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Ballermann

Kranker Scheiß aus dem Leben einer Party-Promoterin

"Seid ihr eigentlich alle zu dumm, um ein paar Tickets zu verkaufen?" Hätte ich jetzt den Mund aufgemacht, mein Chef hätte mich umgepumpt.
Party-Promoterin auf Mallorca
Collage bestehend aus: Oberkörper: imago | PhotoAlto || Unterkörper: imago | Engelhardt || Hintergrund: imago | Florian Schuh

Du liebst Hitze, einen diktatorischen Chef und Schlagermusik? Dann könnte der Job, den Gabriela machte, dein wahr gewordener Traum sein. Sie stiefelte vier Wochen lang bei fast 40 Grad über die Strände von Mallorca und schwatzte Ballermann-Touris grottenschlechte Partys auf.

Das ist jetzt ungefähr zwei Jahre her: Gabriela war fertig mit ihrem Studium und verzweifelt auf der Suche nach einem Job, bei dem sie schnell viel Geld machen konnte. Als sie die Stellenanzeige im Internet sah, hörte es sich für sie an, als habe sie die perfekte Work-Life-Balance gefunden: tagsüber Partys promoten, nachts Partys feiern. Und dann erlebte sie vor Ort, dass überhaupt nichts im Gleichgewicht war.

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Beleidigungen und Anmachsprüche

Ich dachte mir: Ach, jeden Tag am Strand abhängen, zwischendurch ins Meer hüpfen und den Touristen mit Tickets für exklusive Poolpartys eine Freude machen – hört sich ja ganz entspannt an. Aber schon am ersten Tag merkte ich, dass der Job mit Entspannung so gar nichts zu tun haben würde. Und, dass sich die Touristen definitiv NICHT über Tickets freuen.

Obwohl ich versuchte, die Leute freundlich anzusprechen und sie erstmal in ein Gespräch zu verwickeln, bevor ich ihnen ein Ticket verkaufen wollte, stellten sie sich entweder tot oder riefen mir, bevor ich auch nur "Hallo" sagen konnte, extrem genervt zu: "Boah, was willst du denn jetzt? Verpiss dich gefälligst!"


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Wenn ich nicht wie lästiges Ungeziefer weggescheucht wurde, musste ich mir von besoffenen Männern Sprüche wie "Nee, ein Ticket kaufe ich nicht, ich nehme dafür aber deine Nummer." anhören. Eine Kollegin von mir wurde sogar einmal von einem Typen angegrabscht, woraufhin eine Riesenschlägerei entstand.

Eine Kollegin schlug verzweifelt einer Männergruppe einen Tausch vor: Sie zieht ihren Bikini aus und die Typen dürfen Bier von ihrem ganzen Körper lecken – dafür sollten sie drei Tickets kaufen.

Damit mir sowas nicht passierte, achtete ich darauf, keine Leute anzusprechen, die schon total dicht waren. Aber es ist nunmal der Ballermann – da haben die meistens schon morgens um elf einen sitzen. Es ist das kleinere Übel, kein Ticket zu verkaufen als sich mit übergriffigen Typen auseinanderzusetzen. Diese Meinung teilen aber nicht alle Promoter – manche würden ihre Seele verkaufen, um ein paar Tickets loszuwerden.

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Eine Kollegin war so verzweifelt, dass sie einer Männergruppe einen Tausch vorschlug: Sie zieht ihren Bikini aus und übergießt sich mit Bier. Die Typen dürfen das Bier dann von ihrem ganzen Körper lecken – dafür sollen sie drei Tickets kaufen. Ja, das war eine ziemlich fragwürdige Maßnahme, aber ich wunderte mich nicht darüber. Wenn man keine Tickets verkauft hat, bekommt man kein Geld – und niemand will mit Miesen wieder nach Hause gehen.

Geld habe ich keins verdient

Bei dem Telefoninterview mit der Promotion-Firma sagen sie einem zwar, dass man keinen Stundenlohn, sondern nur Provision bekommt – fünf Euro für jedes verkaufte Ticket. Aber sie behaupten, dass es total easy wäre, die Tickets zu verkaufen, und man locker zehn bis zwanzig am Tag loswerden würde.

Ich hatte so gut wie keine Einnahmen. Im Gegenteil: Dadurch, dass ich mir jeden Tag Essen, Trinken und ein Busticket zur Partymeile kaufen musste, gab ich mehr Geld aus als ich einnahm.

Weil es aber ziemlich viele Promoting-Unternehmen auf Malle gibt, hat man dauernd Konkurrenz und die Leute sind davon genervt, tausendmal angesprochen zu werden. Deshalb verkaufte ich meistens nicht mal ein einziges Ticket. Ich hatte so gut wie keine Einnahmen. Im Gegenteil: Dadurch, dass ich mir jeden Tag Essen, Trinken und ein Busticket zur Partymeile kaufen musste, gab ich mehr Geld aus als ich einnahm. Sogar für das Hostel, in dem das ganze Team wohnte, musste ich relativ viel zahlen. Obwohl es die letzte Absteige war.

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Es war heiß und stank

Mein Zimmer war winzig und verdreckt. Sowas Widerliches habe ich echt noch nie gesehen. Das Klo funktionierte nicht mehr richtig – immer wenn ich spülen wollte, kam alles wieder hoch. Zusammen mit der Hitze stank das natürlich ordentlich. Die Dusche ging auch andauernd kaputt, sodass ich, wenn ich abends verschwitzt nach Hause kam, nicht mal duschen konnte. Mir wurde zwar gesagt, dass sie jemand reparieren würde, aber es kam nie jemand.

Schlafen konnte ich nachts höchstens vier Stunden, weil es viel zu heiß war und irgendjemand immer Party machte. Eine aus meinem Team regte sich über die Unterkunft so sehr auf, dass sie sich beim Chef beschwerte. Der schmiss sie daraufhin mitten in der Nacht raus.

Mein Chef war der reinste Diktator

Um die Partys gut zu verkaufen, bekamen wir Skripte, die wir auswendig lernen mussten. Bei den regelmäßigen Meetings sollten wir uns dann im Kreis aufstellen und mein Chef rief jemanden auf, der den Text aufsagen musste. Wenn man sich versprach, rastete er komplett aus: "Glaubt ihr eigentlich, dass das Leben umsonst ist? Was denkt ihr denn, wer ihr seid? Seid ihr zu dumm, um Tickets zu verkaufen, oder was stimmt mit euch nicht?"

In solchen Situationen standen wir alle verängstigt und regungslos da und machten keinen Mucks. Und ehrlich gesagt glaube ich, dass mich der Typ einfach umgepumpt hätte, wenn ich meinen Mund aufgemacht hätte.

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Wenn ich tagsüber nicht genug Tickets verkauft hatte, musste ich abends nochmal los, sodass ich meistens elf Stunden arbeitete. Irgendwann war ich nur noch ein Wrack und schleppte mich halb tot über den Strand.

Anfangs hieß es, dass ich fünf Tage die Woche arbeiten muss und sonst frei habe. Letztendlich musste ich aber von Montag bis Samstag arbeiten und sonntags hatten wir dann meistens die "Meetings" aka Schreieskapaden meines Chefs. Wenn ich tagsüber nicht genug Tickets verkauft hatte, musste ich abends nochmal los, sodass ich meistens elf Stunden arbeitete. Durch das ständige Rumlatschen in der Hitze hatte ich dauerhaften Muskelkater und Kreislaufprobleme – da half es auch nicht mehr, sich kalte Tücher in den Nacken zu legen. Zeit, um zwischendurch in Ruhe etwas zu essen und trinken, gab es auch nicht, weil ich immer Schiss hatte, nicht genug Tickets zu verkaufen.

Irgendwann war ich nur noch ein Wrack und schleppte mich halb tot über den Strand. Auch nervlich war ich durch die Ausraster meines Chefs ziemlich angeschlagen. Ich hatte wirklich schon viele beschissene Jobs, aber das war mit Abstand der schlimmste. Nach den vier Wochen, die ich mit der Promotion-Firma vereinbart hatte, war ich einfach nur froh, dass es endlich vorbei war. Jeder Tag, den ich dort war, war ein Tag zu viel.

Du hast bei deiner Arbeit oder deinem Hobby auch kranken Scheiß erlebt und möchtest, dass die Welt davon erfährt? Dann erzähl uns davon und schreib an themen@vice.com.

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