Politik

Alles, was Elon Musk über Brandenburg wissen sollte

Erklärt von einem Berliner.
Elon Musk vor einer Brandenburger Allee
Collage: imago images / STAR-MEDIA / Photocase | bearbeitet

Hurra, Hurra, der Elon der ist da! Seit der Unternehmer Elon Musk am Dienstag bekannt gab, dass er im Speckgürtel Berlins – auch Brandenburg genannt – eine Tesla-Gigafactory bauen will, staunt halb Europa. Brandenburg? Ist das nicht diese Region, in der es weder Industrie noch nennenswerte Wirtschaft gibt? Schließlich ist Brandenburg deutschlandweit für zwei Dinge bekannt: Spreegurken und Neonazis.

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Ich sehe die ostdeutschen Leser schon aufstöhnen. Oh nein, schon wieder so ein klischeebeladener Text über unsere geliebte Heimat. Aber ich bin nun mal geborener Berliner und habe zusätzlich vor Kurzem eine Kanu-Tour durch den Spreewald gemacht und kann daher sagen: Spreewaldgurken an jeder Ecke – Check! Neonazis an jeder Ecke – auch Check! Ist halt so.


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Elon Musk hat diese gemütliche Tour durch die im Jahr 1157 ausgerufene (sagt man das so?) Mark Brandenburg sicherlich noch nicht gemacht. Aber kein Problem, Elon, wir helfen dir gerne weiter. Denn Brandenburg kann noch viel mehr als 23,5% seiner Stimmen an die AfD geben und sich dauerhaft abgehängt fühlen, obwohl die Geburtenrate steigt, die Erwerbstätigkeitsquote mit 70% genau so hoch wie zur Wendezeit ist und sich die Wirtschaftsleistung (BIP) in den letzten 30 Jahren fast verdreifacht hat. In Brandenburg meckert man nach Gefühlslage. Was es für Elon Musk deshalb zu ergründen gilt, ist die Brandenburger Seele. Denn des Volkes Herz ist ein tiefer Brunnen, das wusste schon ein deutscher Romancier.

Hier nun also die wichtigsten Eigenarten und Dinge, die du kennen solltest, Elon. Vor allem wenn du – ähnlich wie im Silicon Valley – von deinen Angestellten eine 80-Stunden-Woche forderst.

Die Urlaubskultur

Der Brandenburger an sich kennt das Ausland kaum. Aber er hat das Tropical Islands. Das Tropical Islands ist die Brandenburger Art zu zeigen, dass man weltoffen ist. Eine Kunstwelt aus Palmen und Sand, unter einer riesigen Kuppel, im Nirgendwo von 15910 Krausnick. Hier trifft man auf Familien in zu engen Badesachen und zu roten Gesichtern, die sich vor einer künstlichen Strand-Tapete die Solarium-Sonne auf den Bauch scheinen lassen und Berliner Weiße Waldmeister schlürfen. Das Tropical Islands ist eine ehemalige Zeppelin-Werkstatt (komisch, dass dieses 1996 gestartete Projekt nichts geworden ist, die Hindenburg hat's doch vorgemacht), die nun zu einem enormen tropischen Freizeitpark umfunktioniert wurde. Hier kann sich Musk schon mal angucken, was aus seiner Megafabrik wird, wenn sie erwartungsgemäß an der deutschen Bürokratie und der Brandenburger Laune scheitert. Guter Einstiegssatz zur Kontaktaufnahme: "Ist vielleicht nicht Gran Canaria hier, aber dafür kann ick die Tür zu machen, wenn einer rin will, wa?"

Die Trinkkultur

Der Brandenburger steht gerne an Stehtischen und trinkt Bier aus Flaschen. Grundsympathisch erst mal. Dabei ist es ihm relativ egal, ob der trostlose Stehtisch vor einer Trinkhalle, einem Kiosk oder einer Tesla-Gigafactory positioniert wurde. Um sich mit dem einfachen Volk anzufreunden, reichen hier also ein paar ausrangierte Stehtische von Vita-Cola und 500 Kästen Berliner Kindl. Schneller kriegt man die Brandenburger nur auf seine Seite, wenn man anmerkt, dass die 4,7% Ausländeranteil uns die Scharia überstülpen wollen, oder wenn Achim Menzel ein Autohaus eröffnet. Da Achim Menzel leider verstorben ist und die Autos in Zukunft von Tesla gebaut werden, konzentriert man sich in letzter Zeit auf Ersteres. Hier könnte Musk also nicht nur die klaffende Autohauseröffnungen-Lücke schließen, sondern mit seinen zukunftsweisenden Technologien auch an der Wiederauferstehung Achim Menzels arbeiten. Go for it, Elon! Guter Einstiegssatz zur Kontaktaufnahme: "Na dann Prost Dickerchens! Auf Achim Menzel!"

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Die Gesprächskultur

Elon Musk kommt aus Südafrika, zog dann nach Kanada und schließlich in die USA. Unter anderem, um dem Wehrdienst in Südafrika zu entgehen. Diesen Umstand sollte man lieber verheimlichen, ein guter Brandenburger war bei der Volksarmee/Bundeswehr und kennt auch den einen oder anderen Prepper, der gerne mal etwas Munition verschwinden lässt. Darüber reden möchte allerdings niemand. Dieses Verhaltensmuster zieht sich dann auch durch die ganze Region. Die Brandenburger Gesprächskultur besteht aus amüsanten Kneipensprüchen ("Lass ma die Luft ausm Glas!"), herzhaften Beleidigungen ("Wat sind Sie denn fürn Fatzke?") und dem obligatorischen "Die tun ja keenem wat". Damit sind meist sowohl die Dorfschläger als auch alte Bärenfallen und streunende Wölfe gemeint. Um Gesprächen, die einen als Zugewanderten oder US-Milliardär entlarven könnten, aus dem Weg zu gehen, tragen Sie am besten Deutschland-Hosenträge und schimpfen während einer Kutschfahrt darüber, dass die Jugendlichen alle gar keine Ahnung mehr haben, wie es früher mal war. Guter Einstiegssatz zur Kontaktaufnahme: "Tach und Tschüss!"

Die Sportkultur

Sportlich läuft es in Brandenburg so semi-gut. Der Fußballverein SV Babelsberg 03 ist eigentlich nur dafür da, als Feindbild für die von Neonazis durchtränkten Fanszenen von Energie Cottbus und Co zu fungieren. Ansonsten trifft man sich gerne zum Wasserball oder Trampolinspringen. Da die Berliner leider sehr wenig Begeisterung für ihren Hauptstadtclub Hertha BSC aufbringen, pilgern jedes Wochenende Tausende Brandenburger ins Olympiastadion und feuern – oftmals vergebens – die Blau-Weißen an. Ein wenig Großstadtluft atmen. Will Elon Musk also das Herz der Brandenburger gewinnen, geht das auch über den Sport. Dazu muss er sich nur mit dem leicht windigen Investor Lars Windhorst zusammentun, der kürzlich für über 200 Millionen Euro bei Hertha eingestiegen ist und bereits Jürgen Klinsmann im Aufsichtsrat installiert hat. Mit einigen hundert Musk-Millionen mehr wird man sicherlich auch den aktuellen Trainer und Manager los, holt ein paar überteuerte Altstars und einen Trainer wie Kovac oder Mourinho, steigt in ein paar Jahren komplett pleite in die Regionalliga ab und verschleudert sein Geld damit wesentlich sinnvoller, als wenn man in eine, sagen wir mal, Megafabrik für Zukunftsautos in Brandenburg investieren würde. Guter Einstiegssatz zur Kontaktaufnahme: "Union einfach viel geiler, weil super kultig. Genau wie St. Pauli."

Die Freizeitkultur

Der Brandenburger an sich ist gerne in der Natur. Das liegt daran, dass die Städte in Brandenburg entweder aussehen wie eine glasierte Puppenstube (Hallo Potsdam!) oder wie eine Mischung aus Dresden ‘45 und einer seelenlosen Mall in einer beliebigen Fußgängerzone (Hallo der Rest!). Außerdem besteht das Bundesland zu einem Drittel aus Naturparks, Wäldern, Seen und Wassergebieten. Viel Platz, um Hinterwäldler-Dinge zu tun, irrationale Panik vor Ausländern zu haben und sich mit Wölfen anzufreunden. Letzteres habe ich vor Kurzem selber getan, als ich den Wildpark Schorfheide besuchte. Hier kann sich Elon Musk an der Artenvielfalt Brandenburgs erfreuen. Luchse, Wölfe, Hirsche, Büffel und Otter treiben in dem Park ihr Unwesen und in einer Gruppe Brandenburger in Funktionskleidung kann man dort relativ unerkannt Flora und Fauna erkunden. Wenn er Glück hat, wird ihm dort nach der nächtlichen Wolfsfütterung zum Jahrestag der Reichspogromnacht eröffnet, dass man jetzt gemeinsam einen Fackelmarsch durch den ostdeutschen Wald macht. Ich hatte dieses Glück jedenfalls. Wenn man also nicht möchte, dass der Fackelmob irgendwann vor der eigenen Fabrik steht, ist es besser, sich vorher mit ein paar Kanistern Glühwein und ein paar tausend Nordic-Walking-Sticks einzuschleimen. Good Luck, Elon! Du wirst es brauchen. Guter Einstiegssatz zur Kontaktaufnahme: "Hello my Name is Elon and I don't care about your Gewerkschaften."

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