Die bunte und bizarre Fotografie von Jan Hoek

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Die bunte und bizarre Fotografie von Jan Hoek

Der Niederländer fotografiert Menschen aus den Randbereichen der Gesellschaft auf farbenfrohe, ein bisschen wahnsinnige Art.

Kim en Paul's Trip

Das erste Mal sah ich die Arbeit des niederländischen Fotografen Jan Hoek dieses Jahr beim Unseen Photo Festival von Foam. Dann erinnerte ich mich an sein verrücktes Zine über eine halbnomadische Gruppe von Menschen in Kenia und im Norden Tansanias, das New Ways of Photographing the New Masai hieß. Die Amateurmodelle und die Beziehungen, die er zu seinen Protagonisten aufbaute, faszinierten mich und ich wollte von ihm erfahren, wie er vorgeht, wenn er eine neue Reihe beginnt. Er hat vor Kurzem ein Projekt abgeschlossen, das Kim en Paul's Trip heißt und in dem er seine Beziehung zu einer seiner Protagonistinnen aufgreift, der ehemaligen Heroinsüchtigen Kim, die in Amsterdam lebt und gerne Model werden will. Hoek hat sie und ihren Partner Paul auf eine Reise mitgenommen, denn er dachte, der Traumurlaub der beiden könnte auch sein Traum-Shoot sein. Er machte ein Kim-Mobil, was er als „ein Batmobil, nur mit Bildern von Kims Gesicht drauf" beschrieb, und nahm sie mit an einen belgischen Strand. Die Fotos waren so ungekünstelt und bizarr, wie diese kurze Beschreibung nahelegt. Obwohl er unglaublich unkonventionell ist, hat Hoek vor Kurzem ein großes Stipendium erhalten, also beschloss ich, mit ihm auf Skype ein wenig über seine bevorstehende Arbeit zu sprechen.

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VICE: Als wir uns am Telefon unterhalten haben, hast du erwähnt, dass manche Leute deine Bilder direkt als „schlecht" bezeichnen würden. Glaubst du, das liegt an dem digitalen, ungekünstelten Aspekt?
Jan Hoek: Sie nennen die Fotos nicht wirklich schlecht, aber sie sagen, die Fotos seien hässlich. Sie denken, ich würde das mit Absicht machen, aber um ehrlich zu sein, versuche ich, die Bilder nur schön zu machen, so wie ich sie sehe. Meine Ideale stimmen nicht mit den ganzen Regeln der Welt der Fotografie überein. Ich mag kein perfektes Licht, ich mag keine Sauberkeit und ich mag keine perfekte Symmetrie. Ich glaube, meine Schönheitsideale ähneln denen der russischen Hochzeitsfotografie oder kitschiger afrikanischer Fotostudios. Das sind die Einflüsse, dich ich versuche, in meine Arbeit einfließen zu lassen.

Ein Foto aus Hoeks „Pattaya Sex Bubble"-Reihe

Du wählst für deine Bilder oft Menschen von den Randbereichen der Gesellschaft. Was interessiert dich an diesen Protagonisten?
Ich suche mir die Models niemals nach diesem Aspekt aus. Ich suche einfach nach Leuten, von denen ich finde, dass sie die Coolsten sind, und die sind eben oft ein bisschen ungeschliffen. Ich glaube, es hat auch etwas damit zu tun, dass ich ein Kontrollfreak bin. Mir fällt es meist schwer, etwas loszulassen, und ich fühle mich oft unbeholfen. Es ist befreiend, mit Leuten herumhängen zu können, denen das egal ist.

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Ich weiß, dass man dich schon gefragt hat, ob du das, was du da tust, für ausbeuterisch hältst, aber ich denke, der Großteil deiner Arbeit ist eigentlich eher kollaborativ—stimmt das, meinst du?
Ja, und ich werfe gerne Fragen darüber auf, dass Fotografie ausbeuterisch sein kann und immer eine ausbeuterische Seite haben wird, aber ich werfe diese Fragen nur deswegen auf, weil ich es wichtig finde, diese Grenze nicht zu überschreiten. Oft ist ein Foto das Ergebnis einer Kollaboration, und manchmal ist es ein Kompromiss, bei dem ich und das Model einen Mittelweg gefunden haben. Auch wenn ich es verstehe, finde ich es seltsam, dass Leute, die Fragen zum Thema Ausbeutung stellen, damit sofort direkt zu mir kommen. Vor allem, weil die Models in meiner Arbeit auch Gehör kriegen. Die Leute sagen: „Nein, Menschen aus Afrika, oder arme Menschen, oder Menschen, die sich gerne betrinken, können nicht selbst entscheiden und man muss sie vor ihren eigenen Entscheidungen beschützen." Ich finde das sehr abwertend.

In deiner Reihe Pattaya Sex Bubble beziehst du dich auf die Art von Fotografie und Werbung, die es im Sextourismus gibt—was gefällt dir an dem Material, das du dir hier aneignest?
Es ist alles so schön! Und natürlich sollte man nicht versuchen, einen edlen Fotoband daraus zu machen, wenn man eine Arbeit über Pattaya macht, wo alles neonfarben mit Pink, Gold und Glitzer ist.

Pattaya Sex Bubble

Hattest du während der Arbeit an Kim en Paul jemals ein Gefühl von Verantwortung für die beiden? Oder habt ihr eine klare Beziehung zwischen Fotograf und Modellen, selbst wenn du sie in den Urlaub begleitest?
Ja, durchgehend. Sie sind auch meine Freunde geworden. Ich kenne sie inzwischen seit sechs Jahren. Viele Models fotografiert man und das war's, doch wenn man jemanden erst einmal so lange kennt, dann hängt man an den Leuten. Und ich muss mich kümmern, denn wenn ich mich nicht kümmere, dann ist es unmöglich, sich mit ihnen zu verstehen, oder in ein Fünf-Sterne-Hotel zu gehen, ohne vor die Tür gesetzt zu werden. OK, wir wurden immer noch aus dem Hotel geworfen, aber das war ohnehin nur 10 Minuten, bevor wir auschecken wollten, also dachte ich: „OK, kein Problem, dann stecke ich das Trinkgeld fürs Hotel eben wieder in die Tasche und wir gehen!" Kim und Paul haben beide 1.200 Euro für den Urlaub erhalten, und sie wollten sich unbedingt den Namen der jeweils anderen Person tätowieren lassen, aber sie hatten keine Ahnung, wie schnell 1.200 Euro weg sein können. Bevor sie sich versahen, hatten sie kein Geld mehr für ein Tattoo. Dann habe ich einen Freund, den Künstler Mick Johan, gefunden, der ihnen gratis eins gestochen hat.

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Hattest du Spaß mit ihnen?
Ja, ich liebe es, Zeit mit ihnen zu verbringen. Es lässt sich auch nur mit ihnen arbeiten, wenn man nicht die ganze Zeit ernst ist. Einmal ist das Kim-Mobil neben der Autobahn liegengeblieben und wir dachten, wir würden niemals das Hotel erreichen. Ich versuchte, sie aufzumuntern, indem ich vorbeifahrenden Touristenbussen meinen Arsch zeigte. So etwas muntert sie immer auf, und mich auch. Kim und Paul können sehr schwierig sein, aber das geht schnell vorüber, wenn man sie gut kennt. Sie sind von Anfang an so ehrlich und freundlich zu den Leuten. Sie werden nur sauer, wenn sie das Gefühl haben, dass jemand sie nicht gut behandelt oder sie ausnutzt. Das kommt häufig vor.

Du hast vor Kurzem den prestigeträchtigen Charlotte-Köhler-Preis gewonnen. Was hast du damit vor?
Für mein nächstes Projekt werde ich zusammen mit dem Modedesigner Duran Lantink mit einer Organisation für Transgender-Sexarbeiter in Kapstadt zusammen arbeiten. Aber ich will auch in einem Land arbeiten, wo es Krieg gibt, und von Menschen, die im Kriegsgebiet leben, erfahren, ob sie noch immer gerne fotografiert werden und was ein Foto ihnen bedeuten kann.

Siehst du dir die Arbeit anderer Fotografen an? Wenn ja, auf was stehst du zur Zeit?
Mein Mentor in den Niederlanden ist Paul Kooiker. Er ist der einzige Fotografielehrer, den ich jemals hatte, und er hat mir beigebracht, dass man für ein gutes Foto noch vor der guten Kamera eine gute Idee braucht. International ist Boris Mikhailov mein großer Held, aber aus der jüngeren Generation mag ich Künstler wie Augustin Rebetez, weil er die verrückteste, düsterste Arbeit macht, die man sich nur vorstellen kann. Ich finde auch viel Inspiration bei einigen Tumblr-Künstlern, die einfach nur 19-jährige Jugendliche ohne Ansehen in der „echten" Fotografiewelt sind, wie psyberbully.com.

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