie ein großer Fan des Films Die Schöne und das Biest ist. Und es passt ja auch so gut. Anna-Maria ist nach gängigen Maßstäben schön und Bushido ist das Enfant terrible des Boulevards, das vor ein paar Jahren mal einen Integrations-Bambi gewonnen hat. Ein Preis, dem nur dann irgendeine mediale Wichtigkeit zugesprochen wird, wenn ihn jemand verliehen bekommt, der ihn nicht verdient haben soll. In diesem Artikel fantasiert sich Frau Becker die ganz große Liebesgeschichte zusammen, die „so romantisch" angefangen hat. Ganz so, als wäre sie bei den ersten Annäherungsversuchen dabei gewesen und hätte Anna-Maria während der Zwillingsgeburt die Hand gehalten.

Darüber, was die Frau, die zuvor bereits zweimal verheiratet und zuletzt mit Nationalspieler Mesut Özil liiert war, wohl an dem Berliner Rapstar fasziniert hat, macht sich die Redakteurin so ihre Gedanken und stellt sehr viele Fragen. Was war der Grund für die Beziehung, die Hochzeit? „Eine Villa? Der Glanz eines berühmten Mannes? Kinder? Familie? Liebe?" Nichts Genaues weiß man nicht, aber ein bisschen Rosamunde Pilcher hat noch keiner Geschichte geschadet: „Mit Bushido, also Anis Mohammed Youssef Ferchichi, sollte alles anders sein. Nicht langweilig, sondern aufregend, romantisch. Herzchen, Wölkchen, Sternchen. ‚Anna-Maria & Anis' stand unter der Einladung zur Hochzeitsfeier. Im Mai 2012, damals, als sie am Berliner Schlachtensee Hochzeit gefeiert haben, da war noch alles so schön, so normal, so familiär."

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Wem jetzt schon ein bisschen schlecht ist, der wird erfreut feststellen, dass die BILD-Zeitung nur zwei Tage später ebenfalls eine Reise in das Unterbewusstsein von Bushidos Frau unternommen hat und dabei noch tiefer in Anna-Maria vorgedrungen ist. Quasi direkt in die Psyche der jungen Mutter, „die wohl dachte, dass sie das Biest zähmen kann."

Irgendwo da draußen scheint die irrige Annahme zu bestehen, dass jeder, der Rapmusik macht und/oder einen unter Umständen kriminellen Hintergrund hat, ein nicht domestiziertes, wildes Tier ist, dem man erstaunt den Kopf klopft, wenn es ein Kunststück beherrscht. Zum Beispiel, sich korrekt (ja, womöglich sogar intelligent) zu artikulieren. Oder mit Messer und Gabel zu essen—eine Szene, die zugegebenermaßen genau so in Bushidos Biopic Zeiten ändern sich vorgekommen ist.

Plötzlich geht es nicht mehr um einen angeblichen Vorfall von häuslicher Gewalt, als wäre das nicht schlimm oder diskussionswürdig genug. Wenn ein Rapper mit Migrationshintergrund, der zu seinem muslimischen Glauben steht, seine Frau angreift, ist er kein Arschloch mit Aggressionsproblem. Dann ist er ein „Hass-Rapper", die ja sowieso per se frauenfeindlich sind. Dann ist er ein weiteres Beispiel dafür, wie gewaltpropagierend der Islam ist. Dann ist er plötzlich das verzerrte Spiegelbild einer Gesellschaft, wie sie Boulevardmedien (und deren Leser im Kommentarbereich) gerne sehen.

„Als Frau denkst du da vielleicht: Was für ein geiles Biest ist der denn? Das Ungehobelte, Wilde, Testosterongesteuerte macht sexy, leider nicht misstrauisch. Du denkst: Zähm ich. Bestimmt. Solange er dich beschützt und du seine Prinzessin bist, geht diese Rechnung auf", schreibt Christiane Hoffmann auf bild.de und wäre sie keine Frau, könnte man fast annehmen, dass sie sich über das weibliche Geschlecht lustig machen will.

Wenn die Berichte stimmen und Anna-Maria Ferchichi ihren Mann wirklich verlassen hat, weil er sie geschlagen hat, dann tut man ihr mit diesen schmierigen, so vermeintlich schwesterlichen Annäherungsberichten keinen Gefallen. Dann ist das kein Schulterschluss zwischen erwachsenen Frauen, die sich gegenseitig unter die Arme greifen und öffentlich füreinander Stellung beziehen. Dann ist das nichts anderes als ein zynischer Kommentar á la „dummes, schönes Mädchen" in Richtung eines Missbrauchsopfers. Und das ist vor allem eins: eklig.