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Einen Auftragskiller anzuheuern, ist in Russland so einfach, wie eine Pizza zu bestellen

Um einen Auftragsmörder anzuheuern, musst du jedoch überhaupt nicht wissen, was das Deep Web ist. In Tschechien und Osteuropa gibt es Webseiten, die entsprechende Dienste öffentlich anbieten und online Aufträge entgegennehmen.

Die „About Us“-Seite der russischen Website zakazat-kilera.com

Wahrscheinlich verfügst du mittlerweile über ein relativ umfangreiches Wissen, was die Legionen technikaffiner Killer, die im Deep Web herumhängen und auf ihren nächsten Mordauftrag warten, angeht. Das Deep Web hat in den letzten Monaten allerhand Aufmerksamkeit erregt—nicht zuletzt wegen Ross Ulbricht, dem angeblichen Gründer des berüchtigten Drogen- und Mordmartkplatzes Silk Road. Gegen Ulbricht wurde gerade die Anklage erhoben, auf Silk Road einen Killer mit der Ermordung von sechs Menschen beauftragt zu haben. Nach einer verdeckten FBI-Ermittlung wurde er am 1. Oktober verhaftet. Um einen Auftragsmörder anzuheuern, musst du jedoch überhaupt nicht wissen, was das Deep Web ist. In Tschechien und Osteuropa gibt es Webseiten, die entsprechende Dienste öffentlich anbieten und online Aufträge entgegennehmen. Auf einer Seite, die seit Februar dieses Jahres online ist, werden alle Wünsche blutdürstiger Rachesuchender erfüllt. „Ein leichtes Schütteln“ kostet 350 Dollar und den „Chiropraktiker“ à la Tarantino gibt es für 800 Dollar. Außerdem kannst du deinem Opfer jeden Teil seines Körpers brechen lassen: 50 Euro pro Knochen. Auch was den Mord selbst betrifft, sind mehrere Optionen verfügbar: „natürliche Todesursache oder unglücklicher Zwischenfall“, „,zufälliger‘ Todschlag“ in einem Kampf (zum Beispiel bei einem nächtlichen Überfall) oder der „klassische“ Auftragsmord. Der Preis hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa von dem Ort, an dem sich das Opfer befindet, und von den Herausforderungen, die dem Killer bei der Durchführung begegnen. Für eine Zusatzgebühr können Kunden eine ganze Reihe Extras beantragen. So kann das Opfer nackt im Wald liegengelassen werden, dazu gezwungen werden, das eigene Grab zu schaufeln, oder mit einem in Urin und Fäkalien getränkten Lumpen geknebelt werden. Den Wünschen der Kunden sind kaum Grenzen gesetzt. Man könnte zakazat-kilera.com für einen Scherz oder für das Werk von Betrügern oder für beides zugleich halten. Russische Politiker nehmen die Seite jedoch immerhin so ernst, dass sie wiederholt Anläufe genommen haben, diese Seiten zu sperren. Andrew Slavyanski, ein Analytiker des Cyber-Thinktanks SecDev, hat sich mit dieser und ähnlichen Seiten auseinandergesetzt und ist überzeugt, dass sie in der Tat ernst zu nehmen sind. „Es ist, wie wenn du dir etwas aufs Hotelzimmer bestellst oder dir Zubehör für dein Auto aussuchst“, erzählte er mir. „Die Sprache ist extrem nüchtern gehalten—,Wünschen Sie dies oder jenes? Es wird Sie soundso viel kosten.‘ Es gibt keinen Platz für Fehlinterpretationen.“

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Ein Auszug der FAQ-Seite von zakazat-kilera.com

Darüber hinaus wird auch eine Liste sexueller Gewaltakte beworben—das anschaulichste Angebot ist wohl die „Vergewaltigung durch einen Schwulen mit rasiertem Kopf, der über 100 Kilo wiegt und jungfräuliche Ärsche liebt.“ Für nur 1.000 Dollar kannst du das haben. Im Grunde behaupten die Typen, dass sie für einen bestimmten Preis alles tun, was du willst, solange dein Opfer in der Nähe der Städte lebt, in denen sie arbeiten, und das tun sie unter anderem in Moskau, Kiew und Minsk. Die Seite scheint keineswegs ein Einzelfall zu sein. Andrew zeigte mir eine weitere wohl noch düstere Webseite. „Das ist nicht irgendein Nonsens“, fuhr er fort. „Es gibt eine Seite, auf der sie beschreiben, was sie machen, eine zweite über ihre Anonymität, und auf einer dritten erfährt man, wie man den Auftrag erteilt.“ Auch wenn es in den USA generell zahlreiche Waffenverbrechen gibt, kommt es außerhalb der Verbrecherwelt nur sehr selten zu Auftragsmorden. In Russland sind Auftragsmorde an Zivilisten gebräuchlicher. Anfang des Jahres wurde der 64-jährige Geschäftsmann Stepan Ananikyan festgenommen, weil er verdächtigt wurde, den Tod von sechs Menschen in Auftrag gegeben zu haben—scheinbar als Rache für den Mord an seinem eigenen Sohn. In einem anderen Fall wurden ein Geschäftsmann und seine Tochter auf ihrem Weg zum Auto erschossen. Bei den Killern handelt es sich um „Typen, die einfach hinter Leuten her laufen, ihnen in den Hinterkopf schießen und dann ruhig wieder weggehen—in sehr systematischer und organisierter Weise“, erzählte mir Andrew und fügte hinzu, dass die Verbrechen auf „Sicherheitskameras festgehalten“ worden sind. Man kann sogar auf der Webseite nachlesen, aus was für Leuten das Team zusammengesetzt ist. Unter anderem stößt man auf ehemalige Sportler, die im Ostblock als professionelle Boxer, Ringer und Athleten gearbeitet haben, nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch ihrer Länder jedoch keinen Anschluss mehr fanden. „In den frühen Neunzigern, als die Sowjetunion auseinander brach, haben sie definitiv einen Teil der kriminellen Unterwelt ausgemacht“, erklärte Andrew. Daneben gibt es eine Reihe abgebrühter Krimineller und Militärveteranen, die bei der sowjetischen Invasion in Afghanistan gegen die Mudschaheddin gekämpft haben und „meist um die 45, vielleicht in den frühen Fünfzigern sind“. Wie bereits erwähnt, ist diese Webseite nicht im Deep Web angesiedelt. Du musst dir also weder Tor herunterladen, noch irgend etwas anderes Besonderes tun, um die Seite aufzurufen und deinen Auftrag abzuschicken. Wie die Betreiber damit durchkommen? „Sie sagen, dass sie enge Verbindungen zu den Sicherheitsbehörden haben“, erklärt Andrew, „[entweder] zur Polizei oder zu lokalen Gouverneuren“. Das könnte ein Grund sein, warum diese Seiten in Osteuropa und Russland so erfolgreich sind. „Es ist [in diesen Gegenden] sehr gut möglich, sowohl Mitglied des Staatsapparats oder der Sicherheitsbehörden als auch einer organisierten Verbrecherbande zu sein“, sagte Andrew. „So lange du beide Mäuler füttern kannst, geht das.“

Eine Auswahl von Tags von zakazat-kilera.com

Im April 2013 wurde ein Polizeibeamter, der Killerdienste für Gangs angeboten hat, wegen des Mordes an sechs Menschen verhaftet. Er wurde letzten Endes zwar geschnappt, aber seine Erfolgsbilanz zeigt, dass sich Leute wie er zumindest in einer Art Sicherheit wiegen, während sie zwischen ihren Rollen als Gesetzesvollstrecker und Auftragskiller hin und her wechseln. Normalerweise „ist es viel schwerer, Leute zu verhaften oder zu bestrafen, die Teil der Polizei sind“, betonte Andrew. Es gab einige Versuche, den Zugang zu diesen Mordauftragsseiten einzuschränken oder sie zu schließen, doch meistens stößt der Gesetzesvollzug auf zwei große Probleme. Erstens kann die Regierung nur dann Internetseiten schließen, wenn diese Selbstmord propagieren oder Kinderpornografie enthalten. Eine Seite, die offen für Dienste wie Vergewaltigungen und grausame Morde wirbt, kann nach dieser Regelung nicht belangt werden. Zweitens muss von einem Nutzer der Seite eine formale Beschwerde vorliegen—und dazu wird es natürlich niemals kommen. Dadurch konnten jene Seiten in den letzten zehn Monaten, von kleinen Eingriffen abgesehen, größtenteils aktiv bleiben. Es scheint tatsächlich so, als hätte die Seite, die für Morde mit funkelnden Extras wirbt, nur einmal ihre URL geändert—nachdem ein russischer Senator ihre Sperrung gefordert hatte.   Wenn man diese Entwicklung in einem größeren Kontext betrachtet, demonstrieren jene Webseiten, wie bestimmte Personen und Gruppen das Internet zum eigenen Vorteil zu nutzen wissen. Ob es sich um ein mexikanisches Drogenkartell handelt, das mit Hilfe von Tor verschlüsselt kommuniziert, um eine soziale Bewegung in Brasilien, die durch Twitter Auftrieb bekommt, oder eben um ein paar Auftragskiller, die eine größere Kundenbasis zu gewinnen versuchen—die Technologie erlaubt es Verbrechern ebenso wie normalen Staatsbürgern, sich besser zu vermarkten. Die durch ihre Bürokratie schwerfälligeren Staaten hinken diesen Entwicklungen meist hinterher. „Sie können sich nicht so schnell bewegen wie ein Individuum“, betont Andrew. „Wenn sie die Seite blockieren wollen, […] legen sich [die Betreiber] einfach eine neue Webadresse zu. Dadurch ist die Gesetzgebung hier viel schwieriger.“ Das beweisen der Drogenmarktplatz Silk Road, die Mirrorseiten von Pirate Bay und auch WikiLeaks. So wie manche Drogendealer es einfacher finden, ihre Waren im Cyberspace zu verkaufen, scheint das Internet auch russischen Auftragskillern ein neues Zuhause zu bieten.