FYI.

This story is over 5 years old.

News

Ach, ihr Homophoben: Die CVP bekämpft die Homo-Ehe viel besser

Ein neuer Verein will die Homo-Ehe in der Schweiz bekämpfen. Diese Leute verstehen nicht, dass das eine der ältesten Schweizer Parteien viel effizienter macht.
Titelbild von Stephanie Haynes

Gestern wurde bekannt, dass ein neugegründeter Verein die Homo-Ehe offen bekämpfen will. Die illustre Gruppe um das Ehrenmitglied der Gender-Elite, Marco Giglio, hat sich schon in der Vergangenheit durch hohe Dossierkenntnis und sprachliche Gewandtheit einen soliden Ruf erarbeitet. Doch ihre Brachialtaktik ist vielleicht gar nicht nötig. Unsere liebe CVP hat mit der „Heiratsstrafe-Initiative" immer noch ein Anliegen parat, dass die Homo-Ehe durch die Hintertür unmöglich machen kann.

Anzeige

In Irland wurde die Homo-Ehe eingeführt, mit Regenbogenfahnen, einer einzigartigen Kampagne und gegen alle Erwartungen. Die Abstimmungsfrage war auf der Insel war ziemlich eindeutig: Wollen Sie, dass die Ehe ein Vertrag zwischen zwei Personen unabhängig deren Geschlechtes ist? Ja oder nein. So eine Eindeutigkeit ist in der Hinter-der-Tür-rassistischen und unter-dem-Stammtisch-homophoben Schweiz nicht möglich. Wir dürfen hier einen Stellvertreter-Krieg führen. So wird also in der nicht ganz so katholischen Schweiz gegen die „Heiratsstrafe" mobilisiert, doch eigentlich geht es um die Frage nach der Definition der Ehe.

Zum Thema: Jung und queer in Russland

Die CVP hat sich dabei für folgende erstmalige Definition der Heirat entschieden:

„Die Ehe ist die auf Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau."

Mann und Frau.Damit ist die Frage der Homo-Ehe an die Oberfläche katapultiert worden—zur völligen Überraschung der CVP. Unklar ob aus Naivität oder Inkompetenz hat sich die CVP an diese Ehe-Definition gewagt und damit die Frage der Homo-Ehe lanciert. Abgesehen davon, dass diese Initiative ein gigantisches Milliardenloch in die Staatskasse reissen würde … Zu dieser Diskussion kommen wir gar nicht. Wir schaffen es nicht einmal zur Frage, ob es denn diese „Heiratsstrafe" wirklich gibt und ob sie vielleicht sogar richtig ist.

Foto: Kurt Löwenstein Educational Center | Flickr | CC BY 2.0

Denn eine Ehe-Definition, das gibt es in der Schweizer Bundesverfassung noch gar nicht. Genau das ist es, was die CVP jetzt endlich festlegen will. Es ist ja erstaunlich, dass die Ehe nicht einmal richtig definiert wurde. Wohl steht da ein Artikel zum Recht auf Ehe und Familie, aber das war's schon. Alles andere regelt das Zivilgesetz.

Anzeige

Damit wird auch gleich klar, dass die Bedeutung der Verfassung und die juristische Gleichheit in einer Welt wie der Schweizerischen nicht zwangsläufig mehr soziale Gerechtigkeit für Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender und andere bunte Vögel bedeutet. Auch ohne Ehe-Definition in der Verfassung und trotz Diskriminierungsverbot, Artikeln zu Menschenwürde oder dem Recht auf persönliche Freiheit ist die soziale Situation junger Falschsexueller in der Schweiz nicht zum Besten gestellt. Ob eine Homo-Ehe darauf Einfluss haben kann, wird sich zeigen.

Doch die Homo-Ehe hat sich, in erster Linie von US-Kampagnen inspiriert, zu einem zentralen Anliegen der westlichen Welt gemausert. Das finden inzwischen längst nicht nur Homos, deren Mütter und linke Organisationen cool. Bis zur BDP konnten sich Politiker zu dieser Einsicht durchringen. Auch grosskapitalistische Unternehmen und heterosexuelle Kleinbürger verlieren diesbezüglich die Hemmungen. Sogar in Irland, wo die katholische Kirche bislang mit strenger Hand und Kindesmissbrauch den Takt in Sachen Sexualmoral vorgab, herrscht heute Einigkeit: Diese juristische Ungleichbehandlung homosexueller Zweierpaare ist unzeitgemäss.

Einigkeit? Nicht ganz. Genau jetzt kommt die arme CVP mit einem Anliegen irgendwo aus den 90ern, der Abschaffung der „Heiratsstrafe", und einer Ehedefinition, „Mann und Frau", irgendwo aus den 50ern. Es muss spasslos sein, in dieser CVP. Die Biederen schlagen zu. Während aber skurrile EDU-Vertreter und SVP-Nationalrätinnen noch konsequent offen homophob sind, versteckt sich die einstige Volkspartei CVP hinter einer Stellvertreter-Debatte. Wo aber die genauen inhaltlichen Unterschiede zwischen den Attacken der Vorvorgestrigen und dem Stellvertreterkrieg der Vorgestrigen ist, bleibt im Morast der Moralisten verborgen.

Flo auf Twitter: @flovolution

Vice Switzerland auf Twitter: @ViceSwitzerland


Titelbild: Stephanie Haynes | Flickr | CC BY-SA 2.0