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Popkultur

Das sind die fünf ärgsten Momente aus 'Alltagsgeschichten'

Elizabeth T. Spira hat über 20 Jahre lang die Wiener Seele fürs Fernsehen eingefangen. Dabei traf sie auf viel Herz, aber auch auf Alltagsrassismus.
Alltagsgeschichten "Die Donauinsulaner"​
Youtube-Screenshot; Alltagsgeschichten "Die Donauinsulaner"

Am 9. März ist TV-Journalistin Elizabeth T. Spira im Alter von 76 Jahren verstorben. Mit ihrer Sendung Alltagsgeschichten hat Spira von Mitte der 1980er bis in die 2000er geschafft, was sonst kaum jemandem gelungen ist: Sie hat das "goldene Wiener Herz" aus den sonst so grantigen Gestalten der Bundeshauptstadt herausgekitzelt.

Mehr als 20 Jahre lang hat die Dokumentarfilmerin und Journalistin jene Ecken besucht, die Wien ausmachen. Spira hat die Wiener Seele ins Fernsehen gebracht, nicht nur mit Alltagsgeschichten, auch mit ihrer Serie Liebesg'schichten und Heiratssachen.

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Elizabeth T. Spira

TV-Journalistin Elizabeth T. Spira bei einer Ausstellung, 2009 | Foto: Wikimedia | gemeinfrei

Die alten Aufnahmen zeigen Szenen, die in Wien zu Running Gags geworden sind. Nicht immer waren die Aussagen wirklich herzlich, manchmal waren sie auch einfach nur ehrlich, teilweise schmerzhaft ehrlich. Nietzsche würde sie als Wiederkehr des ewig Gleichen einstufen: Von "Früher war alles besser" bis "Ausländer raus". Wir haben die Schmankerl und Persönlichkeiten zusammengefasst.

Adolf und die Bauchstiche (Schauplatz Kaisermühlen, 1994)

In Kaisermühlen kassiert man Bauchstiche. Das lernen wir von dem Mann, dessen Hund Adolf heißt, aber auch irgendwie Hako. Und der Adolf, ähm, Hako, mag keine Türken, Ausländer oder Schwarzen Menschen, wie sein Besitzer Herr Swoboda erklärt. Frauen und Kinder mag er aber schon, der Hakolf.

Außerdem erklärt Hakos Besitzer, dass früher alles böser war – ob er sich deswegen einen deutschen Schäferhund zugelegt hat? Beschützen konnte ihn Adolf aber auch nicht vor einem Bauchstich.

"Insel, Insel, INSL" (Donauinsulaner, 1996)

Was wäre ein Bericht über die Donauinsel bloß ohne FKK-Besucher und Besucherinnen, die ein sehr starkes Mitteilungsbedürfnis haben, dafür aber kein Problem mit nackter Haut vor laufender Kamera? Mit am Start sind ein nackter Skater, die "Fledermaus-Frau", die "eben keine zweite Fledermaus findet" und das Ehepärchen mit ziemlich großem Altersunterschied. Vor allem das Streitgespräch zweier nackter Männer geht in die Geschichte ein.

Fast schon verstörend, mit welcher Leidenschaft der eine über den Kampf für den "Garten Österreich" spricht, während der andere ihn schreiend fragt, ob er denn weiß, wie die Sendung heißt. "DonauINSEL" betont er als Nächstes. Selbst während dem Abspann verfolgt uns der Streit. Trotz harmonischer Musik hören wir die Schreie "Insel, Insel, INSL" tönt es in unseren Ohren.

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Der Tattoo-Bursche (Donauinsulaner 1996)

Eine der bekanntesten Figuren aus Alltagsgeschichten ist der Junge auf der Donauinsel, der Tätowierer werden möchte. Selbstbewusst gibt er seine Weisheiten weiter. Wie etwa der Tipp, man müsse "immer investieren in die Arbeit". Zugegeben, der Junge hat damit mehr Durchblick als so manche Millennials. Er hat einen recht stabilen Businessplan, damit könnte er eine Inspiration für junge Wienerinnen und Wiener sein. Schade, dass er später über "die Ausländer" spricht, die "sich nicht einmal zamreißen" können. So erklärt er "freie Meinung gibt’s überhaupt nicht mehr" und "in manche Bezirke kannst überhaupt nicht mehr gehen" (sic!) wegen der Ausländer. Woher der Rassismus in so jungen Jahren wohl kommt?

"Nach Hause alle schicken" (Am Brunnenmarkt 2004)

Im Beitrag "Am Brunnenmarkt" von 2004 findet Elisabeth Spira, was sich die ein oder andere österreichische Partei schon lange wünscht: eine Vorzeigeausländerin, die kein Problem mit rassistischen Parolen hat. Mit ihren One-Linern wie "Nach Hause alle schicken" oder "Jetzt hat die Österreicher Angst von die lauter Tschuschn" (sic!) klingt die gebürtige Serbin österreichischer als so manch ein autochthoner Mitbürger. Gerade noch schimpft sie übers Heiraten für "Papiere", dann erzählt sie, wie ihr Ehemann ihr zur österreichischen Staatsbürgerschaft verholfen hat. Doppelmoral kennt sie nicht, dafür hat sie ganz schön viele Vorurteile verinnerlicht. Ihr Status als Wiener Legende ist spätestens seit dem Remix von Kurt Razelli sicher.

"Mia san olle Kibln" (Schauplatz Kaisermühlen 1994)

Das klassischste aller Szenarien: Zwei Männer in einem Wiener Beisl diskutieren darüber, ob Menschen mit Migrationshintergrund Österreichern und Österreicherinnen Jobs wegnehmen. Ein Mann steht an der Bar, trinkt seinen Spritzer und erklärt in die Kamera, dass er sich einen "kleinen Hitler" wünscht – zum Aufräumen. Arbeitende Ausländer findet er noch irgendwie akzeptabel. Dumm nur, dass er selbst "im Urlaub" ist. Und das, wie der Herr neben ihm anmerkt, 365 Tage im Jahr. "Mensch ist Mensch", sagt sein Kontrahent am Nebentisch, während er dem Hitlerfreund erklärt: "Wien is schee und Wien ist guad." Dafür bekommt er sogar Zustimmung von den Umstehenden. Die Wahrheit ist nämlich: "Mia san olle Kibln" – egal woher wir kommen.

Update vom 13. März 2019 12:42: Wir haben uns verhört, in einer früheren Version dieses Textes stand, dass Hakos Besitzer sagt, dass früher alles besser war.

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