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Dresden: Zeugen wollten Folteropfer retten, doch der Polizist war nicht interessiert

Der Beamte hatte eine seltsame Ausrede, jetzt wurde er verurteilt.
Symbolfoto: imago | STAR-MEDIA

"Hallo Herr Wachtmeister, wir haben hier Fotos, auf denen jemand gefoltert wird, Interesse?" Wenn jemand mit diesem Satz in eine Polizeiwache reinplatzt, gibt es eigentlich nur eine mögliche Antwort – und die lautet nicht "Nö". In Dresden war das anders. Im September 2013 wollten zwei Frauen auf dem Polizeirevier Dresden-West verstörende Facebook-Fotos anzeigen.

Die Bilder zeigten einen schwer verletzten Mann, der halbnackt in einer Blutlache lag. Die beiden Frauen machten sich Sorgen; der diensthabende Polizeihauptmeister Jens H., 46, machte nichts. Wie eine der beiden Frauen am Montag vor Gericht aussagte, habe der Polizist geantwortet, er könne sich die Bilder nicht ansehen – da er Familie habe, würden ihn die Bilder zu sehr beschäftigen. Außerdem könne er mit seinem Dienstrechner nicht auf Facebook zugreifen. Damit hatte er nicht mal gelogen, was hätte er also tun sollen? Die Fotos auf den Smartphones der beiden überprüfen, wie sie es anboten? Verdammt noch mal, ja. Der Polizist lehnte jedoch ab, auch weil ein anderer Kollege in diesem Moment rein gekommen sei und etwas von Essen oder Kaffee erzählt habe. Er überließ das Opfer seinen Peinigern.

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Eine Kollegin der Zeuginnen ging anschließend in Pirna zur Polizei und meldete die Fotos dort. Die Beamten machten ihren Job und begannen sofort, nach dem verletzten Mann zu fahnden. Mit Erfolg. Wie sich herausstellte, wurde der 48-Jährige mehrere Tage in seiner Neustrelitzer Wohnung in Mecklenburg-Vorpommern gequält. Die Polizei konnte ihn retten und drei Männer verhaften.

Der Neonazi André R. wurde damals als Haupttäter identifiziert. Er und zwei andere hatten mit dem späteren Opfer in dessen Wohnung getrunken. Alles sah nach einem ganz normalen Saufabend aus, bis André R. dem Gastgeber fälschlicherweise vorwarf, ein verurteilter Kinderschänder zu sein. In einem wahren Folterexzess brachen sie ihm mehrere Finger und drohten, ihn mit einer Säge zu skalpieren. Dann übergossen sie den Mann mit Feuerzeugbenzin und zündeten ihn an. Er musste auf der Intensivstation der Uniklinik Greifswald behandelt werden. 2014 wurden alle drei Täter zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Auch der schwer zu beeindruckende Dresdner Polizist wurde jetzt verurteilt und muss wegen Strafvereitelung im Amt 6.300 Euro Strafe zahlen. Degradierung, Kürzung seines Beamtensoldes oder gar einen Rauswurf muss er aber nicht befürchten.

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