David Pieth: Ich hatte gelesen, dass beispielsweise die Domain hundstorfer.at von zwei Oberösterreichern reserviert wurde, als sie bemerkten, dass diese noch nicht vergeben war. Und auch die Webdomain khol2016.at wurde frühzeitig gekauft und dient nun als Plattform für die Initiative Ehe-gleich. Ich empfand diese Versäumnisse als äußerst fahrlässig, aber auch interessant und vor allem sehr amüsant. Alsosurfte ich auf verschiedenen Webseiten herum und fand zu meinem Erstaunen heraus, dass die Domain hc-strache.at noch zu haben ist. Ich nutzte daraufhin die Gelegenheit und schlug spontan zu. Diese Domain ist zeitlos—also nicht an ein bestimmtes Jahr gebunden und daher noch wertvoller. Es ist mir ein Rätsel, warum diese Seite noch zu haben war, denn der finanzielle Aufwand ist nicht erwähnenswert—sie kostet mich gerade mal 30 Euro pro Jahr.Wusstest du sofort, was du mit der Domain anfängst?
Nein. Zunächst dachte ich mir nur, dass ich diese Domain unbedingt haben muss. Als ich sie dann hatte, teilte ich meinen FreundInnen auf Facebook meine Neuerwerbung mit und bat um kreative Ideen, womit sich die Seite beschäftigen könnte. Als ich am selben Abend mit einer Kollegin, die im Bereich Mode tätig ist, darüber sprach, kamen wir auf die Idee mit dem Bandana-/Kopftuchonlineshop. Sie wird in weiterer Folge auch für die Gestaltung der Bandanas/Kopftücher verantwortlich sein, will jedoch unerkannt bleiben. Der Name „Haute Couture STRAßenCHEfin" kam mir dann sehr schnell. Unter der Abkürzung hc-strache.at Kopftücher verkaufen—was gibt es Schöneres?
Unter welchen Umständen und zu welchem Preis würdest du die Seite wieder verkaufen?
Ich habe grundsätzlich nicht vor, die Seite wieder aus der Hand zu geben. Es müsste wirklich ein signifikanter Betrag bezahlt werden, den ich in weiterer Folge gezielt in ein soziales integratives Projekt fließen lassen könnte. Einfach so für ein paar 1000 Euro würde ich sie jedoch nicht abgeben. Es geht mir dabei aber ausdrücklich nicht um einen finanziellen Gewinn zu meinen Gunsten.
Du wurdest ja in zahlreichen Medien, unter anderem auch im ZIB Magazin erwähnt. Fürchtest du Anfeindungen oder Bedrohungen in Folge dieser Aktion? Welches Feedback hast du bisher bekommen?
Ja, ich glaube schon, dass sich nicht jeder darüber freut. Deshalb möchte ich auch, dass meine Kollegin nicht namentlich genannt wird. Aufgrund des Kaufs kann man meinen Klarnamen, meine Adresse und Telefonnummer im Netz abrufen. Ich rechne also schon mit Widerstand, Konfrontationen und verbalen Beleidigungen—alles andere wäre naiv. Man muss sich ja nur die Kommentare auf sozialen Medien, wie etwa Facebook, zu gewissen aktuellen Themen genauer ansehen und merkt schnell, dass die Nutzer in ihrer Ausdrucksweise bereits komplett verroht sind. Die verbale Aggressivität nahm im Netz zuletzt immer mehr zu. Bisher erhielt ich jedoch größtenteils Zuspruch und relativ wenige direkte Anfeindungen und Beleidigungen. Grundsätzlich möchte ich mich jedoch nicht einschüchtern lassen und noch viel weniger möchte ich aufgrund dessen die Aktion sausen lassen.
Das Kopftuch ist zu einem Symbol für den Islam geworden. Viele Menschen begegnen ihm derzeit mit Ablehnung und Angst. Es wird pauschal behauptet, dass sich Trägerinnen eines Kopftuches nicht in unsere Kultur integrieren wollen und dass es der Unterdrückung der Frau dient. Das Kopftuch wurde zum Streitthema und für mich sind diese Diskussionen exemplarisch für vieles was derzeit falsch läuft.Ich möchte mit der Seite das Kopftuch auch außerhalb des Islams wieder rehabilitieren. Es hat in Österreich und ganz Europa eine lange Tradition. Es soll gezeigt werden, dass Kopftücher schmücken und in verschiedensten Kulturen präsent sind oder waren. Ganz egal ob Queen Elizabeth II, Ali G., Rocker und Biker, oder Audrey Hepburn—sie alle tragen oder trugen Kopftücher. Ich möchte auf dieser Basis einen interkulturellen Dialog starten, wobei für mich persönlich wichtig ist aufzuzeigen, dass in einer Demokratie jede bzw. jeder selbst entscheiden darf, was sie beziehungsweise er aus welchem Grund auch immer trägt. Die Seite ist also ein Versuch dem Zeichen „Kopftuch" wieder eine differenziertere Bedeutung zu geben. Ich glaube, dass sich viele Besucher auf die Seite „verirren" werden. Vielleicht ermöglicht ihr Inhalt jenen eine alternative Perspektive auf die Thematik. Die Idee mit dem Kopftuchversand ist im Idealfall nur der Anstoß für mehr—was genau, weiß ich noch nicht. Außerdem geht der Erlös des Onlineshops an integrative Flüchtlingsprojekte, nicht an mich.
Der (Galgen-)Humor soll auch auf hc-strache.at einen besonderen Stellenwert haben. Damit sehe ich mich auch in einer langen österreichischen Tradition. Man muss sich nur an die Lieder von Georg Kreisler oder Der Herr Karl von Helmut Qualtinger und Carl Merz erinnere. Die Politik—mit Ausnahme der rechten, konservativen Parteien—hat es bisher leider nicht geschafft, eine klare Linie beim Thema Flüchtlinge zu verfolgen. Die „Rechten" hingegen verwerten derzeit jegliche Negativmeldung zum Thema Flüchtlinge und Ausländer zu ihren Gunsten; siehe die Reaktionen auf die Vorfälle in Köln in der Silvesternacht. Plötzlich waren oder sind Frauenrechte interessant.Titelbild via FacebookWas würdest du dir in Sachen Widerstand gegen fremdenfeindliche Gedankengut von der Bevölkerung und den Politikern wünschen? Wird genug gegen Fremdenhass unternommen?
Es könnte immer noch mehr passieren. Aber ich muss auch anmerken, dass ich das vergangene Jahr, also seit die Flüchtlingsthematik im Zentrum der medialen und öffentlichen Aufmerksamkeit steht, viele tolle Projekte von kleineren Vereinen, Privatpersonen und Institutionen beobachten durfte, die die Willkommenskultur in Österreich und Europa hoch halten. Sprachkurse werden—genau wie andere integrative Projekte—in Eigenregie organisiert. Es passiert also was. Eine besonders effektive Handhabe in diesem Kampf ist meiner Meinung nach der Humor. Magazine wie Titanic und Charlie Hebdo schaffen es, dem Leser über den Umweg des Lachens den Schrecken und die Angst zu nehmen. Die humorvolle Annäherung an extremistische Haltungen machen diese lächerlich und dadurch auch weniger reizvoll für neue AnhängerInnen—niemand will gerne lächerlich sein.