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Wie es war, meinen Freund Rasool zurückzulassen, und warum er aus türkischer Gefangenschaft freigelassen werden muss

Der VICE News-Journalist Mohammed Ismael Rasool sitzt immer noch im türkischen Gefängnis. Jake Hanrahan, der zusammen mit Rasool im Gefängnis saß, aber inzwischen freigelassen wurde und wieder in Großbritannien ist, schildert in diesem persönlichen...

Am 27. August 2015 wurden drei VICE News-Journalisten in der Türkei festgenommen, während sie aus dem Südosten des Landes berichteten. Ihnen wurde Unterstützung einer terroristischen Organisation vorgeworfen, woraufhin sie inhaftiert wurden—eine vollkommen haltlose und lächerliche Anschuldigung.

Zwar wurden Jake Hanrahan und Philip Pendlebury am 3. September freigelassen—sie befinden sich mittlerweile wieder in Großbritannien—, wir sorgen uns weiterhin um unseren dritten Kollegen Mohammed Ismael Rasool, der immer noch inhaftiert ist.

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Wir fordern die türkischen Behörden auf, ihr positives Vorgehen im Fall Jake Hanrahan und Philip Pendlebury fortzuführen und Mohammed Ismael sofort freizulassen.

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„Weißt du, was ich am meisten vermisse?", fragte Rasool, als er auf der Matratze in der Ecke der Gefängniszelle lag. „Meinen Pinterest-Account."

Phil und ich brachen in Gelächter aus. Da waren wir nun: zu Unrecht beschuldigt, auf ranzigen Matratzen mitten in einem türkischen Hochsicherheitsgefängnis für Terroristen und alles, woran Rasool denken konnte, war sein Pinterest-Account. Noch lustiger wurde es dadurch, dass er es „P-Interst" aussprach. Er glaubte uns nicht, als wir ihm sagten, wie man es richtig ausspricht.

„Ich meine es ernst", sagte er uns weiter. „Ich habe diese verschiedenen Pinnwände mit Bildern von Essen und Bildern, wo ich schon überall auf der Welt war. Wenn ich beruflich in Usbekistan oder anderswo unterwegs bin, und ich sehe einen schönen Baum, dann finde ich später ein Bild davon und füge es zu meiner Pinnwand dazu."

Rasools geliebter Pinterest-Account ist voll mit schönen Bildern, weil er ein unglaublich erfahrener und talentierter Journalist, Übersetzer und Fixer ist. Mit gerade einmal 24 Jahren bereiste er unzählige Male den Nahen Osten und arbeitete für VICE News, Associated Press und Al Jazeera. Er steht kurz vor dem Abschluss seines Masterstudiums in Internationalen Beziehungen, was er jetzt womöglich nicht mehr abschließen können wird.

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Leider ist er Arsenal-Fan, aber ansonsten ist Rasool ein ganz normaler Typ, der hart arbeitet und der aufgrund seiner Reportertätigkeit viele Kontakte hat. Bizarrerweise scheint das für die türkischen Behörden Grund genug zu sein, ihm Spionage vorzuwerfen. Wie er selbst an diesem Nachmittag auf der schmutzigen Matratze sagte: „Sie haben überhaupt keine Beweise".

„Holt mich hier raus, Jungs", sagte Rasool, als wir weggeführt wurden.

Später sitze ich gebückt und spiele in meinem Kopf die schrecklichen Szenarien durch, die uns hätten passieren können. Ich bin angespannt. Ich knabbere ständig an meinen Fingernägeln. Rasool bemerkt das. Er hat es immer bemerkt.

„Entspann dich!", sagte er zu mir. „Wir haben nichts falsch gemacht. Wir werden hier bald rauskommen. Wir sind doch nur Journalisten, die versuchen, über die Runden zu kommen und unseren Job zu machen."

Rasool hatte recht, wir hatten nichts falsch gemacht, aber trotzdem vegetierten wir in einem türkischen Antiterror-Hochsicherheitsgefängnis vor uns hin. Die Wachleute sagten uns auf dem Weg ins Gefängnis, dass es ein Gefängnis für IS-Kämpfer sei. Die Graffiti an den Wänden und die nächtlichen „Allahu Akbar"-Rufe schienen das zu bestätigen.

Eine Woche zuvor wurden wir wegen terroristischer Straftaten angeklagt, nachdem wir vor unserem Hotel in Diyarbakir festgenommen wurden. Wir arbeiteten für ein paar Tage im Südosten des Landes und berichteten über den Konflikt zwischen dem türkischen Staat und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Der Konflikt kostete im Zeitraum von sechs Wochen Hunderten Menschen das Leben. Ein Großteil der Gewalt ging der von der Jugendorganisation der PKK—der YDG-H—aus.

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Bevor wir inhaftiert wurden, wurden wir bereits Zeugen, wie Dutzende bewaffnete Teenager durch die Straßen von Cizre marschierten, und sind in Silpoli unter Beschuss geraten, als maskierte Jugendliche versucht haben, uns mit auf eine Patrouillenfahrt durch angeblich von ihnen kontrollierte Gebiete zu nehmen. Wir trafen ein 13-jähriges Mädchen, das von drei Kugeln in den Nacken, in die Rippen und in den Rücken getroffen wurde, als die Kämpfe zwischen der YDG-H und der Polizei ausbrachen. Als Journalisten fanden wir es wichtig, über diese Spirale der Gewalt und über die Zivilisten, die unter der Gewalt von beiden Seiten leiden, zu berichten.

Wir wurden inhaftiert, weil wir unsere Jobs gemacht haben und uns trafen bizarre Anschuldigungen, dass wir Spione des Islamischen Staates seien—von einer Gruppe, über die wir gar nicht berichteten. Nach vier Tagen Isolationshaft in Polizeigewahrsam schickte uns der Staatsanwalt in dieses glühend heiße und dreckige Hochsicherheitsgefängnis in Adana, eine über fünfstündige Fahrt.

Ohne Vorwarnung ging unsere Zellentür auf. Zwei Wachleute zeigten auf Phil und mich und sagten ein paar Worte auf Türkisch.

„Was sagen die?", fragte ich Rasool.

Rasool pausierte. Sein Gesicht entglitt ihm. „Ihr zwei seid frei und könnt gehen", antwortete er.

Es dauerte eine Sekunde, um das zu begreifen. Phil und ich wurden freigelassen, aber Rasool muss weiterhin im Gefängnis bleiben. Mein Herz wurde schwer. Das war unfair. Die ganze Sache war unfair, aber das war ein besonderer Schlag.

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„Wartet eine Minute", sagte Phil zu den Wachleuten. Aber die hatten sie nicht. Wir mussten sofort gehen.

Ich umarmte Rasool und versprach ihm, dass wir für seine Freilassung kämpfen würden, egal, was kommt. Phil tat es auch.

„Holt mich hier raus, Jungs", sagte Rasool, als wir weggeführt wurden.

Phil und ich sind wieder in Großbritannien. VICE News setzte alle Hebel in Gang, um uns mit so wenigen Kratzern wie möglich dort herauszuholen. Zwar sind wir sehr froh darüber, dass wir wieder zu Hause bei unseren Familien sind, jetzt ist aber nicht die Zeit, um das zu feiern.

Mohammed Ismael Rasool—unser lieber Freund und Kollege—sitzt immer noch für eine Tat im Gefängnis, die er nicht begangen hat.