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winterblues

Warum der Jänner der Montag des Jahres ist

Und wie du ihn trotzdem überlebst.
Ein kaputter Schokoweihnachtsmann liegt am Boden
Foto: imago | Rolf Kremming

Ich sitze im 48A und starre durch die beschlagene Scheibe. Aus einem Zimmerfenster an der Straße blinkt eine bunte Lichterkette, die meine dunkle Erinnerung an die fetten Feiertage nicht mehr erhellen kann. Die restlichen Fahrgäste fahren mit trockenen Händen über ihre Smartphones, auf dem Display sehe ich Urlaubsfotos aus Kuba und Thailand. Auch meine Hände sind rau. Natürlich habe ich keine Handcreme dabei. Hab ich nie. Scheiß Jänner.

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Klingt dieser Einstieg dir zu sehr nach einer gefälschten Spiegel-Reportage von Claas Relotius? Immerhin hat es im 48A kein Lied gespielt. Meine Jänner-Melancholie ist echt. Tatsächlich ist der deprimierendste Tag des Jahres ein Jännertag: der Blue Monday, der dritte Montag des Monats. 2005 entwickelte ein britischer Wissenschaftler eine Formel, mit der sich berechnen lässt, dass wir an diesem Tag am melancholischsten sind.

Aber warum den Hass nur auf einen einzigen Tag beschränken? Wenn wir ehrlich sind, besteht doch der ganze Jänner aus 31 Blue Mondays. Die Zeit zwischen den Jahren, das ist der Sonntag des Jahres, und der Jänner ist der einfach nicht enden wollende Montag danach.


Aus dem VICE-Netzwerk: The Lost Winter


Im Dezember kommt der Winter noch kuschelig daher, ich trinke Orangenpunsch auf Christkindlmärkten, wovon mir schlecht wird, aber egal, er wärmt. Die Zeit zwischen den Jahren verbringe ich Lebkuchen naschend auf dem Sofa meiner Eltern, ohne die graue Jogginghose auch nur ein einziges Mal auszuziehen. Aber jetzt ist der süße Zimtduft verflogen, und der Alltag sucht mich in seiner grausamsten Form heim: E-Mails. Ich sitze im Bus und mein Google-Calender schickt mir Push-Notifications, die mich daran erinnern, dass ich meinen Bachelor immer noch nicht fertig gemacht habe.

Studieren, ja, arbeiten in jeder Form, fühlt sich zu keiner anderen Zeit so mühsam an wie nach den Feiertagen. Natürlich habe ich in den Weihnachtsferien dann doch keine einzige Seminararbeit fertig geschrieben und natürlich muss ich jetzt alles nachholen, was mich die Völlerei der letzten Wochen vergessen lassen hat. Wer Arbeit im Jänner nicht verteufelt, schon weil man dafür eine Hose anziehen muss, ist Masochist – oder hat an der WU studiert.

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Das Ding mit Montagen ist: Montag ist der Tag, an dem ich mir jede Woche aufs Neue sicher bin, dass alles, was ich mir vornehme, utopisch und/oder sinnlos ist. Jede kleine Erledigung fühlt sich an wie eine Hochgebirgswanderung. Ich fluche noch mehr über den Kapitalismus als an normalen Tagen und tippe "To-do-Listen sind auch nur ein soziales Konstrukt, oder?" auf WhatsApp und meine es weniger ironisch, als mir lieb ist.

Ich steige aus dem Bus, es ist kalt, es ist nass und jetzt, genau in dieser Sekunde, ist für mich der Zeitpunkt erreicht, an dem es wirklich schon zu lange zu dunkel ist und mich das alles überfordert.

Ja, ja, die Tage werden seit dem 21. Dezember schon wieder länger, aber die Sonne geht eben erst um Viertel vor acht auf. Und nur weil die Sonne aufgeht, heißt das ja nicht, dass es auch hell wird. Dementsprechend fühlen sich die achteinhalb sogenannten Sonnenstunden pro Tag an wie Geburtstagsgeschenke von Tante Hilde. Auf den ersten Blick: Cool, dass sie an einen denkt. Aber weniger cool, wenn man feststellt, dass es wieder eine Tasche von Desigual ist.

Überlebensstrategien für den Montag des Jahres

Ich öffne meine Haustür. Am Boden meines Zimmer liegt das rote glitzernde Weihnachtsgeschenkpapier, mit dem ich vor drei Wochen versucht hatte, Geschenke einzupacken, nur um dann festzustellen, dass Tixo nicht auf Glitzer hält. Am Schreibtisch steht mein minimalistischer Adventskranz, bestehend aus, Überraschung, vier losen Kerzen, von denen nie mehr als zwei gebrannt haben. Der Schokoadventskalender hängt immer noch einsam unterm Fenster, obwohl ich seinen Inhalt schon am 18. Dezember vollständig inhaliert hatte. Ich habe nichts davon weggeworfen, weil ich nicht akzeptieren wollte, dass alles, was am Winter gut ist, jetzt vorbei ist und Wochen voller Schneematsch folgen. Bis jetzt.

Wenn ich diesen Jahresmontag überleben will, muss ich tätig werden. Also, Blue Jänner, ich werde jetzt meinen Adventskalender in den Mistkübel schmeißen und das einzig Sinnvolle tun: zu Hause bleiben und ein Kleidungsstück anziehen, das so warm hält und kuschelig ist, dass ich darin vielleicht sogar im Jänner ein, zwei positive Gedanken fassen kann: meinen lila Justin-Bieber-Snuggie.

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