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Ganz normale Arier: Wie im Waldviertel gegen Flüchtlinge Stimmung gemacht wird

"Ich bin Rassist, aber nicht im negativen Sinn. Wäre ich Neger, wäre ich genauso stolz. Es gibt ja auch Hunde und Meerschweinchen-Rassen."

Fotos von Autor.

Luftballons sind vorbereitet, orientalische Köstlichkeiten sollen serviert werden und für die Kinder kommt Zauberer Professor Bombasti. Alles ist bereit für ein unbeschwertes Begegnungsfest in der kleinen Gemeinde Gars am Kamp im niederösterreichischen Waldviertel.

Bei diesem großen Fest am 17. September sollten sich die Bevölkerung und die neuen MitbürgerInnen aus Syrien, Irak, Iran und Afghanistan kennenlernen. Doch nicht alle im Ort wollen eine solche friedliche Begegnung. Am Rand des Festes werden Flugblätter ausgeteilt, die die Flüchtlinge und ihre HelferInnen attackieren und beschimpfen. Flüchtlingen wird unterstellt, "führend im Drogenhandel zu sein" und "Bombenterror zu importieren". Dazu die üblichen Klagen von rechtsaußen, dass Flüchtlinge "unsere" Speisen (Pizza, Sushi, Kebab?) und "unsere" Musik (Rock, Hip-Hop, Jazz?) ablehnen würden.

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Verteilt wurde das Flugblatt nicht nur auf dem Begegnungsfest. Auch die MitarbeiterInnen des Georg Danzer Hauses für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge fanden ein Exemplar in ihrem Postkasten. Der Verein Fluchtweg, der das Haus betreibt, informierte daraufhin die Polizei.

Als Herausgeber des Flugblatts firmiert eine Plattform "Gars den Garsern"—ein Schelm, wer sich an "Deutschland den Deutschen" erinnert fühlt. Gedruckt ist es im Eigenverlag. Laut Bernhard Weidinger vom "Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands" zeigt das Flugblatt "zahlreiche Merkmale rechtsextremer Hetzschriften".

Ich wollte mehr über die Beweggründe der drei Autoren des Flugblattes erfahren, die im Impressum mit vollem Namen aufgeführt sind. Major Hagen Weinzettl ist der erste auf meiner Liste. Eigentlich ist Weinzettl allerdings laut Auskunft des Bundesheers gar kein aktiver Major. Hagen heißt er auch nicht, sondern Johann. "Ein Spitzname aus Jugendzeiten", erklärt Weinzettl. Und diese Jugend soll durchaus bewegt gewesen sein.

Immerhin nahm er laut eigener Darstellung bereits an der Neonazi-Solidaritäts-Bewegung für den Wiener Hochschulprofessor Taras Borodajkewycz im Jahr 1965 teil. Diese Bewegung führte zum ersten antifaschistischen Toten der Zweiten Republik: Ernst Kirchweger wurde damals von einem Neonazi erschlagen. Weinzettl, der laut eigener Aussage Jahrgang 1953 ist, war damals allerdings gerade einmal zwölf Jahre alt. Auch bei den Protesten rund um die Bundespräsidentschafts-Kandidatur des Alt-Nazi Otto Scrinci im Jahr 1986 will er beteiligt gewesen sein. "Ich war da ein bisserl ein Kapo", so Weinzettl.

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Irgendwann dazwischen sei er auch Major beim Nachrichtendienst gewesen. Das österreichische Bundesheer erklärt auf Nachfrage, dass es keinen aktiven Major mit diesem Namen gebe. Über pensionierte Offiziere könne allerdings keine Auskunft erteilt werden.

"Mjr. aD. Mag. Johann Wolfgang Weinzettl Frhr. v. Lindgau", wie er sich andernorts nennt, fiel allerdings schon einmal in einer breiteren Öffentlichkeit auf. Er ist einer der beiden Verantwortlichen eines Vereins namens "Arische Weinbruderschaft". Im letzten Jahr sagte Weinzettl gegenüber VICE noch, dass es sich bei der Bezeichnung "arisch" um einen Scherz und einen Fehler handeln würde.

"Ich nehme ja auch an, dass Sie Arier sind. Ich bin Rassist, aber nicht im negativen Sinn."

Diesmal erklärt Weinzettl hingegen bei einem Telefongespräch offenherzig: "Ich nehme ja auch an, dass Sie Arier sind. Ich bin Rassist, aber nicht im negativen Sinn. Sind wir froh, dass es verschiedene Rassen gibt. Wäre ich Neger, wäre ich genauso stolz. Es gibt ja auch Hunde und Meerschweinchen-Rassen." Dass es bei Menschen keine verschiedenen Rassen gibt, hat sich bis zu Weinzettl noch nicht herumgesprochen.

Die Homepage der Arischen Weinbruderschaft erinnert stark an die Auftritte von Burschenschaften. Das Logo sieht ähnlich aus wie Wappen von Studenten-Verbindungen, groß prangen auf der Seite die deutschen Nationalfarben. Weinzettl bestätigt, dass das kein Zufall ist. Er selbst sei Mitglied der Burschenschaften Albia Wien und Arminia Graz gewesen. Bei Weinzettl klingt das so: "Wir haben einen gewissen burschenschaftlichen Bezug. Und wir sind eben nicht ganz linksaußen."

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Vor Flüchtlingen hat Weinzettl Angst. Warum? "Bald ist es soweit, dass auf der Kirche ein Halbmond ist statt ein Kreuz. Wir sind ein christliches Abendland." Wie er es selbst mit dem christlichen Abendland hält? "Ich bin Atheist." Auch die Sache mit "unserer" Musik ist wohl doch nicht so ganz klar, denn Weinzettl erzählt ausführlich von seiner Liebe zur Rockmusik. Die entstand aus der Musik der schwarzen Bevölkerung der USA.

Ein zentrales Element der Arischen Weinbruderschaft ist die Liebe zum Schießen. Gemeinsame Schießübungen sind auf der Seite der Organisation angekündigt, es gibt zahlreiche Links zu Organisationen für ein möglichst liberales Waffenrecht. Weinzettl selbst habe ohnedies einen Waffenpass vom Bundesheer, wie er sagt. Immerhin herrscht aber am Schießstand der Bruderschaft "Burgfrieden". Im Klartext: Die TeilnehmerInnen dürfen sich nicht gegenseitig abknallen. Ob es eher beruhigend oder beunruhigend ist, dass das extra erwähnt werden muss, sei dahingestellt.

Die Liebe zum Schießen dürfte Weinzettl mit einem zweiten Unterzeichner des Flugblattes teilen. Wolfgang Mauer stellt sich in sozialen Netzwerken als "Professor für Biologie und Sport, Jäger, Fischer und Sportsmann" vor. Mauer ist erst nach etlichen Versuchen für ein telefonisches Gespräch zu erreichen und gibt sich auch dann wortkarg. Ob er beim Begegnungsfest selbst Flugblätter verteilt hat, weiß er nicht mehr so genau: "Ich habe ein paar Flugblätter mitgehabt, einem der Asylanten habe ich eines in die Hand gedrückt". Etwas später sagt er: "Oder habe ich doch nichts verteilt? Ich bin nicht sicher."

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Bei der Arischen Weinbruderschaft will er allerdings nicht Mitglied sein. "Ich bin kein Säufer", so Mauer. Auch wie sein Name auf das Flugblatt gekommen sei, möchte er nicht kommentieren. "Ich habe damit abgeschlossen", erklärt er. Auf die Frage, was denn seine Lösung für die Situation von Flüchtlingen sei, will er ebenfalls keinen Kommentar abgeben. Es könnte aber noch einen anderen Grund dafür geben, dass Mauer so kurz angebunden ist.

Gemeinsam mit seiner Frau betreibt Mauer die "Study School Austria", ein privates Erziehungsinstitut. Es soll ein "Angebot der gehobenen Kategorie" für internationale AustauschschülerInnen der "situierten Elite" sein. Offensichtlich dürfen MigrantInnen also durchaus nach Österreich kommen, sofern sie bereit sind, gut dafür zu bezahlen. Ob die Schule tatsächlich existiert, ist unklar. Laut Mauer hätte sie "niemals Aktivität entwickelt", auf der Seite der "Study School Austria" hingegen wird Mauer mit seiner Frau und einer Schülerin präsentiert.

Mauer ist Geschäftsführer der Firma Greenride, die sich der Förderung der Elektro-Mobilität verschrieben hat. Etwas skurril: Greenride sponsert eine Organisation namens "Global Family", die unter anderem Kriegsflüchtlinge unterstützt. Mauer will davon nichts gewusst haben: "Wenn auf Facebook die Asylantenschiene gefahren wird, dann erwartet man sich wirtschaftlich etwas davon. Heute macht eben jeder auf Facebook irgendetwas, um ins Gespräch zu kommen."

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Update 4. Oktober, 08:55 Uhr: Die Firma Greenride distanziert sich in einem Schreiben klar von Mauer: "Die Inhalte des Flugblattes widersprechen zutiefst meiner persönlichen Einstellung", so Vitaliy Kryvoruchko, Geschäftsführer von Greenride. Kryvoruchko erklärt, dass Mauer seit März 2016 nicht mehr für das Unternehmen tätig sei (bei Erscheinen des Artikels war Mauer allerdings auf der Seite der Firma noch als Mitarbeiter genannt). Kryvoruchko berichtet in seiner ausführlichen Stellungnahme an VICE, dass er selbst aus der Ukraine stamme und daher wüsste, dass Kriege oft an unerwarteten Orten auftreten und Menschen dann zur Flucht gezwungen seien. "Flüchtling sein kann jedem passieren und Flüchtlingen zu helfen ist eine ehrenvolle Aufgabe", so Kryvoruchko.

Der dritte im Bunde der Unterzeichner ist Johannes Widmayer. Er ist Zahnarzt in Retz und gemeinsam mit Weinzettl laut Homepage vereinsrechtlich Verantwortlicher der Arischen Weinbruderschaft. Laut Kurier ist Widmayer ebenfalls Burschenschafter, er soll Mitglied der Burschenschafter-Truppe "Ferialverbindung deutscher Hochschüler Waldmark" sein.

Über die Waldmark ist wenig bekannt, doch bereits das Lied der Verbindung, das auf der Seite Stoppt die Rechten zitiert ist, spricht Bände: "Deutsche Treue, Kampf für Ehre schwören wir in engem Bund … ,trotzig wie des Waldgaus Eichen, hält die Waldmark fest im Sturm,Will nie wanken und nicht weichen deutscher Art ein schützend Turm …"

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Trotz mehrerer versprochener Rückrufe ist es nicht möglich, Widmayer persönlich zu erreichen. Schade, ich hätte ihn gern gefragt, wie er es als Arzt mit der Behandlung von Flüchtlingen hält, die ja ebenfalls seine Hilfe benötigen könnten. Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse stellt sich offenbar dieselbe Frage. Auf meine diesbezügliche Nachfrage bekam ich folgende Antwort: "Wir werden den Arzt um Stellungnahme auffordern. Parallel dazu werden wir die NÖ Zahnärztekammer informieren, die weitere Schritte prüfen und in die Wege leiten soll."

Neben Arischer Weinbruderschaft, Burschenschaft und der Liebe zur Waffe dürfte es noch eine weitere Klammer zwischen zumindest zweien der Unterzeichner des Flugblattes geben: die FPÖ. Laut Kurier ist Widmayer Mitglied der FPÖ in Gars am Kamp, Weinzettl war laut Martin Falk, dem Bürgermeister von Gars, FPÖ-Chef und Gemeinderat in der Gemeinde. Von der FPÖ war trotz Anfrage keine Stellungnahme zu erhalten.

"Wir haben hier sehr gute Erfahrungen mit den Flüchtlingen und wir haben viele engagierte Freiwillige."

Für die drei Unterzeichner des Flugblattes könnte ihre Hetzschrift dennoch ein Nachspiel haben. Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv sagt: "Eine rechtliche Prüfung des Flugblatts nach dem Verhetzungsparagraph erscheint dringlich geboten." Laut Polizeikommissariat Horn ermittelt bereits das Landesamt für Verfassungsschutz und es gibt eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Krems.

Bürgermeister Martin Falk erzählt, dass das Flugblatt in der Gemeinde selbst nicht gut angekommen sei: "Das war ein Sturm im Wasserglas, der keinen Anklang gefunden hat". Falk sieht viele positive Signale aus der Bevölkerung: "Wir haben hier sehr gute Erfahrungen mit den Flüchtlingen und wir haben viele engagierte Freiwillige."

Es scheint also, dass das rechtsextreme Hetz-Flugblatt in der Bevölkerung wenig bewirkt hat. Dennoch: In jüngster Zeit gibt es immer mehr Attacken auf Flüchtlingsheime in Österreich. Allein 24 Angriffe waren es im ersten Halbjahr 2016. Wenn in solchen Zeiten Mitglieder einer Arischen (Wein)bruderschaft, die als Hobby gerne Schießübungen veranstalten, Aktionen gegen Flüchtlinge starten, sollten wir sehr genau hinsehen.

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