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Popkultur

Promi Big Brother hat den Superlativ des Fremdschämens erfunden

Anstatt genießen zu können, wie Rache an den Promis genommen wird, für die das Alphabet zu kurz ist, schoss Mitleid in mir hoch.

Oliver Pocher mit Fackel eröffnete das Promi Big Brother

Es war soweit. Nach über zwei Jahren Abstinenz zogen wieder Menschen in ein Haus voller Videokameras—diesmal welche, die man schon vorher kannte (es ist aber auch völlig OK, wenn du sie vorher nicht kanntest). Zumindest sind 11 deutsche E-Promis und David Hasselhoff zusammen ins Big Brother-Haus gezogen—Promi Big Brother heißt das Format von Sat.1 und das Ganze schauten sich Freitagabend 3,21 Millionen Menschen an. Das ist ein Marktanteil von 12,7 Prozent!

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Aber was ein fröhlicher Voyeur-Abend hätte werden können, entpuppte sich als gnadenlose Anklage des Überwachungsstaats.

Anfangs schien es, als wäre es die perfekte technologisierte Welt, in der alle deine Bedürfnisse befriedigt werden: Es ging irgendwie gerechter zu. Doch Ed Snowden zeigt uns jeden Tag aufs Neue, dass paranoide Hollywoodfilme ein akkurates Bild der Überwachungswelt zeichnen. Und in genau diese Kerbe schlug Promi Big Brother unerbittlich ein.

Zu Beginn entzündete Cindy aus Marzahn als übergewichtige pinke Freiheitsstatue verkleidet ein falsches olympisches Feuer. Spott über Amerika und die Reinheit des Sports.

Und David Hasselhoff, im originalen Mauerfall-Glüh-Jacken-Outfit, stimmte (doppeldeutig) „Looking for Freedom“ an. Doch kurz nachdem der amerikanische Schauspieler die warnende Zeile „still (freedom) can’t be found“ gesungen hatte, schnitten die Moderatoren ihm die Mucke ab. Der fabelhaft gealterte 61-Jährige versuchte noch, gegen die Stille anzusingen, aber das wirkte verzweifelt.

Kurz vor Betreten des Hauses sprach er in seine Uhr hinein: Kitt, get me out of here! Ein Mann will sich von einem Computer-Auto vor der totalen Überwachung retten lassen. Die Grenzen zwischen Doppel-Ironie und selbstvergessenem Sarkasmus waren komplett verwischt.

Mir erfror das müde Lächeln gänzlich, als man uns die Fäden der Marionettenspieler mehr und mehr um die Kehle schnürte.

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Die letzte Hoffnung war verflogen, als die Stimme im Erpresser-Anruf-Verfremdungs-Sound der 80er Anweisungen an die Bewohner im Haus gab und behauptete, „die NSA hat von mir gelernt“. Das war nicht die ganz große perfide Kreativität und hat auch nicht den verleugneten Spanner in mir befriedigt. Anstatt genießen zu können, wie Rache an den Promis genommen wird, für die das Alphabet zu kurz ist, schoss Mitleid in mir hoch.

Wohl absichtlich waren die ersten Demütigungen, wie durch Feuerwände springen oder zwei Bewohnerinnen in einem Bett schlafen lassen, unoriginell und plump. Nichts lenkte von der zynischen Message ab: Wir alle sind irgendwie Blöd-Promis in einem geschmacklosen Haus und unser Leben wird von Dick und Doof kommentiert. Wer rausgeht, verliert, und eigentlich kann man nur rauchen.

Das war überhaupt das Tröstlichste. So viel wurde lange nicht mehr im Fernsehen gequalmt. Elvers, Semmelrogge und Leute mit unaussprechlichen Namen steckten sich eine nach der anderen an. Das sieht man gern und Tabakkonzerne entdecken Werbenischen.

Irgendwann waren mir alle Schuppen von den Augen gefallen und es wurde ziemlich langweilig. Die humorlose Big Brother-Stimme laberte Marijke Amado im Strafbereich voll (einem stallähnlichen Raum) und sowieso kann Sat.1 dem System nicht drei Stunden lang die Larve vom Gesicht reißen. Und was soll BB den Zuschauern noch zeigen, wenn die Jenny schon im Filmclip zu ihrer Ankündigung den Intimbereich entblößt?

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…und später nochmal im Haus:

Als ich später nochmal zurückgeschaltet habe, sang Eko Fresh gerade „Oh Quotentürke, ganz egal, wie sehr ich mich auch änder, ich bleib immer dieser Scheiß-Ausländer.“ Also weiterhin selbstironisch.

Ich glaube, am Ende gab's Stress, weil jemand die Feuerprüfung vergeigt hatte. Jedenfalls kann man Sat.1 zu ihrem Mut nur beglückwünschen. Leider ist damit auch das Ziel der Sendung ziemlich offensichtlich schon erreicht. Keiner kann weitere 14 Tage brutale Aufklärung ertragen.

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