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Lass stecken!

Viele Männer wären erstaunt, wie viele Frauen schon Erfahrungen mit Exhibitionisten gemacht haben. Die Schriftstellerin Cornelia Travnicek gehört ebenfalls dazu. Und ihr halber Freundeskreis auch.

Exhibitionismus ohne Opfer ist schön. Foto von Rowena Waack

Meine Freundinnen und ich, wir sind gut erzogene Mädchen. Wir sind gut erzogene Mädchen in der Hinsicht, dass uns von klein auf klar gemacht wurde, dass draußen die Gefahr lauert, vor allem in der Dunkelheit. Wir gehen nachts nicht durch Parks. Wir halten uns nach Einbruch der Dunkelheit von der Donaulände fern. Wir misstrauen Taxifahrern grundsätzlich, wenn wir alleine bei ihnen im Wagen sitzen. Wir fragen uns gegenseitig per SMS ob wir gut nach Hause gekommen sind.

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Die Überraschung darüber, meinem ersten Exhibitionisten im hellen Tageslicht zu begegnen, kann man sich wahrscheinlich vorstellen. Nun, ich war alleine in einer Großstadt unterwegs, in Rom nämlich, also aus der Sicht erzieherischer Logik natürlich gefährdet, aber hey: Dass der Typ, der da gleich nach den paar Bäumen und gar nicht weit von einer Brücke entfernt, direkt an der Straße an der Steinmauer lehnt, neben sich seinen Roller stehen hat und genüsslich eine Zigarette raucht, ebenso genüsslich an seinem Schwanz rummacht, den er, ohne Genierer wie es auf Wienerisch so schön heißt, aus seiner Rollerkluft hängen lässt, das wäre auch jemanden mit einer nicht so starken Fehlsichtigkeit, wie ich sie habe, nicht gleich aufgefallen. Nur das zeitgerechte Verrutschen meiner Kontaktlinsen hat mich davor bewahrt, dass sich das Bild in bester Auflösung in mein Hirn eingebrannt hat. Der Wichser bleibt also für immer verschwommen.

Foto von Great Beyond

Klar waren wir alle schon einmal in einer Sauna. Doch es geht hier nicht um den gelegentlichen Fußballplatzflitzer. Exhibitionisten fühlen sich gerne unverstanden. In „unserer heutigen Gesellschaft“ gäbe es doch so viel Nacktheit, warum wird da nicht auch die „Zeigelust“ akzeptiert? Weil es eben oft nicht beim Herzeigen bleibt, sondern meist offensichtlich eine starke sexuelle Erregung im Spiel ist, es schnell auch um Masturbation geht, und spätestens dann befindet man sich in einer Situation mit Nötigung.

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Erfahrungsgemäß kommen die fraglichen Menschen auch nicht charmant und in Anzügen mit Blumenbouquets daher, wie in dieser in so vieler Hinsicht falschen Darstellung auf dieser Website. Übrigens: Bei einer internationalen Ausstellung in das Info-Center zu stürzen, mit dem Ausruf: There is a exhibitionist outside! führt zwar zu Verwirrung, aber nicht zur Entfernung des fraglichen, unter der Oberbekleidung nackten Individuums aus den dekorativ aufgestellten Sträuchern.

Man möchte meinen, seit der Erfindung von Chatroulette hätten Exhibitionisten keinen Grund mehr auf die Straße zu gehen. Weit gefehlt.

Als mir noch im selben Jahr in Wien-Brigittenau nachts ein junger Mann mit seltsam weit unten hängender Hose entgegenkam, der irgendwie Mühe hatte, vorwärts zu gehen ohne aus der Hose und auf die Fresse zu fallen, da habe ich mir zuerst auch wieder nichts gedacht, weil Hosen heute eben manchmal tief hängen. Aber so eine Hose lässt sich schwer oben halten, wenn man das Hosentürl offen und in der einen Hand seine Nudel hat, und so durch die Gegend rennt, lasst euch das gesagt sein. Man schaut auch ziemlich blöd aus dabei. Augenblicklich hat sich bei mir eine Art schützende Nachtblindheit eingestellt.

Meine Neugier als Hobby-Statistikerin war jedenfalls geweckt. Im sicheren Umfeld einer Veranstaltung für die angemessene Bestrafung von Sexualstraftätern habe ich drei andere Damen gefragt, ob ihnen denn so etwas schon einmal passiert wäre. Alle drei haben bejaht und nicht nur eine war bereits mehrmals Zeugin von öffentlicher Genitalpräsentation, beziehungsweise der Zurschaustellung von Autoerotik. Gebrannte Kinder, habe ich mir gedacht, klar, dass wir an so einer Veranstaltung teilnehmen, das muss doch eine ungewöhnliche Häufung sein, vergessen wir das ganze einfach mal wieder.

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Foto von Jeff Laitila

Aus dieser Umfrage bei der Veranstaltung habe ich für mich auch diese Anekdote von Julya Rabinowich mitgenommen: Eine Freundin von ihr hat einen Exhibitionisten so lange mit „Zeig her! Lass mich sehen, was du da hast!“ verfolgt, bis er sich selbst belästigt gefühlt hat.

Nachdem in diesem Jahr jemand aus meiner Familie Ziel einer solchen Wichsattacke in einem Bus der Wiener Linien war, die weder von Fahrgästen noch vom Busfahrer schnell und problemlos beendet werden konnte, und von ihr eindeutig als unangenehm empfunden wurde, wollte ich es doch genauer wissen. Immerhin haben wir alle diese Frauen in unserem Leben: Eine Mutter, eine Schwester, eine Freundin, eine Tochter—wen auch immer—, von denen wir sicher nicht wollen, dass ihnen irgendjemand ungefragt sein gar nicht so gutes Stück unter die Nase hält. Das hat nichts mit anerzogener Scham zu tun, sondern mit dem diffus schlechten Gefühl, gegen den eigenen Willen in eine sexuelle Handlung einbezogen zu werden. Und noch dazu eine, über die man keine Macht hat. Da können die Zeigefreudigen noch so oft betonen, dass sie erstens nichts Böses wollen und zweitens auch gar nicht gefährlich sind.

Wunderbare Schlagzeile aus der Heidenheimer Zeitung: „Exhibitionismus: Polizei rät, ganz genau hinzusehen.“

Ignoranz für nervigen Schwanz. Foto von Ben Salter

Auf die Frage in meinem Facebook-Freundeskreis, wer schon Erfahrungen mit Exhibitionisten hat, haben sich sehr schnell insgesamt 15 Frauen und—um das hier nicht zu unterschlagen—2 Männer gemeldet, die teilweise auch noch von Betroffenen im eigenen Bekanntenkreis berichteten. Erfreut war keine und keiner von ihnen über diese aufgezwungene Situation. Auf das Anmasturbieren Fremder stehen nach Paragraph 218 des Strafgesetzbuches bis zu 6 Monaten Haft, angezeigt haben jedoch die wenigsten den Vorfall bei der Polizei.

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Was tun, wenn man sein Teil gerne raushängen lassen würde? Ich weiß es auch nicht. Mascherl drumbinden? Reicht nicht. Liebe dermaßen Veranlagte: Vielleicht zeigt ihr euer Zumpferl im nächsten Swingerclub her, da haben auch noch andere etwas davon, so sozial könntet ihr schon sein.

Denn auch, wenn man sich wünscht, man hätte die Gelassenheit, um einfach so etwas zu sagen wie „Lass stecken“ (in einem möglichst gelangweiltem Tonfall), so hat man diese Ruhe leider meistens nicht. Bleibt einem nur noch die anlassbezogene Kurzsichtigkeit.

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