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Warum das geplante Rauchverbot nicht demokratisch ist

Auch ich will, dass in der Gastronomie nicht geraucht wird. Nur passt ein Verbot nicht zu einer liberalen Demokratie, die auch die Freiheit miteinschließt, die eigene Gesundheit zu gefährden.
Foto: Dave Gingrich | flickr | cc by 2.0

Niko Alm war von 2007 bis 2013 Herausgeber von VICE Alps. Inzwischen hat er sich aus der Redaktion völlig zurückgezogen und ist heute Geschäftsführer der Unternehmensgruppe VICE CEE. Außerdem ist er als Parlamentarier für NEOS aktiv. Die Meinung in diesem Artikel ist, wie man so schön sagt, die seine.

Auch ich will, dass in der Gastronomie nicht geraucht wird, aber ich halte es für spielentscheidend, wie Nichtraucherschutz zustande kommt. Und am wenigsten ertrage ich Raucher, die selbst nach Bevormundung flennen, anstatt einfach damit aufzuhören. Das geplante Gesetz zeigt, mit welcher Selbstverständlichkeit demokratische Standards ignoriert werden, wenn eine politisch artikulierte Mehrheit die Oberhand behält. Und es passiert unbemerkt.

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Beginnen wir mit dem zwingenden Einstieg zu jedem Beitrag, der sich mit einem Rauchverbot in der Gastronomie auseinandersetzt: Ich bin Nichtraucher. Einer von der Sorte, die nach zwei Bieren andere um eine Zigarette anschnorrt, um sie dann nur zu paffen. Pure Verschwendung. Ich kriege keinen Ausschlag und hyperventiliere nicht, wenn andere rauchen.

Natürlich fühle ich mich, vermutlich wie viele Raucher auch, von Rauch belästigt, wenn er dort aufsteigt, wo ich ihn persönlich nicht einatmen will, z. B. beim Essen. Dass in Restaurants geraucht wird, ist absurd. Wer ein wenig durch die Welt reist, bemerkt schnell, dass eine rauchfreie Gastronomie der globale Standard einer zivilisierten Welt ist. Aschenbecher neben dem Essen auf dem Tisch sind eben ekelhaft.

Persönlich käme es mir also sehr gelegen, wenn dort, wo ich esse, nicht geraucht werden darf. Ein rauchfreier Gastronomiebetrieb ist mir lieber als einer, in dem geraucht wird. Naheliegender Schluss: Ich müsste für das geplante Rauchverbot sein. Nur leider passt das mit meinem Verständnis einer liberalen Demokratie nicht ganz zusammen, die auch die Freiheit miteinschließt, die eigene Gesundheit zu gefährden.

Wir reden bei einem Rauchverbot in der Gastronomie über einen privaten Betrieb, in dem sich drei Parteien – nämlich der Wirt (Eigentümer oder Geschäftsführer), seine Angestellten und Gäste – im Rahmen privater Vereinbarungen darauf einigen, welche Regeln gelten. Dabei gibt der Wirt die Bedingungen der Vereinbarung vor. Den anderen steht es prinzipiell frei, diese Bedingungen zu akzeptieren oder nicht.

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Freiwillige Rauchfreiheit (gemeint die Freiheit von Rauch, nicht die Freiheit zu rauchen) in möglichst vielen Lokalen wäre natürlich die beste Lösung. Niemand hindert die Unternehmer daran, ihre Betriebe rauchfrei zu führen, niemand hindert die Gäste, freiwillig nicht zu rauchen. Doch das funktioniert kaum.

Also wird nach dem Gesetzgeber gerufen.

Rauchverbot als demokratische Entscheidung: Nein

Eine Mehrheit der Bevölkerung will, dass nicht geraucht wird, aber selbst und aktiv dafür zu sorgen, dass Raucherlokale zu einer keinen Marktnische reduziert werden, das will sie nicht.Die Regierung soll das gefälligst erledigen. Und eine parlamentarische Mehrheit wird diesem Willen Folge leisten, wenn es zur Abstimmung kommen wird – entgegen den privaten Vereinbarungen erwachsener Menschen.

Keine einfache legistische Aufgabe. Es sei denn, man macht es sich einfach. Der simple Plan lautet derzeit: wenn eine Mehrheit es so will, dann darf in Restaurants einfach nicht geraucht werden. Die von erwachsenen Menschen untereinander getroffene Vereinbarung interessiert uns nicht. Vertragsfreiheit wird dem verordneten Schutz der Gesundheit untergeordnet. Wir wollen das so. End of story.

Dieses Vorgehen ist undemokratisch. Dasseine Mehrheit rauchfreie Restaurants möchte, reicht als Begründung für ein Verbot natürlich nicht aus. Für Mehrheiten gilt genau wie für Individuen: Wenn sie etwas nicht tun wollen, dann sollen sie es nicht tun.

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Vermutlich steigen an dem Punkt schon viele aus der Argumentation aus, weil sie das nicht so sehen. Zumindest ist das mein Eindruck aus zufällig, unsystematisch wahrgenommenen Wortmeldungen. Natürlich wird zur unterstützenden Argumentation immer der Schutz der Gesundheit herangezogen. Doch wer wird denn vor wem geschützt? Der Wirt, die Gäste oder die Angestellten?

Rauchverbot zum Schutz der Gäste: Nein

„Wie komme ich dazu, in einem Lokal den Qualm anderer Gäste einzuatmen," lautet ein oft gehörtes verknapptes Argument. Gäste müssten vor dem Verhalten anderer Gäste geschützt werden. Sorry, das reicht nicht. Wenn erwachsene Menschen untereinander die Vereinbarung treffen, dass in gemeinsamer Gegenwart in privaten Räumen auch geraucht werden darf, dann ist diese Vereinbarung in einem demokratischen Staat zu tolerieren. Dieser Vereinbarung darf von der Wirtin, dem Wirt einseitig vorgelegt werden. Denkbar wäre an dieser Stelle bestenfalls eine Kennzeichnungspflicht, ob es sich bei dem Lokal um ein Raucher- oder Nicht-Raucherlokal handelt. Dann könnten Menschen vor dem Betreten entscheiden, ob sie zu diesen Bedingungen Gäste werden wollen.

Rauchen ist in Österreich nicht verboten. Es gibt auch kein Verbot in Gegenwart anderer Menschen zu rauchen bzw. das Erfordernis vorab die Zustimmung einzuholen. Die Produktion und der Vertrieb von Zigaretten sind in Österreich auch nicht illegal. Das Argument nach einem generell staatlich verordneten Schutz würde dann auch außerhalb der Gastronomie greifen müssen und würde Rauchen in Gegenwart anderer Menschen ohne deren Zustimmung verunmöglichen.

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Das ist aber jedenfalls eine andere Diskussion, die geführt werden könnte, aber bisher nicht geführt wurde. Konsequenter wäre dann vielleicht gleich ein Verbot von Produktion und Vertrieb von Zigaretten et al. Das wäre wiederum eine weitere Diskussion, die geführt werden könnte, aber nicht geführt wurde.

Rauchverbot zum Schutz der Angestellten: Möglich

Mit dem Schutz oder gar dem Willen der Gäste zu argumentieren, ist also zur Begründung eines Rauchverbots in der Gastronomie untauglich. Niemand zwingt sie, sich dem Willen der Wirtin zu beugen. Bleibt – wenn wir davon ausgehen, dass der Wirt als Unternehmer nicht vor sich selbst geschützt werden muss – nur mehr der Schutz der Angestellten. Hier könnte ein Rauchverbot tatsächlich durchgesetzt werden, wenn man weitere Einschränkungen der Vertragsfreiheit durch das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz an sich billigt.

Ein rechtliches Erfordernis, dass jeder Arbeitsplatz rauchfrei zu sein hat, würde dazu führen, dass bestenfalls (bzw. schlechtestenfalls) nur mehr in Gastronomiebetrieben geraucht werden dürfte, wo auch ausschließlich Eigentümer oder Geschäftsführer arbeiten. Damit wäre ein de facto flächendeckendes Rauchverbot auch demokratisch über den Weg des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes möglich.

Konkret würde dann in Gastronomiebetrieben mit Angestellten nicht mehr geraucht werden dürfen. Rauchen in einem Lokal, das ausschließlich vom Inhaber betrieben wird, oder zu einem Zeitpunkt, zu dem keine Angestellten anwesend sind, wäre aber weiterhin möglich. Ein kleiner, aber wesentlicher Unterschied.

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Der Weg ist entscheidend

Wenn am Ende das Ergebnis gleich ist, warum beschließen wir dann nicht einfach ein Rauchverbot in der Gastronomie?

Weil das Ergebnis eben nicht ganz gleich ist. Die Vertragsfreiheit zwischen dem unternehmerischen Gastronomen und seinen Gästen muss in der Demokratie gewahrt bleiben. Ein einfaches Rauchverbot in der Gastronomie untergräbt die Privatautonomie. Der Weg zu einer rauchfreien Gastronomie muss auch im Einklang mit den Rechten jener stehen, die ihre Gesundheit auch weiter bewusst schädigen wollen, auch wenn das eine Mehrheit der Bevölkerung so nicht will.

Zum Abschluss auch noch einmal der Hinweis darauf, wer hier die eigentlichen Verursacherinnen des Problems sind: Das sind schon die Raucher selbst.

Am Ende des Tages sind es die Gäste, die einander und die in der Gastronomie arbeitenden Menschen einqualmen. Es sind nicht die Wirte und Kellnerinnen, die mit der Zigarette im Mund die Bestellungen aufnehmen und servieren. Rücksichtnahme und Zivilcourage würden auch zu einer rauchfreien Gastronomie führen. Klingt utopistisch? Ist es auch.

Denn speziell Raucher, die das Rauchverbot jetzt ganz super finden und dafür sind, obwohl sie ja „sogar selbst Raucher sind", könnten ihr moralische Überlegenheit auch bei ihrem Verhalten selbst zur Anwendung bringen und einfach auch damit aufhören.


Titelbild: Dave Gingrich | flickr | cc by 2.0