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G20

Wie es ein Känguru in den niedersächsischen Landtag schaffte

Die Grünen wollten wissen: Bedrohen 'Die Känguru-Chroniken' die freiheitlich-demokratische Grundordnung?
Känguru vor Landtag Niedersachsen
Känguru: imago | Westend61 || Landtag: imago | Rainer Unkel || Montage: VICE

Kängurus sind gefährlich. Sie boxen, sie treten und wenn es nach Marc-Uwe Klings Bestseller Die Känguru-Chroniken geht, gibt es auch Kängurus, die Nirvana hören, Schnapspralinen fressen und lauthals den Kommunismus preisen. Und vielleicht gefährdet genau dieses Känguru auch den Frieden unserer Gesellschaft.

Dieser Frage will die niedersächsische Fraktion der Grünen nachgehen. Am Montag stellten sie ihrer Landesregierung eine Kleinen Anfrage und wollen wissen: "Welche Gefahr geht von Marc-Uwe Klings Werken für die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung aus?"

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Dazu muss man wissen, dass Kling die Känguru-Werke geschrieben hat: drei fiktive Satirebücher, in denen er sein WG-Leben mit einem Känguru beschreibt. Spoiler: Die meiste Zeit streiten sich die beiden über den Vietcong, schauen Bud-Spencer-Filme oder entkommen einer Horde umfragensüchtiger Killersoziologen. Und jetzt landet dieses Känguru im Landtag Niedersachsen. Meinen die das ernst?

Dieser schräge Fall beginnt mit den Ermittlungen gegen einen Göttinger Studenten. Der 29-Jährige soll während der G20-Proteste 2017 einen Zivilpolizisten verprügelt und erst nach einem Warnschuss aufgehört haben. Die Polizei ermittelte seinen Wohnort, im Juni letzten Jahres marschierten die Beamten, mit Helmen und Schlagstöcken bewaffnet, in die Studenten-WG ein. Auch die Hamburger Sonderkommission "Schwarzer Block" war dabei. Dabei konfiszierten die Beamten haufenweise Beweismittel, so dachten sie, Laptops, Handy, eine halbfertige Masterarbeit – und das Hörbuch der Känguru-Chroniken in sechs CDs.


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Aber wieso gelangte der Typ überhaupt ins Visier der Polizei? Sein Anwalt erklärte im November, dass der Göttinger Staatsschutz seinen Mandanten verdächtigte. Er sei in Göttingen politisch aufgefallen und "den Beamten daher bekannt". Das Blöde war nur: Der Student war zur Tatzeit gar nicht im Land. Er war in Japan. Das verstand auch irgendwann die Hamburger Staatsanwaltschaft und stellte die Ermittlung Ende November ein.

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Wie die Ermittler ausgerechnet einen Typen gesehen haben wollen, der gar nicht in Hamburg sein konnte, ist nicht bekannt. Das wollen die Grünen mit der Anfrage herausfinden. "Wir wollen dieses Thema aufbereiten, weil es ein riesiger Skandal ist", sagt Julia Willie Hamburg zu VICE. Sie ist eine der vier Abgeordneten, die die Anfrage gestellt haben. Auf Twitter schrieb sie: "Wir fragen nun nach der abstrakten Gefahr durch @realMarcUwe sowie geplanten Gegenmaßnahmen #ltnds"

Unter anderem wollen die Grünen wissen:

"Auf welcher Rechtsgrundlage wurden die Känguru-Chroniken beschlagnahmt?"

"Geht für die Landesregierung von kommunistischen/linksextremistischen Kängurus eine ernstzunehmende Gefahr für die Freiheitlich Demokratische Grundordnung aus?

"Wurden die Känguru-Chroniken inzwischen wieder zurückgegeben, damit der Student weiterhören kann?"

Es klingt wie ein verspäteter Aprilscherz, ist es aber nicht. Die Fraktion habe die Anfrage bewusst am 1. April gestellt, sagt Hamburg, "um die Absurdität deutlich zu machen". Dass auch witzige Fragen darunter sind, sei gewollt. Sie dienten als "politisches Statement, um die Skurrilität des Falls hochzutreiben". Hamburg wirft den Ermittlern einen unsachgemäßen Umgang vor. "Sie handelten sehr aktionistisch und ohne belegbare Grundlage", sagt Hamburg. Vermutlich wolle man nach dem Chaos von G20 Aktionen und Tatendrang zeigen.

Die Anfrage werde derzeit noch von der Landtagsverwaltung auf Fehler und Belege geprüft, sagt Hamburg. Ein normaler Vorgang. Danach gehe sie an die Landesregierung, die sie innerhalb von sechs Wochen beantworten muss. Zeit genug, um sich die Känguru-Chroniken noch mal genauer anzuhören.

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