Ein Künstlerkollektiv zeigt Sicherheitslücken im österreichischen Parlament

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Schwarz-blaue Geschichten

Ein Künstlerkollektiv zeigt Sicherheitslücken im österreichischen Parlament

"Die FPÖ versucht mit demokratischen Mitteln, die Demokratie in ihren Grundfesten zu zerschlagen."

In der "Abteilung für Emailverschlüsselungsangelegenheiten" sitzt Jean Peters. Neben ihm das Telefon der IT-Notfallhotline. Von Mittwoch, den 4. April, bis Freitag, den 6. April, können sich hier die Abgeordneten von National- und Bundesrat, Bundespräsident Alexander Van der Bellen und MitarbeiterInnen des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ihren sogenannten PGP-Schlüssel holen, um endlich auch so kommunizieren zu können, wie es das 21. Jahrhundert erfordert. Denn Skandale wie der rund um das BVT haben gezeigt, dass vertrauliche Informationen in Österreich oft vieles sind, nur nicht vertraulich.

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Mit dieser Aktion möchte das Peng-Kollektiv aus Deutschland auf Sicherheitslücken im Informationsaustausch österreichischer Entscheidungsträger aufmerksam machen. Denn viele von ihnen kommunizieren immer noch nicht verschlüsselt, sondern so offen wie wir mit dem Schnäppchenjäger, der auf Willhaben unsere alte Comic-Sammlung erstehen möchte.

Peng hat dazu für alle Abgeordneten von Nationalrat und Bundesrat, Bundespräsident Van der Bellen und einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BVT einen sogenannten PGP-Schlüssel erstellt, der notwendig ist, damit E-Mails, die an Abgeordnete oder von ihnen versandt werden, für Außenstehende nicht lesbar sind. In einem offenen Brief an Innenminister Kickl auf der Facebook-Seite der Gruppe werden Kickl und Co dazu aufgefordert, sich die Schlüssel zu den dort angegebenen Behördenzeiten abzuholen. Wir haben mit Peng-Mitglied Jean Peters gesprochen, der derzeit in der "Abteilung für Emailverschlüsselungsangelegenheiten" im Wiener Museumsquartier sitzt.

VICE: Jean, Was ist der Anlass für eure Aktion?
Jean Peters: Die FPÖ versucht mit demokratischen Mitteln, die Demokratie in ihren Grundfesten zu zerschlagen. Erst die BVT-Affäre, wo sie gezielt Daten zur Rechtsextremismusrecherche konfiszieren ließ, und dann das kommende Überwachungspaket. Da grätschen wir rein und zwingen die Parlamentarierinnen und Parlamentarier, ab sofort E-Mail-Verschlüsselung anzuwenden.

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Weshalb sollten Abgeordnete, BVT-MitarbeiterInnen oder der Bundespräsident überhaupt verschlüsselt kommunizieren?
Man sieht ja, was passieren kann: wenn die FPÖ weiter so wütet, weiß man nie, wessen Festplatte sie als nächstes konfiszieren lässt. Irgendeinen Vorwand findet sie bestimmt immer, solange sie an der Macht ist. Und bei aller Liebe zum Neutralitätsgebot: Momentan wollen die Geheimdienste in Deutschland einfach nichts mehr mit den Österreichern zu tun haben, weil sie so schlampig mit ihren Informationen umgehen.

Zur Klarstellung: Unser Angebot ist in der Form keine durchweg sichere Lösung, da die Politikerinnen und Politiker im Idealfall einen zweiten, privaten Schlüssel erstellen, auf den wir selbst keinen Zugriff haben. Theoretisch könnten wir uns ja sonst in ihr Mail-Postfach reinhacken und alles entschlüsseln – das will ja niemand.

Warum verschlüsselt ihr nicht die E-Mails der Abgeordneten in Deutschland?
Mein Opa hat immer gesagt, man sollte bei großen Vorhaben immer erste kleine Tests durchführen.

"Wenn du Demokratie nutzen willst, um die abzuschaffen, finden wir das scheiße", schreibt ihr an den Innenminister. Was meint ihr damit?
Kickl ist nicht dumm und wird alle rechtsstaatlichen Mittel einsetzen, um demokratische Rechte einzuschränken. Die FPÖ strebt ja nicht nach einer Stärkung von Bürgerrechten. Aktuell wollen sie beispielsweise das Briefgeheimnis einschränken, Staatstrojaner und IMSI-Catcher einsetzen. IMSI Catcher sind quasi Antennen, die man zwischen Handy und Handymast schaltet, um alles mitzuschneiden, was in der Umgebung telefoniert wird. Wir brauchen sichere Räume, um uns überhaupt eine Meinung bilden zu können, um Identitäten zu formulieren und zu entwickeln. Und ohne die gibt es keine starke demokratische Debatte.

Was mir persönlich aber noch viel mehr Sorge bereitet, ist, wie mit Hilfe von Fremdenhass eine neoliberale Agenda durchgepeitscht wird, die die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter öffnet. Und das ist ein weiterer Grundstein von Demokratie: ökonomische Gerechtigkeit und eine gelebte solidarische Gesellschaft. Wie mit populistischem Rassismus das Gegenteil durchgesetzt wird, ist erschreckend – das gilt aber genauso für Deutschland und die USA.

Das Kollektiv hat einige der Schlüssel groß gedruckt und aufgehängt. Sie können am 13.4. im modulart oder vorab im Museumsquartier in der Ausstellung "Shaping Democracy" angesehen und gekauft werden.

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