Die Nordkorea GmbH – Wie Kim Jong-un in Deutschland und der Welt Geld scheffelt
Collage Rebecca Rütten

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Nordkorea

Die Nordkorea GmbH – Wie Kim Jong-un in Deutschland und der Welt Geld scheffelt

Ein Berliner Hostel, goldsuchende Online-Gamer und ein Märchenbrunnen in Frankfurt sind nur der Anfang.

Kim Jong-un hat ziemlich viele Probleme: Gerade haben die USA ihren zweiten Flugzeugträger in Richtung Nordkorea geschickt. Eine Reaktion darauf, dass Nordkoreas Diktator seine illegalen Raketentests fortsetzt. Außerdem belegen die Vereinten Nationen das Land mit immer umfangreicheren Sanktionen, die Nordkoreas Außenhandel quasi lahmlegen. Inzwischen wird es für den Diktator schwierig, sein geliebtes Raketenprogramm zu finanzieren. Für Kim ist es zusammen mit dem Atomprogramm aber eine der letzten Drohgebärden, die er gegen die USA auf Lager hat. Sein Endziel: erfolgreich eine Interkontinentalrakete zu bauen, die bis an die Westküste der USA fliegen könnte.

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Viele der dafür benötigten Raketenbauteile muss Nordkorea importieren, unter anderem aus China, wie die Washington Post herausfand. Um seine illegalen Shoppingtouren auf dem internationalen Waffenmarkt zu finanzieren, braucht der Diktator Devisen. Die UN-Sanktionen machen es allerdings nicht nur immer komplizierter für uns, Urlaub in Nordkorea zu machen, Kim muss auch immer kreativer werden, um sein tödliches Hobby zu finanzieren. Woher kommt also das Geld?

Bereits in den 1970er Jahren ließ Kims Großvater Kim Il-sung das sogenannte Office 39 gründen. Die Organisation wurde in Pjöngjang eigens dafür eingesetzt, frisches Geld aus dem Ausland zu beschaffen. Davon kaufte das Regime auf der ganzen Welt luxuriöse Autos, Uhren und elektronische Geräte ein, um wichtige Funktionäre und Familienmitglieder zu bespaßen. Inzwischen werden dem Office 39 viele der illegalen Geldbeschaffungsmaßnahmen zugeschrieben, die Nordkoreas Atomprogramm finanzieren. Während sich die Organisation früher vor allem mit Drogenhandel und Falschgeldproduktion beschäftigte, macht sie inzwischen auch auf anderen Wegen jede Menge Cash für den geliebten Führer. Wie zuletzt wieder bekannt wurde, auch in Deutschland.

Steuern hinterziehen im City Hostel Berlin

Das City Hostel Berlin auf dem Botschaftsgelände Nordkoreas | Foto: Jörg Zägel

Nordkorea hat eine gewaltige Botschaft in Berlin. Der fünfgeschossige graue Kasten steht in bester Lage und stammt noch aus DDR-Zeiten, als der Sozialismus Ost-Berlin und Pjöngjang noch eng miteinander verband. Doch weil Nordkorea heute das weitläufige Gelände nicht mehr für diplomatische Zwecke braucht, verpachtet es seit 2004 einen Großteil des Gebäudes an die EGI GmbH, die dort das City Hostel Berlin betreibt. Auch einen Kongresssaal kann man in der Botschaft anmieten. Das Hostel mit seinen 435 Betten liegt für Touristen günstig zwischen Potsdamer Platz, Brandenburger Tor und Checkpoint Charlie, ein Stockbett im 8er-Zimmer gibt es schon ab 9 Euro.

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Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR war das Hostel-Business in den letzten Jahren extrem lukrativ für Nordkorea. Allein die Mieteinkünfte sollen bei knapp 40.000 Euro im Monat liegen – und Nordkorea hat die Einnahmen jahrelang nicht versteuert. Zusammen mit Strafzahlungen und Zinsen soll es um 10 Millionen Euro Steuerschulden beim Land Berlin gehen.

Nordkorea hat seine Botschaften laut Recherchen der SZ angewiesen, Devisen zu erwirtschaften, die dann für das Atomprogramm verwendet werden. Der UN-Sicherheitsrat hat dagegen zwar Sanktionen erlassen, diese werden jedoch nicht von allen Staaten eingehalten, sagt Hanns Günther Hilpert, Leiter der Forschungsgruppe Asien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), gegenüber VICE: "Oft werden solche Sanktionen aus Nachlässigkeit unterlaufen, zum Teil aber auch ganz bewusst. Namibia produziert zum Beispiel Waffen mit nordkoreanischer Hilfe und auch China wird immer wieder vorgeworfen, gegen Sanktionen zu verstoßen." Dass Nordkorea Schulden bei anderen Staaten hat, sei nichts Neues, sagt Hilpert. Auch der DDR und der Sowjetunion schulde das Land noch Geld.

Kim Jong-uns Regime macht unterdessen weiter mit seinem lukrativen Immobiliengeschäft. Auch das Gebäude der nordkoreanischen Botschaft in Warschau wird seit Jahren für Partys vermietet, und in den Räume befinden sich außerdem ein Musik-TV-Sender, die Produktionsfirma des berühmtesten Rappers Polens und sogar eine Unternehmensberatung, die dem Parteichef der neoliberalen Partei Nowoczesna gehört.

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Zwangsarbeiter in Russland und Polen

Russland macht sich schick für die Fußball-WM 2018 – und beutet dafür nordkoreanische Zwangsarbeiter aus. Unter lebensgefährlichen Bedingungen haben Arbeiter das neue Stadion in St. Petersburg errichtet. Laut einem Mitarbeiter einer Baufirma kam es zwischen August und Dezember 2016 wöchentlich zu schweren Unfällen, vier Arbeiter starben. Schätzungsweise 50.000 Zwangsarbeiter weltweit erwirtschaften laut einem UN-Bericht bis zu 2 Milliarden Dollar im Jahr, ihr Lohn fließt direkt an das nordkoreanische Regime.

"Dass Zwangsarbeiter in China, Russland und Katar eingesetzt werden, ist durchaus mit dem internationalen Recht vereinbar", sagt Dr. Hanns Günther Hilpert: "Arbeiter eines Landes können im Ausland tätig werden und Geld verdienen, solange das nicht vom UN-Sicherheitsrat untersagt worden ist." Anders sähe es wiederum in der EU aus, so Hilpert, weil es hier ein gemeinsames Verständnis zu Grund- und Menschenrechten sowie zur Umsetzung der Richtlinien der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gibt, die Zwangsarbeit verbieten.

Wie VICE im vergangenen Jahr aufdeckte, setzt Nordkorea aber auch in Europa Arbeitssklaven ein. In Polen schuften sie in Werften, es gab bereits einen Toten. Beim Schweißen entzündete sich die Kleidung eines Arbeiters. Kollegen gelang es nicht, die Flammen rechtzeitig zu löschen. Der Mann, dessen Haut zu 95 Prozent verbrannte, erlag seinen Verletzungen. In der VICE-Dokumentation über Nordkoreas Zwangsarbeiter bezeichnet Remco Breuker, Professor für Koreastudien an der niederländischen Universität Leiden, das stalinistische Regime als größte illegale Arbeitsagentur der Welt. In Polen hat sich VICE Deutschland mit nordkoreanischen Werftarbeitern getroffen.

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Einer sagte, dass die Werft seinen Lohn an die Personalvermittlungsfirma Armex zahle, die ihn wiederum an eine Firma in Nordkorea weiterleite. Diese verteile das Geld dann an die Arbeiter, jedoch erst nach ihrer Rückkehr. Ein anderer Arbeiter erzählte uns, dass er 62 Stunden die Woche schufte und seit zweieinhalb Jahren weder Urlaub noch Kontakt zu seiner Familie habe. Als wir Armex, die Firma, für die auch der verunglückte Arbeiter tätig war, mit unseren Erkenntnissen konfrontierten, stritten die Mitarbeiter jede Verantwortung ab.

Bei unseren Recherchen erhielten wir Einblick in Dokumente, die belegen, dass die staatliche nordkoreanische Firma Rungrado Trading nicht nur über Armex Arbeiter in die Werften schickt, sondern über eine andere Firma auch Arbeiter auf Baustellen. Am Jong-Chul, ein ehemaliger Wächter eines nordkoreanischen Arbeitslagers für politische Gefangene, dem die Flucht gelang, erzählte uns, wie der Staat seine Arbeiter erpresst. "Die meisten kommen aus Pjöngjang und sind verheiratet. Ihre Verwandten werden für die Zeit des Arbeitseinsatzes vom Staat als Geiseln gehalten."

Hackerangriffe auf Banken

Pixabay | Joffi / 55 images

Die Hollywood-Komödie The Interview machte sich 2014 über Kim Jong-un lustig, was diesen durchdrehen ließ: Ein nordkoreanisches Team von Hackern infiltrierte noch vor der Filmpremiere die Server des verantwortlichen Verleihs Sony Pictures und stahl mehr als 25 Gigabyte Daten. Die ganze Aktion sorgte schließlich dafür, dass der Film zunächst nicht ins Kino kam. Kims Hacker führen aber nicht nur Trotzattacken ihres geliebten Führers aus. Sie füllen auch seine Geldspeicher.

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2011 deckten südkoreanische Behörden auf, dass eine Gruppe aus 30 Hackern sich in die Server der Online-Rollenspiele Lineage und Dungeon and Fighter eingeschlichen hatte. Wie Spiegel Online berichtete, sammelten die wahrscheinlich größten Cheater aller Zeiten dort automatisiert virtuelles Gold, um es auf Online-Marktplätzen gegen richtiges Geld zu tauschen. Dieses "Goldfarming" brachte dem Regime in zwei Jahren sechs Millionen Dollar ein.

Peanuts gegen das, was 2016 passierte: Im Februar drang eine Gruppe von Hackern in ein Konto der Bangladesh Central Bank bei der New Yorker Federal Reserve ein und leitete 81 Millionen Dollar auf Konten in Sri Lanka und den Philippinen um. Ein Großteil des Geldes ist bis heute verschollen. Zwei Monate später attackierte eine Hackergruppe namens "Lazarus" Banken in insgesamt 16 weiteren Ländern. Das Vorgehen ähnelte dabei sehr dem New Yorker Coup. Die russische IT-Sicherheitsfirma Kaspersky Lab untersuchte den Fall und stellte fest, dass die Hacker ihre Spuren nicht vollständig verwischt hatten: Ein Signal führte nach Nordkorea. Inzwischen bestätigen auch Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters, dass Nordkorea mit der "Einheit 180" ein Hacker-Team speziell für solche Angriffe unterhält.

Riesen-Statuen in Afrika

Das Monument de la Renaissance africaine | Foto: Wikipedia | Sbreitinger | CC BY-SA 3.0

Nordkorea ist nicht gerade für seine innovative Architektur bekannt. Aber Kim Jong-uns Monumentalstatuen treffen offenbar den Geschmack vieler Staatsführer, insbesondere in Afrika. Bis 2015 hat das staatliche Bauunternehmen Mansudae Overseas Projects (MOP) mit seinen 4.000 Arbeitern in insgesamt 17 Ländern Denkmäler und Gebäude errichtet. Damit verdient das Land nach Schätzungen der BBC jährlich eine zweistellige Millionensumme.

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Die in Bronze gegossenen Schwanzvergleiche stehen unter anderem in Botswana, der Demokratischen Republik Kongo und Äthiopien. Das pompöseste darunter, das Monument de la Renaissance africaine, ragt 49 Meter hoch in der senegalesischen Hauptstadt Dakar. Ein weiterer Bewunderer nordkoreanischer Handwerkskunst lebt im Süden des Kontinents: Der Diktator und mutmaßliche Kriegsverbrecher Robert Mugabe soll zwei Statuen bestellt haben, die in seiner Heimat Simbabwe schon für seinen Todestag bereitliegen. Doch neben afrikanischen Despoten zählt auch eine deutsche Kommune zu Kims Kundschaft. Das einzige westeuropäische Bauprojekt der MOP steht in Frankfurt am Main. Dort rekonstruierte Kims reisende Handwerkertruppe 2005 den Märchenbrunnen vor der Oper.

Made in Nordkorea: Der Frankfurter Märchenbrunnen | Foto: Wikipedia | dontworry | CC BY-SA 3.0

Der Kontakt nach Nordkorea kam laut dem damaligen Stadtrat Hans-Bernhard Nordhoff im Jahr davor auf der Frankfurter Buchmesse zustande. Rechtlich gesehen war der Deal legitim, erst 2016 wurde der Statuenhandel durch eine UN-Resolution verboten.

Weltweiter Versicherungsbetrug

Kim-Jong-un hat gegenüber seriösen Unternehmern einen entscheidenden Vorteil: Weil in Nordkorea viele Firmen dem Staat gehören, also ihm, muss er sich auch nicht an irgendwelche lästigen Regeln halten. Alles, was Geld bringt, ist erlaubt. So ergaunerte die einzige nordkoreanische Versicherungsfirma, die Korea National Insurance Corporation (KNIC), laut einem Überläufer insgesamt mehrere zehn Millionen Dollar pro Jahr, teils auch in Deutschland.

Und das funktioniert so: Angenommen, es gäbe einen Brand in einem nordkoreanischen Unternehmen, dann müsste die KNIC dafür bezahlen. Dieses Geld holt sich die Versicherung aber von internationalen Rückversicherungen wieder. Dass es den Brand in Nordkorea womöglich nie gab und alle Belege dafür gefälscht wurden, ließ sich bislang nur schwer nachweisen. Aber wie kann es überhaupt so weit kommen, dass Rückversicherer Verträge mit einer nordkoreanischen Firma schließen? Das sei durchaus möglich, solange diese Verträge einer rechtlichen Prüfung standhalten und zum Beispiel keine Sanktionen gegen einen solchen Deal vorliegen, sagt ein Vertreter eines großen international tätigen Rückversicherers zu VICE. Genau das ist mittlerweile aber passiert: Damit auf diese Weise keine weiteren Gelder mehr an das nordkoreanische Atomprogramm gehen, erließen die Vereinten Nation 2015 auch Sanktionen gegen die Firma und froren die Konten von drei KNIC-Mitarbeitern ein, die ihr einträgliches Geschäft von Hamburg aus betrieben.

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