Tech

Was passierte, als ich mich bei eBay Kleinanzeigen als Babysitterin anbot

"Würdest du auch auf einen etwas älteren Jungen aufpassen? So in etwa 30 Jahre? ;)" war nur eine der unmöglichen Antworten.
S
von Sarah
Die Autorin schaut auf ihrem handy auf ebay kleinanzeigen
Die Autorin | Foto: Yasmin Nickel

Seit ich 16 war, habe ich immer wieder als Babysitterin gearbeitet. Ich liebe es, auf Kinder aufzupassen und weil meine berufstätige Mutter mich alleine aufgezogen hatte, haben auch auf mich oft Babysitter aufgepasst. Ich weiß, wie sehr sie meiner Mutter halfen, und habe mir immer gewünscht, dass ich auch einmal Mütter oder Paare unterstützen kann, die eine Pause brauchen.

Vor ungefähr vier Jahren riet mir ein Freund, doch eine Anzeige bei eBay Kleinanzeigen zu schalten, um in Berlin einen Job als Babysitterin zu finden. Es funktionierte und ich arbeitete schließlich an vier Tagen in der Woche für zwei Familien. Bis heute helfe ich einer der Familien und passe ab und zu auf ihre Kinder auf. So konnte ich ihnen richtig beim Heranwachsen zusehen.

Anzeige

Als die Familie weggezogen ist, habe ich beschlossen, wieder eine Anzeige zu schalten. Ich wollte einfach mal schauen, ob ich wieder Glück habe.


Auch bei VICE: Skirt Club – Der Nacktfoto-Leak


In das Angebot schrieb ich einfach nur "Französisch-, deutsch- und englischsprachige Babysitterin sucht eine Familie, die Unterstützung braucht". In mein Profil schrieb ich meinen Vornamen, dass ich drei Sprachen spreche und bei Hausaufgaben helfen könnte. Dass ich an Wochenenden arbeiten könnte und ab und zu unter der Woche nach 18 Uhr. Das war alles. Keine Fotos von mir. Keine Altersangabe.

Dieses Mal waren die Reaktionen ganz anders.

Lediglich zwei Väter haben mich gefragt, ob ich am nächsten Wochenende auf ihre Kinder aufpassen könnte. Die anderen Interessenten wollten alles, nur nicht, dass ich babysitte: Sie wollten, dass ich mich für 600 Euro in einem Videomessenger zeige, in einem Musikvideo mitspiele, für ihre Autotuningwerkstatt modele, bei ihnen über Nacht bleibe oder sie boten mir Geld dafür, dass ich "auf einen etwas älteren Jungen aufpassen" würde, "so in etwa 30 Jahre". Dieser Typ schrieb außerdem, dass er meinen Stundenlohn "um zwei Nullen" erweitern würde. Ich habe ihm nicht geantwortet, aber einen Tag später schrieb er mir wieder: "Hey Sarah, ich bin's noch mal. Musste meinen Account wechseln." Er bot mir 1.500 bis 3.000 Euro monatlich und schickte einen Screenshot seines Kontos, wonach er 2,6 Millionen Euro auf der Bank hatte. Das kam mir seltsam vor, denn es machte überhaupt keinen Sinn. Warum sollte jemand, der so viel Geld hat und will, dass eine Frau auf ihn "aufpasst", bei eBay Kleinanzeigen nach ihr suchen müssen?

Anzeige
Screenshot Ebay-Kleinanzeigen

Der Typ mit der angeblichen Autotuningfirma schien gar nicht gelesen zu haben, was in meiner Anzeige stand. Er schrieb mir, er suche "ein Model für Werbung in der Werkstatt" – und einen Babysitter für seine Tochter. Außerdem schrieb er, dass ihm ein familiäres Arbeitsklima, neben Ehrlichkeit, Pünktlichkeit und motivierten Mitarbeitern, sehr wichtig sei.

Jemand anderes fragte mich: "Wie findest du den Klaps auf den Po bei frechen Kids? Gut oder schlecht?" Davor hatte mir diese Person bereits geschrieben, dass ihr Kind "schwierig" sei. Hier suchte also jemand einen Babysitter, der sein Kind schlägt. Was soll das?

Ich glaube, die Anonymität im Internet bewirkt, dass Männer Dinge tun, die sie sich in der "echten Welt" nicht trauen würden. Genauso wie manchen Trollen, die in Sozialen Netzwerken Hasskommentare hinterlassen, scheint diesen Leuten nicht bewusst zu sein, dass sie mit ihrem Verhalten in der virtuellen Welt die reale Welt eines Menschen beeinflussen können.

Als ich all diese Nachrichten las, fühlte ich mich nutzlos. Wie ein Spielzeug. Ich fing sogar an, mich zu fragen, ob es an mir lag, dass ich solche Nachrichten bekam. Ob irgendwas in meiner Beschreibung suggerieren könnte, dass ich eigentlich etwas ganz anderes anbiete.

Aber das wirklich Traurigste an alledem ist, dass es da draußen Creeps gibt, die denken, sie könnten fremde Menschen im Internet benutzen wie eine Ware. So wie der Typ, der sich als "deutscher Unternehmer" ausgab und schrieb: "Finanziell kann ich dich auch unterstützen. Mit Mallorca auch." Auch wegen solchen Leuten entstand aus meiner Sicht die feministische Bewegung.

Anzeige
Ebay Kleinanzeigen

Unter all den Nachrichten stach keine besonders heraus – fast alle waren furchtbar. Ich fand eher das völlig verdrehte Bild des Babysitterjobs schockierend. Eigentlich sollte es darum gehen, sich um Kinder zu kümmern. Diese Leute suchten stattdessen jemanden, der sich um sie kümmert – sexuell.

Konfrontiert oder gemeldet habe ich die Leute nicht, weil ich das Gefühl hatte, dass das nichts bringen würde. Solche Menschen erstellen sich einfach einen neuen Account und machen weiter. Aber ich weiß jetzt, dass Seiten wie eBay Kleinanzeigen keine sicheren Orte sind. Mittlerweile gibt es dort genauso viele Creeps wie auf Craigslist.

Inzwischen habe ich einen Job als Babysitterin gefunden, aber nicht über eBay Kleinanzeigen, sondern bei einem Event, für das ich gearbeitet habe. Dort habe ich eine nette Frau kennengelernt, die mir von ihrer Tochter erzählte und mich fragte, ob ich auf sie aufpassen könnte.

Es ist schon traurig, dass sich auf diesen Seiten so viele seltsame Leute herumtreiben. Auch für die Eltern, die einen Babysitter suchen. Denn die müssen sich eigentlich genauso fragen, ob die Menschen, die auf ihre Kinder aufpassen wollen, nicht in Wirklichkeit totale Creeps sind.

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.