Die Zentralafrikanische Republik sagt, Boris Beckers Diplomatenpass sei gefälscht
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Politik

Die Zentralafrikanische Republik sagt, Boris Beckers Diplomatenpass sei gefälscht

Die bizarre Geschichte hinter Boris Beckers Versuch, seinen Gläubigern zu entgehen.

Der sogenannte Becker-Hecht ist eine Technik, mit der sich Boris Becker bei so manchem Tennismatch aus der Bredouille retten konnte. Schien ein gegnerischer Ball kaum noch zu erreichen, warf sich Becker ihm lang ausgestreckt entgegen, immer in der Gefahr, sich ordentlich aufs Maul zu legen. Aktuell versucht sich der ehemalige Tennisprofi wieder per Hechtsprung zu retten – mit einem offenbar gefälschten Diplomatenpass. Und in quälend langsamer Zeitlupe segelt er nun dem harten Boden entgegen.

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Alles begann damit, dass Zeitungen Mitte 2017 berichteten, Boris Becker sei pleite. Laut englischen Wirtschaftsprüfern habe er bis zu 61 Millionen Euro Schulden, hieß es damals. "Ihnen alles bis ins Detail zu erklären, würde im Minimum zwei Stunden dauern", sagte Becker dazu der NZZ, pleite sei er aber keineswegs. Doch Beckers Realität schien inzwischen so weit von der seiner Gläubiger entfernt wie von den Tagen seiner Wimbledon-Triumphe. Es änderte nichts daran, dass ihn ein englisches Gericht am 21. Juni 2017 für insolvent erklärte. Wie Boris Becker damit umgeht, hat nichts von der Souveränität seines Tennisspiels.

Als es im Januar hieß, die Sportlegende veräußere seine Pokale, um Schulden zu tilgen, hätte es kein traurigeres Symbol für Beckers Abstieg geben können. Doch als er öffentlich erklärte, er könne ein halbes Dutzend seiner Trophäen einfach nicht finden, tat er einem nicht mehr ganz so leid. Doch es war nicht die letzte Karte, die der Hobby-Pokerspieler so ungelenk aus seinem Ärmel zerrte, dass es jeder sofort sehen konnte.


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Kraft der sich selbst verliehenen, imaginären Richterbefugnisse verkündete Boris Becker letzte Woche gegenüber der britischen Press Association, das Verfahren gegen ihn sei "sowohl ungerechtfertigt als auch ungerecht". Und was er dann sagte, klang noch mehr danach, als müsse er den unwissenden Behörden – leider, leider – ihre Grenzen aufzeigen: "Ich habe jetzt diplomatische Immunität geltend gemacht, denn dazu bin ich in der Tat verpflichtet, um diese Farce zu einem Ende zu bringen, damit ich anfangen kann, mein Leben wieder aufzubauen." Boris Becker war zum Staatsmann aufgestiegen? Nun ja. Die Zentralafrikanischen Republik habe ihn zum Attaché für Sport, Kultur und humanitäre Angelegenheiten in der Europäischen Union ernannt, behauptete Becker schon im April auf Twitter.

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Das Problem ist nur: Es stimmt offenbar nicht. Am vergangenen Wochenende hatte Daniel Emery Dede, EU-Botschafter der Zentralafrikanischen Republik in einem Interview mit der Deutschen Welle (DW) zunächst noch bestätigt, ja, Becker sei Diplomat seines Landes. Doch dann widersprach ihm sein eigener Chef, Außenminister Charles-Armel Doubane: "Boris Becker ist kein offizieller Diplomat der Zentralafrikanischen Republik", sagte er am Montag der Welt. Er habe dessen Ernennung nie unterschrieben, auch Präsident Faustin-Archange Touadéra habe ihn nie gebeten, irgendetwas in diese Richtung zu unternehmen. Aber wie kann es dann sein, dass Boris Becker dem High Court in London einen bis 2023 gültigen Diplomatenpass vorlegte? Charles-Armel Doubane hat dafür im DW-Interview eine Erklärung: "Es handelt sich um eine Fälschung."

Boris Becker soll noch nie in der Zentralafrikanischen Republik gewesen sein

Woher Doubane das weiß? Die Seriennummer des Dokuments passe zu Blankopässen, die 2014 gestohlen worden seien, erklärte Doubanes Büro gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Auch Doubanes Unterschrift auf dem Dokument sei gefälscht. Ob Boris Becker davon gewusst hat, ist unklar. Es hätte ihm aber auffallen können. Das Papier weist ihn nämlich nicht als Attaché für Sport, Kultur und humanitäre Angelegenheiten aus. Stattdessen steht auf dem Papier der größte Schenkelklopfer dieser ganzen Geschichte: Becker sei "Attaché für Finanzen".

Boris Becker, der laut Botschafter noch nie einen Fuß in die Zentralafrikanische Republik gesetzt habe, sagt dazu nur, dass er dazu nichts sagen könne, außer dass er den Diplomatenpass vom Botschafter erhalten habe. In einem ziemlich dubiosen Gespräch mit dem eher unbekannten Lifestyle-Magazin Top Magazin Frankfurt, in dem der Interviewer Becker eigentlich nur Stichworte zuwirft, darf dieser noch mal erklären, dass er die Forderungen gegen ihn bereits beglichen habe. Also den Part, den er für gerechtfertigt halte. Eine englische Privatbank erhebe 25 Prozent Zinsen auf Beckers Schulden, das sei aber "weder rechtskräftig noch rechtswirksam", sagt er mit ungetrübtem Selbstvertrauen.

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Unter wie viel Druck Becker gerade tatsächlich steht, zeigte vielleicht eher die Art, in der er das Interview bei Twitter veröffentlichte. Erst kündete er in einer Art Eilmeldung das Interview an, dann folgten zwei kryptische Tweets, die zur YouTube-Startseite verlinkten. Als der sonst so social-media-versierte Becker dann endlich den Videolink veröffentlichte, hätte es das Ende der Verwirrung sein können, wäre da nicht noch dieser Tweet gewesen:

Ein Insolvenzverfahren dauert in England ein Jahr. Demnach wäre Becker am Donnerstag damit durch gewesen. Wegen der vielen offenen Fragen wurde das Verfahren jetzt bis Ende Juli verlängert. Boris Becker tut aber weiter so, als sei er davor sicher. "Es ist ein Fakt, dass ich heute Diplomat von Zentralafrika bin", sagt er in seinem groß angekündigten Interview, will aber jetzt doch lieber mal nach Bangui reisen, um mit seinen Buddies aus der Zentralafrikanischen Republik die Sache mit dem Pass zu klären.

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