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Hass

Schwaben, Tierpornografie & die 7. Klasse – Auf dieser Webseite wird alles gehasst

Auf der 83-seitigen Meckerliste von 'www.ichhasse.es' stehen außerdem Payback-Punkte und frisches Essen.
Foto: imago | Christian Ohde | alle Screenshots: ichhasse.es

Es ist ein hartes Leben, das die Bewohner und Bewohnerinnen Deutschlands plagt: Die Steuern sind grundsätzlich zu hoch, die gut gelaunten Nachbarskinder zu laut und noch dazu ist es immer dann windig, wenn man sich gerade auf einer zu harten Parkbank niedergelassen hat, um sich in der Bild-Zeitung neuen Stoff für die chronische Empörung anzulesen. Aber grämt euch nicht, ihr vom Weltschmerz geplagten Kartoffeln! Wir haben den Ort gefunden, an dem ihr euren Griesgram nach Lust und schlechter Laune ausleben könnt – und dabei müsst ihr euch noch nicht einmal unter Menschen begeben.

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Die Website www.ichhasse.es bezeichnet sich selbst als "junges, satirisches Kommunikations-Forum", dabei ist sie für ihre User und Userinnen vor allem eins: der emotionsgeladene Müllhaufen ihrer dunklen Seelen. Auf 83 Foren-Seiten beschweren sie sich über sehr nachvollziehbare Hassobjekte wie zu kleine Pappkartons, den Kabelsalat unterm Schreibtisch und Rolltreppensteher. Andere ziehen mit zum Teil diskriminierenden Posts wie "Ich hasse Mädchen, die Fußballfans sind" selbst den Hass der Wut-Community auf sich.

Dabei sind die Hasser und Hasserinnen konsistent: Der erste Thread des Forums stammt aus dem Jahre 2009, die betreibende Firma – laut Impressum eine Kommunikationsagentur aus dem niedersächsischen Broistedt – verkauft sogar Tassen und Shirts mit Hassbotschaften. Unter einer Handynummer könne man Informationsmaterial über die Website anfordern, heißt es dort: "Wenn sich niemand meldet, beschweren Sie sich bitte bei www.ICHHASSE.ES."

Deutschland mag die Vorrunde der Fußball-WM nicht überstanden haben, aber die Einträge bei "ichhasse.es" zeigen: Im Meckern sind wir unangefochtener Weltmeister.

Manche Menschen hassen Trump, andere schreiben ein episches Wut-Manifest über Katzen

Niemand bestreitet, dass Beziehungen einem mitunter viele Nerven abverlangen. Bei einem User namens "Donni" ist es aber nicht die offene Zahnpastatube oder schlichtweg Fear of Commitment, die ihn von der Hochzeit mit seiner Freundin abhalten – sondern deren zwei Katzen. In seinem Rant schreibt er:

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"Wir zogen vor 2 Jahren zusammen. Seitdem gehe ich durch die Hölle. (…) Ständig kotzt das eine Mistviech irgendwo hin… auf den Boden, auf meine Terrarien, auf meine Unterlagen… sie kotzt einfach alles voll. Der andere Spinner tritt regelmäßig im Katzenklo in seine eigene Scheiße und verteilt sie in der ganzen Wohnung (obwohl 2 große und saubere Katzenklos zur Verfügung stehen)."


Auch bei VICE: Die großen Katzen des Persischen Golfs


Aber Donnis Hass auf die Katzen seiner Traumfrau geht so weit, dass er um seine eigene Gesundheit fürchtet – und zwar nicht aus allergischen Gründen:

"Ich sehe keinen Ausweg mehr. Meine Freundin will sie nicht hergeben und ich kann mit diesem Getier nicht mehr unter einem Dach leben. Ich habe das Gefühl, ich bekomme Depressionen. Ich habe mich, seit wir zusammen wohnen, so sehr verändert. Ich bin sehr oft schlecht gelaunt und will manchmal gar nicht nach Hause gehen, weil ich weiß, was mich dort wieder erwartet. (…) Es zerreißt mich innerlich."

Ein Post über die 7. Klasse beweist: Man ist immer nur so alt, wie seine Wutausbrüche es vermuten lassen

Im Nachhinein ist alles immer schöner – auch die Schulzeit, das sagen wir euch als hart arbeitende Menschen. Für diejenigen, die gerade mitten in Klausurenstress, Lehrergenöle und pubertären Klassenkämpfen stecken, mag das allerdings ein schwacher Trost sein. "Ich hasse meine 7. Klasse", schreibt eine Hasserin mit gleichnamigem Namen, "Ich lade immer alle ein und gebe mir Mühe. Wird man je mal auch zu einer Geburtstagsfeier eingeladen? Haha… Nein." Dabei sind es nicht nur die Gästelisten ihrer Mitschülerinnen, die der Hasserin auf die Eierstöcke gehen: "Undankbar as hell! Ich schenke einem Mädchen wirklich schöne Sachen zum Geburtstag.. Paar Stunden später blockt sie mich auf Whatsapp." Been there, done that, Schwester. Dass das alles nichts hilft, weiß Hasserin immerhin selbst:

"Ich würde allen gerne mal sagen… ICH HASSE EUCH! Denn… Am Arsch vorbei geht auch ein Weg! Aber ich muss ja noch ein paar Jährchen da aushalten… Ugh.

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RaTsChLäGe?"

Wer gegen Tierpornografie vorgehen will, sollte Hunde ausrotten

Genau wie Katzen strapazieren auch Hunde die Nerven der virtuellen Mobbing-Gang. Allerdings fühlt sich ein User, dessen vulgären Namen wir nicht wiedergeben möchten, offenbar so sehr von ihnen belästigt, dass er "diese dreckigen, kläffenden Scheißautomaten" virtuell mit Hundekot bewirft. Man solle eine Großjagd auf sie eröffnen, damit auch "der letzte dieser stinkenden Köter ausgerottet ist". Dann kommt er zum wahrscheinlich zentralen Problem seines Wut-Posts:

"Außerdem verschwinden dann endlich diese ganzen Hundeficker-Pornos aus dem Internet."

Deutschland wäre viel schöner, wenn die Schwaben an der Macht wären

Mit diesem schwäbischen Nutzer könnte man schon fast Mitleid haben. Da macht er sich extra mit noblen Vorsätzen ins Rheinland auf, um dort "mal etwas die Produktivität zu steigern" – und dann kommen seine Arbeiter fünf Minuten zu spät. Aber bei der Pünktlichkeit fängt der Kulturschock ja erst an:

"Oder auch sinnhaft für diese Drecksstädte dort, man ist, weil man viel gearbeitet hat, schon um 17 Uhr fertig und man wird gefragt, ob man noch ein Bier trinken will. Unter der Woche!!! Die haben wohl auch nur das Saufen im Kopf. Ich sagte 'nein danke', da meinten die, ich wäre ein Spießer. Wer baut das Land denn auf??? Wir Schwaben oder die saufenden Rheinländer?!"

Die Antwort kennen wir zwar nicht, aber eines wissen wir jetzt bestimmt: Menschen aus dem Rheinland haben einfach mehr Spaß am Leben.

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Leute hassen Payback-Punkte, dabei haben sie schon den einen oder anderen Rührstab finanziert

Wenn es einen Prototypen der Deutschen gibt, dann muss es dieser hassende Mensch hier sein. So wie viele Millionen andere Menschen in der Bundesrepublik hasst nämlich auch diese Person es, mit anderen Menschen zu interagieren, wenn es nicht zwingend notwendig ist. Und sei es nur, dass sie an der Supermarktkasse gefragt wird, ob sie Punkte sammelt.

"Ich hasse das. Du kaufst irgendwo ne Kleinigkeit ein, z.B. ne Tube Zahnpaste. Legst Deinen fünf Euro Schein hin 'sammeln se Paypackpunkte'

NEIN

'Ja wollen se denn welche sammeln'

Das ist so der Moment, da geht es mit mir durch. Entweder ich sage 'ne danke, ich sammle lieber in Flensburg' oder - bei mieser Laune 'NEIN, SONST HÄTTE ICH JA SCHON SO NE DÄMLICHE KARTE!!!' Schlimmer als die Zeugen Jehovas!!!"

Manchmal sind es einfach nur "die allgemeinen Umstände"

Bei Kafka wacht Gregor Samsa in seinem Bett auf und stellt fest, dass er sich in einen überdimensionalen Käfer verwandelt hat. Bei Öyzdemirz ist es immerhin noch nicht ganz so schlimm – aber trotzdem nicht weniger dramatisch:

"Kleine schwarze Krabbeltiere schleichen nachts über meine Matratze und zwicken mich", lamentiert Öyzdemirz. Der Post besteht aus einem Satz, es nerven einfach nur die allgemeinen Umstände, schreibt er oder sie. Und auch unsere Erfahrung bestätigt: Manchmal geißelt einen das Leben schon, wenn man noch nicht einmal die Füße über den Bettrand geschwungen hat. Besonders, wenn man durch die regentrübe Brille der deutschen Wutbürgerlichkeit in die Welt blickt.

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Putzen ist ein niemals endender Teufelskreis

Wäre das Leben nicht schön, wenn man nicht erwachsen werden und die Teller mit dem eingetrockneten Ketchup irgendwann selbst abwaschen müsste? Die meisten Menschen fühlen wohl mit dieser Person, wenn sie in Comic Sans und Satzzeichen-Tsunamis schreibt:

"Ich hasse es, meine verfluchte Wohnung sauber zu machen. Nach ein paar Stunden sieht es wieder genauso bescheiden aus wie vorher und ohne Spülmaschine dauert der verdammte Abwasch so lange das ich nen verflucht nochmal ganzen Tag für meine verfluchte Bude brauche!!!!"

Besonders schlimm: Weil sie kein Geld für ein "Selbstabwasch-Dingens" hat, kann sie keinen Überraschungsbesuch empfangen, das bringe allerdings ihren angeheirateten Co-Wutbürger auf die Palme – und frustriere sie wiederum so sehr, dass sie keinen Bock auf Putzen hat. Ein Teufelskreis. Unser Tipp: Den Typen den Abwasch machen lassen und selber aufräumen. Dann klappt's auch wieder mit dem Überraschungsbesuch.

"Ich hasse mich selbst dafür nicht zu diesen Weibern zu gehören, die bei Stress oder Problemen aufräumen müssen… Gott… dann wäre meine Bude chirurgisch clean"

Wir lernen: Offenbar kann nichts cholerische Deutsche so schnell in wutbürgerliche Zeter-Anfälle verfallen lassen wie das Leben selbst. In der gehässigen Welt von Twitter wären die ichhasse.es-Schreiber und -Schreiberinnen wahrscheinlich längst ein #firstworldproblem-Hashtag. In ihrem Forum haben sie sich aber einen Mikrokosmos voller Gewitterwolken kreiert, in dem sie ungestört nölen können – und dabei mehr Einblicke in die deutsche Psyche zulassen als ein Besuch auf der Fanmeile. Wenn das mal kein Grund zur Freude ist.

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