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Verbrechen

Wurden die Ausschreitungen von Chemnitz durch einen Kokain-Streit ausgelöst?

Nach neuen Erkenntnissen gibt es wohl einen überraschenden Grund für den gewaltsamen Tod, auf den tagelange Ausschreitungen folgten.
Mehrere Lines Kokain und eine Demo in Chemnitz mit Deutschlandfahnen
Symbolfoto Kokain: Grey Hutton || Demo in Chemnitz: Imago / HärtelPress || Bearbeitung: VICE

Wenn eine Gewalttat ganz Deutschland aufgewühlt hat, dann die gegen Daniel H. in Chemnitz im August 2018, der in einem Streit mit zwei Männer sein Leben verlor. Nach der Tat jagten Rechte Migranten durch die Stadt – oder die, die danach aussahen. Spontandemos wurden organisiert, die Polizei war überfordert, die Politik bestürzt, die Stadt gespalten – kurzum: Chemnitz war im Ausnahmezustand. Rechtsradikale Seiten verbreiteten das Gerücht, dass das Opfer von "messerstechenden Ausländern" aus Bösartigkeit angegriffen und getötet worden sei, und instrumentalisierten den Todesfall für ihre Zwecke.

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Laut neuen Informationen der SZ, des NDR, WDR und MDR ging es in dem Streit, der am Anfang der Ausschreitungen stand, wohl um etwas eher Unpolitisches: nämlich Kokain.

Der syrische Flüchtling Alaa S. wurde festgenommen und Ende Dezember angeklagt. Der zweite Tatverdächtige, Farhad A., ist auf der Flucht. In der Anklageschrift steht, Farhad A. könne in der Tatnacht unter Drogen gestanden haben – ebenso wie das Opfer.


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Gegen drei Uhr nachts soll er Daniel H. angesprochen haben. Er habe sich dabei an die Nase gefasst und hörbar eingeatmet, als wolle er nach Kokain fragen. Andere Zeugen sagen, Farhard A. soll regelmäßig Drogen genommen haben. Auch bei Daniel H. wurde ein Kokainkonsum bei der Obduktion durch die Rechtsmedizin festgestellt.

In der Tatnacht sollen Farhard und Daniel einander kurz umarmt und etwas besprochen haben, so berichtet es der Hauptzeuge, auf dessen Aussagen sich die Anklage stützt. Ob sich beide kannten, kann die Polizei nicht bestätigen. Das spätere Opfer wollte aber, dass Farhad verschwindet, und verpasste ihm eine Ohrfeige. Es kam zu Handgreiflichkeiten, Farhad soll auf dem Boden gelegen haben. Daraufhin kam ihm Alaa S. zur Hilfe, gemeinsam sollen beide Daniel H. mit einem Messer attackiert haben.

Auf diesem Messer wurden aber keine DNA-Spuren von Alaa S. gefunden, obwohl der Zeuge bei ihm Stichbewegungen gesehen haben will. Laut Medienberichten soll dieser Zeuge von Bekannten des Angeklagten bedroht worden sein, damit er seine Aussage zurücknimmt – was der Zeuge bereits im September 2018 bei der Polizei anzeigte. Die Bekannten von Alaa S. hätten ihn bei seiner Arbeit aufgesucht und gedroht, er werde in einem Sarg in seine Heimat zurückgeschickt. Der Zeuge sei auch mit einem Stuhl geschlagen worden.

Vor Gericht wird Alaa S. neben seinem Pflichtverteidiger auch von drei Wahlverteidigern unterstützt. Seine Anwältin Ricarda Lang beantragte, dass der Prozess nicht in Chemnitz stattfinden soll, sondern gleich in einem anderen Bundesland. Sie soll befürchten, rechte Gruppierungen und Parteien könnten den Prozess für ihre Zwecke ausnutzen.

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