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Popkultur

Missbrauch, Vergewaltigung und Versklavung von Kindern: Sektenführer festgenommen

Das "Aggressive Christianity Missions Training Corps" ist bekannt für sein militaristisches Auftreten. Diese Woche haben Behörden schwere Vorwürfe gegen die Anführer erhoben.

Die Liste der Anschuldigungen ist lang. Der Haftbefehl, den VICE einsehen konnte, wirft den Beschuldigten vor, die Geburt mehrerer Kinder und den Tod mindestens eines Jungens verheimlicht zu haben. Einem Bericht des Lokalnachrichtensenders KOAT-7 Action News zufolge wird einem Sektenmitglied die Vergewaltigung eines Mädchens in mehr als 100 Fällen zur Last gelegt. Das Kind soll darüber hinaus illegal von Uganda in die USA gebracht worden sein. Vergangenen Sonntag verhaftete die US-Polizei im Bundesstaat New Mexico aktive und ehemalige Mitglieder einer fundamentalistischen christlichen Gemeinschaft.

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Das Aggressive Christianity Missions Training Corps (ACMTC) ist eine abgeschieden lebende militaristisch-religiöse Gemeinschaft. Sie wurde 1981 von den ehemaligen Hippies Deborah und James G. in Sacramento, Kalifornien, gegründet. Mitglieder der fundamentalistischen Sekte tragen Uniformen und reden sich gegenseitig mit militärischen Dienstgraden an.

Bereits in der Vergangenheit waren den Anführern sektentypische Praktiken vorgeworfen worden. Sie sollen das Geld der Mitglieder kontrolliert, ihren Kontakt zur Außenwelt eingeschränkt und sie ohne ausreichend Nahrung, Wasser oder Sanitäranlagen isoliert haben. Seit ihrer Gründung wird die Sekte vom Southern Poverty Law Center als "Hate Group" gelistet.


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Die Ermittlungen, die am Sonntag zu den Verhaftungen führten, hatten bereits letztes Jahr begonnen. Zwei weibliche Mitglieder hatten beim Cibola County Sheriff's Office angegeben, der Gemeinschaft entkommen zu sein. Sie berichteten den Beamten von schrecklichen Taten.

Laut Haftbefehl soll "General" Deborah G. 2014 verboten haben, einen schwerkranken Jungen ins Krankenhaus zu bringen. Einem Zeugen zufolge war der Kopf des 12-Jährigen nach drei Wochen schwerer Grippe deformiert und Eiter trat aus seiner Stirn. Der Junge habe nicht mehr sprechen oder seine rechte Körperhälfte bewegen können.

G. wird in dem Haftbefehl als eine Person beschrieben, die nicht an die moderne Medizin glaubt. Sie selbst wies diesen Vorwurf entschieden zurück. Die Polizei entgegnet jedoch, dass sie gegenüber Mitgliedern gesagt habe, die Kranken "sind in Sünde und müssen Buße tun, um geheilt zu werden". Als der Junge schließlich seiner schweren Grippe erlag, so der Haftbefehl weiter, wurde er auf dem Grundstück der Sekte begraben. Die Sekte setzte die Behörden darüber nicht in Kenntnis.

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Die Mutter des Jungen, Stacey M., wurde ebenfalls am Sonntag festgenommen. Der Vorwurf lautet Kindesmissbrauch. Die Sekte verkündete in einem Statement auf ihrer Seite, dass M. nicht länger Mitglied sei. In dem Haftbefehl heißt es, M. habe den Ermittlern zuvor erklärt, dass sie ihren Sohn nicht ins Krankenhaus gebracht habe, weil "sie Gott vertrauen wollte".

Wie eine Sklavin behandelt

Weitere Missbrauchsverbrechen sollen sich gegenüber einem Mädchen ereignet haben, das Ermittlern zufolge Ende der 90er aus Uganda in die USA geschmuggelt worden war. Sie sei als Säugling mithilfe gefälschter Dokumente ins Land gebracht worden. Im Haftbefehl heißt es, das Mädchen habe ausgesagt, während ihrer Zeit bei der Gruppierung geschlagen, ausgehungert und insgesamt wie eine Sklavin behandelt worden zu sein. Als Folge der Mangelernährung leidet sie unter Rachitis. Weiter gibt das Mädchen an, mehrfach von Deborah G. und ihrem Schwiegersohn Peter G. sexuell misshandelt worden zu sein – alles vor ihrem zehnten Geburtstag. Peter G. wird deswegen Vergewaltigung von Minderjährigen in 100 Fällen vorgeworfen.

Deborah G.s leiblicher Sohn Joshua wurde ebenfalls am Sonntag verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, sein Kind nach der Geburt nicht registriert zu haben. Dem ACMTC wird ohnehin vorgeworfen, mehrere Kinder vor den Behörden verheimlicht zu haben. Sie waren alle auf dem Grundstück der Sekte zur Welt gekommen. Möglicherweise wollten sie dadurch jeglichen Kontakt mit Polizei und Jugendämtern vermeiden. Laut Haftbefehl gaben frühere Mitglieder an, dass immer eine Alarmglocke geläutet wurde, wenn die Polizei auf dem Grundstück erschien. Die Kinder versteckten sich daraufhin im Wald oder einem Nebengebäude. Wie der Cibola County Sheriff gegenüber KOAT 7 Action News bekannt gab, leben immer noch 18 Kinder bei der fundamentalistischen Gruppierung.

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Bislang haben Sektenmitglieder vor allem mit Trotz und Unschuldsbeteuerungen auf die Festnamen reagiert. In einem Statement auf der Website der Gruppe heißt es: "Die Vorwürfe sind lediglich Wiederholungen alter Lügen, die in der Vergangenheit bereits untersucht worden sind und sich als bösartige Angriffe gegen eine legitime Gemeinde herausgestellt haben, wieder und wieder … Es ist niemals eine Regel der ACMTC gewesen, medizinische Hilfe vorzuenthalten oder jemanden davon abzuhalten, ins Krankenhaus zu gehen. Tatsächlich sind viele Menschen über die Jahre im Krankenhaus behandelt worden."

Hungerstrafe für "spirituelle Untreue"

Das ehemalige ACMTC-Mitglied Maura Alana Schmierer hat da anscheinend anderes erlebt. In der 2012 ausgestrahlten National Geographic-Dokumentation Ausstieg aus der Sekte hatte Schmierer gesagt, dass Deborah G. ihr verboten hätte, ihre kranken Kinder ins Krankenhaus zu bringen. Sie wäre gezwungen worden, in einer kleinen Hütte mit wenig Essen und ohne Toilette zu leben. Das sei ihre Strafe für ihre "spirituelle Untreue" gewesen, weil sie ihre Kinder mehr "verehrt" habe als Gott.

Schmierer erklärt in der Dokumentation weiter, dass sie der Gruppe 1982 in Sacramento, Kalifornien, beigetreten war, als sie noch als Free Love Ministries bekannt war. Die Gruppe war eine von vielen neuen christlichen Gemeinschaften, die aus der Hippiebewegung hervorgegangen waren. Anstatt langen Haaren, Bärten und Schlaghosen wählte die Sekte jedoch eine militaristische Ästhetik. Wie viele andere fundamentalistische christliche Gemeinschaften auch glaubten die Mitglieder laut Schmierer an den "Spiritual Warfare", den "spirituellen Krieg" – einem ständigen Kampf zwischen Engeln und Dämonen um unsere Seelen.

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"Gott will den Krieg", hört man Deborah G. in einem Videoclip aus den 1980ern sagen, der in der Dokumentation zu sehen ist. "Der Krieg ist von Gott … Gott ist ein militanter Gott."

Ausstieg aus der Sekte erwähnt auch, dass die Anhänger der Sekte extreme Fastenpraktiken, Zwangsarbeit und Gedankenkontrolltechniken über sich ergehen lassen mussten. All das war dazu gedacht, den Mitgliedern ihren Sinn für Identität zu nehmen.

Letztendlich schaffte Schmierer es, die Free Love Ministries zu verlassen und die Sekte 1989 erfolgreich auf 1,08 Millionen US-Dollar zu verklagen. Das führte dazu, dass die Sekte einige ihrer Gebäude verlor und mehrmals umzog, bevor sie Mitte der 90er in New Mexico landete.

Ein Repräsentant des ACMTC sagte gegenüber VICE, dass momentan niemand in der Gruppe für Interviews bereitstehe, und verwies auf ihre Website. Dort findet sich eine große Textsammlung mit Essays der Sektenführer über sexuelle Unsittlichkeit, islamophobe Rhetorik, Visionen durch Gott und Links zu Gruppen wie der rechtsradikalen John Birch Society.

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