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Foto: Grey Hutton
Drogen

Konsumierende erzählen uns, warum sie ihren Dealern und Dealerinnen vertrauen

Viele Konsumierende sehen die Menschen, die ihnen Drogen verkaufen, als Freunde. Das hat eine Studie ergeben. Aber stimmt das? Wir haben fünf Leute gefragt.

Neben Muttertag, Vatertag und dem internationalen Weltfrauentag gibt es auch jedes Jahr den Weltdrogentag, am 26. Juni. Nein, das heißt nicht, dass heute der größte Joint der Welt geraucht wird oder man sich legal ein paar Lines Koks reinballern darf. Der "Internationale Tag gegen Drogenmissbrauch und unerlaubten Suchtstoffverkehr" richtet sich, wie der Name schon sagt, gegen den illegalen Konsum von Drogen.

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Trotz aller Risiken nehmen Menschen die unterschiedlichsten Pillen und Pulver, rauchen und spritzen Suchtstoffe. Damit beschäftigen sich auch Forschende in London, die jedes Jahr die größte länderübergreifende Drogen-Konsumenten-Erhebung durchführen. Im Global Drug Survey 2019 befragten sie Konsumierende erstmals zu ihrem persönlichen Verhältnis gegenüber ihrem Dealer oder ihrer Dealerin: Wie gut und wie lange kennen sie die Personen, vertrauen sie den Dealenden, spielt das Geschlecht eine Rolle? Dabei sehen die meisten der Befragten die Verkaufenden auch als Freund. Nur 22 Prozent beschrieben die Person ausschließlich als Drogendealer. Über die Hälfte der Befragten kaufen seit mehr als drei Jahren bei der gleichen Person. Das Vertrauen in die Dealenden, dass sie bei einer Beschwerde nicht gewalttätig reagieren würden, war insgesamt hoch.

Wir wollten wissen, wie Konsumierende in Deutschland zu ihren Dealern und Dealerinnen stehen und haben fünf gefragt.

Melanie, 24, hat einen festen Dealer und eine feste Dealerin

Wie kaufst du deine Drogen?
Pillen, Speed und psychedelische Drogen kaufe ich bei einem Dealer, GHB oder GBL bei einer Dealerin. Ich finde es am besten, immer bei den gleichen Menschen zu kaufen. Die kennen mich, ich kenne die. Ich kann denen vertrauen. Ich weiß, was die haben und dass es gut ist.

Vertraust du diesen Personen?
Das sind beides Freunde von Freunden und ich vertraue meinen Freunden. Dann vertraue ich auch denen, die sie mir empfehlen. Bisher lief alles gut. Vor allem bei GHB muss man schauen, dass man gute Ware bekommt und die hat sie. Einmal habe ich nach dem Kauf aus Versehen ein Fläschchen GHB verschüttet. Dann hat sie mir ein ganzes Fläschchen umsonst gegeben – im Wert von 250 Euro. Das war für mich ein großer Vertrauensbeweis. Außerdem vertraue ich Frauen generell mehr, auch in dieser Beziehung. Frauen sind meistens zuverlässiger und ich brauche keine Angst haben. Bei einer Frau zu kaufen, finde ich sehr angenehm.

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Bist du mit deinem Dealer oder deiner Dealerin befreundet?
Ich würde sicher auch mal einen Kaffee mit dem Typ trinken gehen. Oder im Club mit ihm sprechen. Aber ich hänge schon nur wegen den Drogen mit ihm ab. Als Freund würde ich ihn nicht bezeichnen. Er liefert die Ware immer zu mir nach Hause und trinkt dann noch einen Tee. Er ist beleidigt, wenn er nur als Dealer eingeladen wird, also nur zum Austausch der Drogen. Mit der Dealerin bin ich auch nicht befreundet, ich treffe sie ausschließlich zum Kaufen, immer an einer Bushaltestelle auf der Straße. Das ist nicht der beste Ort zum Dealen, aber es ist ja auch nur ein Plastikfläschchen, das sie mir gibt. So ist das Risiko gering.

Dan, 32, nutzt Kokstaxis

Wieso bestellst du deine Drogen bei einem Taxi?
Früher habe ich bei einem Dealer gekauft. Aber seit drei Jahren kaufe ich nur per Kokstaxi, die man per SMS oder Telegram bestellt. Ich kaufe immer spontan und will schnell meine Ware. Da sitzt meistens der gleiche Mann im Auto und der Typ, mit dem ich chatte, ist auch immer der gleiche. Ich weiß, dass es ein Mann ist, weil er denkt, ich sei eine Frau, wegen meinem falschen Profilbild. Er flirtet mit mir, schickt Herzchen und schreibt "Hey Habibi". Dieses Verhältnis ist fast schon ein bisschen zu viel. Mit dem Typen, den ich dann im Auto treffe, ist es sehr kollegial. Der sagt meistens so Sachen wie: "Yo, Bro, wie gehts?" und "Pass auf dich auf!" Man hat das Gefühl, man steigt zu einem Kumpel ins Auto. Das finde ich gut, da fühle ich mich wohl.

Wie schätzt du das Risiko ein, dort Drogen zu kaufen?
Der Dealer kann mir keine Sicherheit versprechen und ich ihm auch nicht. Es existiert also eine Abhängigkeit von beiden Seiten. Ich passe soweit auf, wie ich kann: wo ich ihn hinschicke, zum Beispiel. An eine Hauptstraße oder direkt in meine Straße würde ich ihn nicht bestellen. Ich setze mich einem Risiko aus, dem ich mir von Anfang an bewusst bin. Eine Freundschaft hat sich daraus nie ergeben. Das halte ich nicht für besonders schlau. Ich sehe es als Dienstleistung. Ich habe tolle Freunde, ich brauche nicht noch einen, der dealt.

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Was macht Koks mit dir und deinem Leben?
Für die Produktion eines TV-Formats für RTL II zum Thema Kokain wollen wir deine Stimme hören. Ruf einfach unseren Anrufbeantworter an und erzähl, welche Erfahrungen du mit Kokain hast und was es mit dir macht. Bitte lies dir vorher unsere Hinweise dazu durch, wie und in welchem Umfang deine Nachricht von VICE und RTL II im Rahmen der Produktion genutzt werden kann. Wenn du uns eine Nachricht hinterlässt, erklärst du dich damit einverstanden, dass VICE und RTL II die Aufzeichnung deiner Nachricht in der dort beschriebenen Form nutzen dürfen. Diese Hinweise zur Nutzung deiner Nachricht und die Telefonnummer findest du hier! (PDF)


Hast du schon mal eine Situation erlebt, in der ein Dealer laut oder gewalttätig wurde?
Gewalt nicht, nein. Aber als ich bei einem Freund war, habe ich aus Versehen eine falsche Adresse angegeben. Das Kokstaxis ist dann ewig hin- und hergefahren, ich habe gleichzeitig mit der Zentrale kommuniziert. Irgendwann hat es dann geklappt. Dann war der Fahrer genervt und nicht gerade freundlich. Die sind gerade am Wochenende ja sehr eng getaktet.

Alison, 27, ist zu Besuch in Berlin und bestellte per WhatsApp

Du hast zum ersten Mal in Berlin Drogen gekauft, kanntest du jemanden, der verkauft?
Ich habe eine Nummer von einem Freund bekommen und per WhatsApp bestellt. Ich wollte die Drogen nicht erst im Club kaufen, weil ich gehört habe, dass sie dann viel teurer sind. Die bei WhatsApp haben alles angeboten außer Valium.

Warst du nervös, bei jemand Fremden zu bestellen?
In London ist es ganz normal, per WhatsApp zu bestellen. Deshalb war das auch in Berlin nicht komisch für mich und ich hatte keine Angst. Beim ersten Mal war ich sehr zufrieden. Die Ware war gut. Ich gehe immer davon aus, dass die Ware gut ist, weil gute Dealer wollen ja mehr verkaufen, dann achten sie auch darauf, dass eine gute Qualität gewährleistet ist. Beim zweiten Mal bestellte ich ihn zum Club, dafür wollte er aber mehr Geld, also habe ich es nicht gemacht. Beim dritten Mal wollte ich um 3 Uhr morgens Koks bestellen. Da meinte er, es sei zu spät. Das hat mich überrascht, in London ist es ganz normal, um diese Uhrzeit noch etwas geliefert zu bekommen.

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Oliver, 33, kauft seine Drogen im Club

Wie gut kennst du deine Dealer oder Dealerinnen?
Ich kaufe meine Drogen immer spontan im Club, auf der Toilette. Aber ich nehme natürlich nicht den erstbesten Dealer. Erstmal gucke ich, was hat der für ein Auftreten. Zum Beispiel mag ich Dealer, die extra auffällig angezogen sind. In einem Club gibt es einen Dealer, der ein Cap mit Propeller trägt, wie Karlsson vom Dach. So erkenne ich ihn immer wieder. Dieser Typ lebt den Job, der freut sich auch, wenn die Kunden Spaß haben an seiner Ware. Und das ist für mich wichtig. Wenn ich einen Dealer auf der Toilette gefunden habe, frage ich meistens noch mal nach: "Gibt es da Erfahrungen? Hast du die selbst schon mal konsumiert? Was hast du für Feedback bekommen?" Diese Fragen sollte man durchaus stellen. Alles andere wäre unverantwortlich.

Hast du auch schon mal bei einer Frau gekauft?
Naja, in meinem patriarchalen Dealer-Weltbild bin ich eigentlich immer davon ausgegangen, dass nur Männer Drogen verkaufen und habe auch immer nur nach Männern Ausschau gehalten. Einmal hing ich aber ewig auf den Toiletten und habe keinen Typen gefunden. Da war so ein süßes Mädchen, die auch die ganze Zeit dort rumstand. Dann habe ich sie irgendwann gefragt: "Suchst auch, wa?" Und dann meinte sie: "Nee, ich verticke."

Probierst du die Ware zuvor, damit du weißt, ob sie gut ist?
Dealer haben einen engen Zeitplan, die müssen ja auch arbeiten. Wenn die jetzt noch ne halbe Stunde mit irgendwelchen Druffis auf Klo abhängen müssen, verkaufen die ja nichts. Bisher habe ich damit keine schlechten Erfahrungen gemacht. Vor allem wenn man in Feierstädten wohnt, in denen es eine große Konkurrenz gibt, dann kann es sich der Dealer nicht leisten, schlechte Ware zu verkaufen. Der ist dann sofort raus aus dem Geschäft. Ich denke, aufgrund des hohen Konsums ist deshalb nur gutes Zeug auf dem Markt.

Philipp, 35, bezieht seine Drogen übers Darknet

Seit wann kaufst du deine Drogen im Darknet und warum?
Seit 2013 kaufe ich MDMA, Ketamin, LSD und ab und zu Gras. Das Zeug wird immer zu mir nach Hause geliefert. Ich nutze kein Postfach. Die Produkte werden von anderen Usern bewertet, deshalb ist eine Qualitätssicherung immer gewährleistet. Darauf kann ich vertrauen. Entweder Top-Qualität oder gar nichts. Meistens habe ich die Angebote eine Weile beobachtet, mich für die besten Bewertungen entschieden und wenn der Deal gut lief, habe ich versucht, beim gleichen Händler zu bleiben. Die Produkte im Darknet sind zudem viel günstiger. Und das Wichtigste: Ich muss mich nicht mit ominösen Menschen rumschlagen, mich auf der Straße mit jemandem treffen oder zwei Stunden auf meine Ware warten. Der Mensch ist immer die Schwachstelle. Je weniger menschliche Instanzen desto besser. Ab und an musste ich mal mit den Moderatoren im Darknet kommunizieren, wenn es was zu klären gab. Aber mein Motto ist immer: Keine Kommunikation ist die beste Kommunikation.

Ist damit kein Risiko verbunden?
Ich war am Anfang sehr paranoid. Das größte Risiko dabei ist, dass die Ware auf dem Postweg abgefangen wird. Aber am Ende kann man ja alles dementieren. Die Software habe ich auf einem USB-Stick. Wenn mal was wäre, würde ich den rausziehen und im Klo runterspülen. Ich habe bei keiner Bestellung den Respekt vor der Sache verloren. Aber: Solange man keine zehn Kilo MDMA bestellt, sondern im Rahmen dessen bleibt, was man per Brief verschicken kann, ist das Risiko auch nicht so groß. Briefe dürfen innerhalb Deutschlands nicht durchleuchtet werden. Wenn man in Holland bestellt, nutzen Dealer sogar Briefumschläge, die nicht durchleuchtet werden können. Bei so geringen Mengen gehen die Ermittler dem nicht nach. Dass die auf mein Bitcoin-Konto kommen würden, wäre viel zu aufwändig.

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