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Euer rotes Gleichstellungsprofilbild bei Facebook ist sinnlos

Euer rot-pinkes Profilbild bringt gar nichts. Bewegt lieber euren Arsch und tut wirklich etwas für die gleichgeschlechtliche Ehe.

Ihr habt vielleicht schon bemerkt, dass einige eurer Facebook-Freunde ein albernes rosarotes Bild als Profilbild haben. Für alle. die immer noch nicht wissen, wofür das gut sein soll, hier ist die Antwort: Das oberste Gericht in den USA, der Supreme Court, hörte Argumente für und gegen die gleichgeschlechtliche Ehe—die Proposition 8. Die kalifornische Bürgerinitiative richtete sich gegen das Gesetz, das Ellen DeGeneres und Portia De Rossi das Recht gab, gleich einer Britney Spears im Suff in den Hafen der Ehe einzulaufen. Außerdem ging es um den Defense of Marriage Act. Das 1996 von Bill Clinton unterzeichnete Gesetz definiert eine Ehe ausschließlich als Bündnis zwischen Mann und Frau. Eine Entscheidung wird im Juni erwartet und die Homosexuellenbewegung braucht im Moment alle Hilfe, die sie kriegen kann. Deswegen die Facebook-Profilbilder also. Aber wisst ihr, was nicht hilft? Ein albernes rosarotes Gleichheitszeichen als Facebook-Profilbild.

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Eine wirklich traurige Nachricht für die homosexuellen Amerikaner, die auf eine richtige Hochzeit hoffen und nicht nur leere Rituale, ist die Tatsache, dass das Gericht die Gesetzgebung in den 50 US-Staaten nicht komplett umwälzen wird. Schwule und lesbische Paare werden in den USA, genau wie in Europa, also weiter Bürger zweiter Klasse bleiben. Tut mir Leid, euch das sagen zu müssen, aber euer kleiner rot-pinker Avatar hilft nicht dabei, das zu ändern.

Sicher, eure Solidaritätserklärung ist herzallerliebst. Es ist schön zu sehen, dass so viele Menschen ihren Homo-Freunden die gleichen aus Hochzeitsvorbereitungen resultierenden Nervenzusammbrüche wünschen, über die Heteros sich freuen können. Überhaupt: Warum setzen wir uns so lautstark ausgerechnet für die Gleichstellung beim Anachronismus Ehe ein? Klar, was Krankenversicherung, Adoptionsrecht und die ganzen anderen Ungleichheiten zwischen eingetragener Partnerschaft und Ehe angeht, muss was getan werden. Und natürlich sei auch allen schwulen und lesbischen Paaren das Recht auf Spießigkeit gegönnt. Aber wir müssen dabei kein antiquiertes Konzept übernehmen. Zum Beispiel wäre es einmal interessant, sich komplett von der Zwei Personen Ehe zu verabschieden, wie es Claudia Gamon, stellvertretende Vorsitzende der jungen Liberlaen (JuLis) und auch Mitglied der Neos, in einem Interview mit der Standard vorstellt.

Aber gut, die Vor- und Nachteile von Gleichstellung bei der Ehe seien mal dahingestellt. Prinzipiell ist es ja nett von euch, Homos die gleichen Rechte einräumen zu wollen. Nur: Ihr macht nichts dafür! Euer neues Facebook-Bild ist nur wieder eine weitere Form von passivem Aktionismus, der in keiner Weise hilft. Wollt ihr wissen, was hilft? Statt ein Bild runterzuladen und drei Klicks zu machen, könntet ihr online gehen und an eine Organisation spenden, die sich für LGBTs einsetzt. Oder vielleicht einfach mal selbst ein Schild in die Hand nehmen und demonstrieren. Wollt ihr wissen, was wirklich etwas gebracht hätte? Wenn in Amerika die Leute ihren Avatar 2008 geändert hätten, als in Kalifornien über die Proposition 8 abgestimmt wurde, damit der Mist gar nicht erst zum Supreme Court hätte gehen müssen.

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Das Ganze ist ungefähr so, wie wenn man sich am St. Patrick's Day grüne Klamotten überstreift oder sich beim Fasching in Villach verkleidet (was lediglich zum Erkennungsmerkmal für die Partyleichen taugt, so dass man ihnen auf dem Bürgersteig leichter ausweichen kann). Jetzt gerade reicht eine Solidaritätsbekundung via Facebook eben nicht. Denn es zählt nur die Meinung von neun Menschen, nämlich den neun Richtern des Obersten Gerichtshofes der USA, und die sind auf Lebenszeit ernannt und können deswegen auf die Meinung der Massen scheißen. Wahrscheinlich dürfen sie nicht mal einen Facebook-Account haben. Warum spart ihr euch eure Energie nicht für den Zeitpunkt auf, an dem die Öffentlichkeit tatsächlich was zu sagen hat?

Jetzt sitzt ihr nur vorm Computer und freut euch, dass ihr was in den sozialen Netzwerken gemacht und damit die Unterdrückten befreit habt. Vielleicht habt ihr in kleinster Weise dazu beigetragen, aber wirkliche Veränderung erreicht ihr nur, wenn ihr Arbeit reinsteckt. Wenn ihr eure Meinung sichtbar machen wollt, schreibt einen Brief (von mir aus auch nur eine E-Mail) an eure politischen Vertreter und macht klar, dass auch Homos heiraten dürfen sollen. Warum rufst du nicht deine konservative Großmutter an, oder das Mädchen von deiner Schule, das ständig in die Kirche rannte und Bibelzitate postet, oder irgendjemanden, der Homosexuellen ihre Rechte absprechen will. Du weißt schon, tatsächlich etwas machen—auch wenn es schwierig und nervig und vielleicht sogar echt unangenehm ist.

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Niemand gibt dir etwas umsonst und kein Facebook-Status auf dieser Welt wird das je ändern. Wir müssen für das, was wir wollen, kämpfen. Wir müssen als Individuen auftreten, mit Namen, Stimmen und Gesichtern. Wir müssen auch den Leuten außerhalb unseres Freundeskreises erklären, wie wichtig es ist, Homosexuelle als Menschen zu behandeln und nicht als den albernen kleinen Frisör, der dir im Fernsehen das perfekte Make-over verpasst.

Frank Kameny, Foto von dbking 

Das erinnert mich auch an Frank Kameny, den großartigen Schwulenrechtler, der in den 60ern die ersten Proteste vorm Weißen Haus organisierte. Er bestand darauf, dass sich alle Demonstranten in ihre besten Anzüge schmissen und als respektable Gemeindemitglieder auftraten, und nicht als die verwahrlosten Asis, die alle erwartet hatten. Kameny und andere radikale Aktivisten wurden wegen ihrer Überzeugungen festgenommen. Allein die Tatsache, dass sie Gesicht zeigten, machte sie zu Freiwild für Gewalttäter, entlassungswütige Chefs oder sogar für Polizisten, die sie für Unzucht verhafteten. Was sie taten, war ungemein gefährlich. Was all die Lemminge mit ihrem Facebook-Aktionismus machen, ist einfacher, als eins von Lance Armstrongs Livestrong-Armbändern zu tragen oder die NOH8-Kampagne, bei der Promis mit zugeklebten Mündern posieren. Immerhin musste man für das Armband bezahlen. Es floss also etwas Geld in die Sache.

Aber nein, alles, was man heute von uns verlangen kann, ist ein neues Facebook-Profilbild. Das bringt genauso viel wie ein klatschendes Publikum, um Tinkerbell wieder auferstehen zu lassen. Nämlich gar nichts. Man kann nur etwas verändern, wenn man es Kameny gleich tut und etwas riskiert. Lasst uns alle so protestieren, dass wir festgenommen werden, und dann unsere Polizeifotos auf unsere Timeline posten! Sowas würde uns tatsächlich etwas bringen.