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Zürcher Boxenluder IRL

Der Begriff "Boxenluder" kriegt in Zürich bald eine neue Bedeutung.

Am Elften März stimmen wir Bürger von Zürich darüber ab, ob wir unseren traditionellen Strassenstrich vom zentralen Sihlquai an den Stadtrand verschieben möchten. Dem Kölner Beispiel folgend sollen sich unsere Dirnen in Wellblechkisten (sog. Verrichtungsboxen) einmieten können und dann in einer „gesicherten" Zone ihren Geschäften nachgehen. Wie es in der Politik üblich ist, versuchen uns vornehmlich Politiker die Vor- und Nachteile der Geschichte glaubhaft zu verklickern. Verwirrt von der Summe an widersprüchlichem medialen Gebrabbels haben wir die Prostituierten selbst gefragt wie sie das finden.

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Die ersten beiden Freudenmädchen wollten nicht mal gegen Geld mit uns sprechen, also gingen wir, etwas enttäuscht über den Umstand dass die zu allen anderen so charmant gewesen waren und zu uns gar nicht, mal zum Flora Dora Bus und wollten halt die Sozialarbeiter fragen, was die so meinen. Männlich wie wir sind, haben wir einfach an die Scheibe geklopft. Von drinnen wurden wir angeschaut als hätten wir grad eine Babyrobbe geschlachtet und uns nackt in deren Innereien gesuhlt.

Ein vor Naivität triefendes Lächeln später kam dann eine zu uns raus. Spontan herrschte ein Gesprächsklima wie in der NS-Verwaltungszentrale. Trotz des charmanten ungarischen Akzents wollte sie uns einfach keinerlei Auskunft geben, nicht einmal darüber wer ihr verboten hatte Auskunft zu geben. Uns wurden ein paar Flyer von offiziellen Stellen in die Hand gedrückt, bevor wir freundlich aber bestimmt wieder unserer Wege geschickt wurden. Die Flyer haben wir selbstverständlich weggeschmissen, offizielle Statements hätten wir uns ja auch von zu Hause aus reinziehen können.
Etwas frustriert haben wir ein paar Bier gekauft und sind den Sihlquai entlanggeschlendert. Im leicht angesäuselten Gespräch hat sich dann die Annahme entwickelt, dass die Dicken gerne quatschen und die Dürren eher weniger. Die Sozialarbeiterin war sehr dürr, also haben wir nach üppigen Vorbauten Ausschau gehalten und wurden schnell fündig.

Svetlana (Name v. d. Red. geändert), eine blonde 1,80m-Matrone, bewies ein sehr angenehmes Mitteilungsbedürfnis. Im Gegensatz zu den meisten anderen lebt Svetlana auch schon seit dreieinhalb Jahren in Zürich und zahlt nach eigener Aussage auch Steuern hier. Svetlana findet das mit den Verrichtungsboxen eine scheiss Idee und hat für sich selbst beschlossen dass sie dort nicht hingehen will, sondern lieber nach Brunau. Dort soll es wenigstens für eine Weile noch einen traditionellen Strassenstrich geben. Danach erging sich unsere Informantin des Langen und Breiten über die Missstände im Geschäft. Ganz besonders hellhörig wurden wir als es um die Anwohner ging. Die Anwohner des Sihlquai sind durch ihre beständigen Beschwerden mitverantwortlich für den Plan, das ansässige Rotlicht-Milieu zu deportieren. Svetlana meinte zu denen nur, dass die oftmals besoffen nach Hause kämen und aufgrund ihres Heimvorteils billigeren Sex wollten. Diesen bekämen sie halt nicht und jetzt hätten sie sich bei der Stadt wegen des ganzen Drecks beschwert. Svetlana hat aber auch ganz praktische Gründe, nicht umziehen zu wollen. So fürchtet sie um ihren Kundenstamm, denn sie ist sich ganz sicher dass die neue Zone von Kameras überwacht werden soll. Extrem genervt ist sie auch von der Polizei, von der würde sie zurzeit ganze Acht mal pro Abend kontrolliert werden. Wegen der Sicherheit meinen die Bullen. Svetlana empfindet es als Schikane.
Bei den Verrichtungsboxen soll das ja anders werden, nur noch zweimal Pro Abend würde kontrolliert werden meinen wir. Svetlana hält diese Information für eine Verarsche. Ihre Vermutung ist mehr die, dass wenn keine Polizei vor Ort ist, dann bestimmt Kameras. Svetlanas Freier wollen nicht auf einem Video zu sehen sein, das können wir nachvollziehen.
Es kostet uns anschließend Vierzig Franken von der Dame in ihren Wohnwagen geleitet zu werden, den sie direkt am Strich geparkt hat. Dort dürfen wir auch die Beine ihrer schmächtigen Kollegin fotografieren. Für Svetlanas stramme Waden reicht unsere Kohle leider nicht aus. Das ist ok, die Neonleggins sind irgendwie eh aussagekräftiger.

Fotos: Evan Ruetsch