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Brauchtum

Der unheimliche Kärntner Brauch der Pechtra Baba

Im zweisprachigen Gebiet Kärntens wandern in der Nacht vor den "Heiligen Drei Königen" verschleierte Frauen durch die Gegend. Manchmal mit einer Axt.

Alle Fotos vom Autor.

Es ist die letzte Nacht der sogenannten Raunächte zwischen dem 21. Dezember und dem 6. Jänner, der dunkelsten Zeit des Jahres, in der sich die Geister der ewigen Finsternis herumtreiben. In manchen Orten Unterkärntens geht an diesem Tag die Pechtra Baba um, was wortwörtlich soviel wie "perchtige Frau" bedeutet. Das Epizentrum dieses rätselhaften Brauches ist das auf über 900 Metern gelegene Zell Pfarre beziehungsweise Sele Fara.

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Von der Landeshauptstadt Klagenfurt nach Zell Pfarre zieht sich die Autofahrt; zuerst fährt man durch die Büchsenmacherstadt Ferlach, und von dort geht es dann ganz steil bergauf, über eine nicht enden wollende Serpentine. Es dämmert bereits, als wir hinauffahren zum versteckten Herrgottswinkel Kärntens—denn hier wird sonntags tatsächlich noch mit Enthusiasmus in die Kirche gegangen und wenn es etwas zu beichten gibt, dann kommt man gerne auch unter der Woche. Außerdem: Zell Pfarre ist jene Gemeinde, in der Alexander van der Bellen mit über 70 Prozent das mit Abstand beste Gemeindeergebnis im landesweit tiefblauen Kärnten holte.

"Wir sind spät dran!" sage ich meinem Beifahrer Gernot, der einen Baustellenreflektor in Händen hält und mir damit helfen soll, trotz dunkelster Nacht ein paar Schnappschüsse zu machen. Endlich oben in Zell angekommen, empfängt uns ein eisiger Wind; wir kehren im Gasthof Malle ein, wo der Holzofen eine gemütliche Nestwärme verströmt.

Hier sieht es noch aus wie vor fünfzig Jahren—die Einrichtung besteht aus groben Holzbänken und Tischen. Das Rad der Zeit scheint im Schankraum auf angenehme Weise stehen geblieben zu sein. Der südbairische Dialekt und die slowenische Mundart der Region vermischen sich im Stimmengewirr, was klanglich charakteristisch ist für den Südkärntner Raum.

Denen, die ihr Heim nicht sauber halten, schneidet sie den Bauch auf, um den beanstandeten Dreck dort reinzustopfen.

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Plötzlich platzen vier vermummte Gestalten in den Schankraum: Es ist die Heimsuchung einer "Pechtra Baba"-Gang. Das Farbenspiel der alten "Damen" ist prächtig; neben der "bösen" Schwarzen, gibt es zwei "Gute" ganz in weiß, zwei "Lustige" in bunt. Die gute Pechtra Baba streut Süßigkeiten über dem Holzboden aus, wie der Bauer im März die Saat, während die böse Terror mit einer rostigen Ofengabel macht. Die bunten Lustigen wiederum tanzen wie Derwische im Kreis. Die Weiße malt schließlich einen Kreidekreis auf den Boden, in dem sich drei Kreuze befinden; daraufhin wird die schwarze Pechtra unter Aufbietung aller Kräfte in den Kreis getrieben, um das Böse für das kommende Jahr zu bannen.

Wir folgen den verschleierten Frauen bei ihrem Rundgang durch den Ort, bei dem jedes Haus abgeklappert wird, in dem Licht brennt. Im Dunklen sieht es fast so aus, als würden da ein paar Frauen in Burka herumrennen. Und in jedem Haus wiederholt sich das gleiche Zeremoniell; lautlos tritt man in die Häuser ein, denn die Pechtra Baba ist ein stummes Wesen, das sich mit plötzlichen, anfallsartigen Bewegungen Ausdruck verleiht, Nüsse und Süssigkeiten werden auf dem Boden ausgestreut, und bedrohliche Gebärden mit der Ofengabel gemacht.

Wenn der Hausherr oder die Hausherrin es wünscht, segnet die gute Pechtra das auf dem Gabentisch bereitgestellte Weihnachtsbrot und schneidet es für die Familie in Scheiben. "Die Pechtra Baba hat viele Gesichter; sie ist lustig als Tanzende, sie ist gut als Segnende und Gebende und böse als Strafende und Verletzende. Wie das Leben an sich hat sie viele Gesichter", sagt Milka, eine alteingesessene Zellanerin.

Milkas Sohn Andrej sieht in der Pechtra Baba bei aller christlichen Symbolik viel Heidentum: "Die Pechtra ist schon etwas Zwiespältiger als der Nikolaus und das Christkind." Viele Geschichten, die über sie erzählt werden, fallen in die Kategorie Blut und Beuschel. Etwa, dass sie denen, die ihr Heim nicht sauber halten, den Bauch aufschneidet, um den beanstandeten Dreck dort reinzustopfen, um am Ende alles wieder fein säuberlich zuzunähen.

"Für mich geht es bei diesem Brauch darum, der Angst ins Gesicht zu schauen, um sie dadurch zu überwinden. Wobei der Witz an der ganzen Sache ja der ist, das die Pechtra verschleiert ist und man das in sie hinein deutet, was einem ganz persönlich am meisten Angst einjagt," sagt Maja, die sich an ihre Kindheit erinnert, wo sie noch nicht so abgeklärt war. "Und habt ihr hier oben eigentlich ein Kino?", fragt Gernot plötzlich in die Runde. Andrej lacht: "Nein, das nächste Kino ist 20 Kilometer entfernt in Klagenfurt. Wir haben stattdessen die Pechtra Baba.

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