Urnen mit Bling, neonfarbene Särge und Diamanten aus Verstorbenen

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Urnen mit Bling, neonfarbene Särge und Diamanten aus Verstorbenen

What's hot and what's not in Sachen Begräbniskultur auf der Bestattungsmesse in Düsseldorf.

Dank dem demografischen Wandel hat die Bestattungsindustrie in Deutschland kurzfristig ausgezeichnete Zukunftsaussichten. Doch auch der sogenannte Friedhofszwang, ein Gesetz von 1934, bietet dem deutschen Sarg- und Urnenbauer seit über 80 Jahren eine todsichere Geschäftsgrundlage. Während der Nazizeit verabschiedet besagt es, dass die sterblichen Überreste, ob Leiche im Sarg oder Asche in der Urne, auf einem Friedhof aufbewahrt werden müssen: neben Österreich und Italien weltweit einzigartig. Die Fürsprecher berufen sich dabei gerne auf Traditionen und freie Zugangsmöglichkeit. Der Friedhofszwang verletze Artikel 2 des Grundgesetzes, behaupten die Gegner. Er sei ein Anachronismus und nur dazu da, möglichst viel Geld in die, auch so schon gut gefüllten, Taschen der Bestatter fließen zu lassen.

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Während der niederländische Nachbar also im Jahre 2015 die Urne lässig ins Regal stellen darf, schmuggelt der Deutsche die tote Oma, frisch verbrannt in einem der vielen Krematorien, entlang der Bundesgrenze über die Autobahn hetzend nach Hause, in der Hoffnung nicht erwischt zu werden. Die BEFA in Düsseldorf ist kein Ort für Normalsterbliche. Auf der Bestattungsfachausstellung findet sich alle vier Jahre das Who is Who der Branche zusammen. Aschebilder aus der Schweiz, die berüchtigten bunten Särge aus Ghana und die neuesten Trends werden zur Schau gestellt. Viele der Artikel wie zum Beispiel Kristallkugeln mit eingepressten Aschepartikeln dürften in Deutschland eigentlich nicht benutzt werden. Trotzdem sind die Unternehmer aus den Nachbarländern vor Ort. Es gibt schließlich Wege, Gesetze zu umgehen. Wenn auch illegal. Nach offiziellen Angaben bietet die Messe auch „Ort und Gelegenheit Fragen zu stellen und Antworten zu finden". Oliver Wirthmann, einer der Verantwortlichen und Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur e. V. erklärte sich freundlicherweise für ein Interview bereit.

Oliver Wirthmann

VICE: Wie stehen Sie dazu, dass viele Menschen durch den Friedhofszwang zu kriminellen Handlungen gezwungen werden, indem sie die sterblichen Überreste zuerst im Ausland verarbeiten lassen und danach nach Deutschland zurück schmuggeln?
Oliver Wirthmann: Es gibt ja immer die Idee nach dem Motto: „Ich will doch selbstbestimmt entscheiden. Ich lass mir doch von niemandem erzählen, was ich zu tun habe" und der so genannte „Friedhofszwang" wird als Zwang empfunden und Einengung der eigenen Freiheit. Darum geht's aber gar nicht. Es geht darum, dass der Friedhof eine gewachsene Tradition in Deutschland ist.

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Motherboard: Hier erfahrt ihr, wie Asche zu Diamanten verarbeitet wird.

Heißt das also, dass der Bürger auch nach dem Tod dem Staat gehört, wenn die Angehörigen nicht das Recht haben, über die Überreste zu verfügen?
In Deutschland ist es gewachsene Tradition. Es ist so, dass die Urne zu Hause erstmal vielleicht ganz interessant klingt und als freie Entscheidung. Das kann aber ein Riesenproblem werden, wenn man am Anfang der Trauer einen Verstorbenen ganz nah bei sich haben möchte, aber irgendwann die Urne eine belastende Erinnerung wird. Der Friedhof ist ein Ort, wo ich hingehen, gedenken und wieder weggehen kann. Genauso wie wenn ich die Urne im Garten begrabe und das Grundstück irgendwann verkaufe. Niemand möchte einen Garten haben, wo Verstorbene drin sind. Wenn der Haushalt aufgelöst wird, fliegt die Urne eines Verstorbenen bei der Entrümpelung auf die Mülldeponie. Kann auch nicht gut sein. Außerdem wenn Familien zerstritten sind, was wenn die Schwester zu ihrem Bruder sagt: „Du kommst mir nicht ins Haus, du warst zum Vater niemals gut, du besuchst Vater nicht!"? Hat nicht auch der Sohn das Recht, seinen Vater zu besuchen, oder ein Kollege und Freund? Muss er dann an der Tür klingeln?

Ein Leichenwagen von innen

Wäre es nicht angemessener, den Hinterbliebenen selbst die Entscheidung zu überlassen, was mit dem Verstorbenen geschehen soll?
Die Menschen müssen begleitet werden auf ihrem Weg und nicht nach dem Motto: „Was du willst, kriegst du." Menschen sind in diesen Dingen, wie wir aus vielfältigen Gesprächen mit Bestattern und Friedhofsverwaltern wissen, sehr unbeholfen und sie sind dann oft in einer schwierigen Lage. Wenn jemand sich bewusst dafür entscheidet, wäre es etwas anderes, aber oft ist der Wunsch dahinter, einen Angehörigen sehr nah bei sich zu haben. Außerdem ist die Demokratie ja nicht gefährdet, wenn ich auf dem Friedhof eine Urne oder einen Leichnam bei der Erdbestattung beisetze, denn ich kann ja dann die Friedhöfe bunt und vielfältig gestalten und da muss noch viel geschehen. Unsere Friedhöfe sind viel zu streng und viel zu einengend in vielerlei Hinsicht. Die Friedhöfe müssen bunter werden, so wie auch unsere Gesellschaft bunter wird.

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Deshalb die bunten Tücher als Symbol der Veranstaltung?
Bunt soll es werden, aber nicht zu bunt, denn es kommt einfach darauf an, dass wir den Menschen bei dem Abschied nicht sagen: „Schaue in eine bunte Warenwelt und was du willst kriegst du", sondern dass es ästhetischen Anforderungen genügt. Und „bunt" heißt eben, dass es Farben sind, die zusammenpassen, die aber zeigen, Bestattungskultur ist im Wandel, im Umbruch begriffen und es muss nicht immer grau sein und auch ganz schwarz.

Auch das ist ein Leichenwagen von innen

Wie möchten Sie selbst mal bestattet werden?
Für mich ist eine Erdbestattung Grundvoraussetzung. Ich möchte nicht verbrannt werden. Das ist mir zu brachial, zu brutal. In der Erde gibt es auch keine Würmer auf zwei Meter Tiefe, wie viele sagen. Ich möchte einen evangelischen Pfarrer bei mir haben und möchte eine große Trauerfeier und es mag ein bisschen materialistisch klingeln, ich möchte auch mal in der Mercedes E-Klasse abgeholt werden. Im schwarzen Bestattungswagen mit dem Stern drauf.

Ein bestimmter Sargwunsch?
Ich würde mich für einen Vollholzsarg entscheiden. Sehr wahrscheinlich schwarzer Klavierlack und darauf dann eine Bibel. Ich hoffe, dass es so durchgeführt wird und dass es noch lange dauert, bis es dann soweit ist.

Peter T., Sarghersteller, aus den Niederlanden mit einer 175 Jahre alten Tradition.

Herr Schindler mit einer Designerurne für die vierbeinigen Gefährten vom Tierkrematorium Schwarzwald.

Die Asche wird bei 1400 Grad verarbeitet und verbindet sich mit Glas. 2 bis 5 Gramm sind laut Hersteller im Toleranzbereich, wobei die Produktion in einem anderen EU-Land stattfindet.

Thorben Bockholt ist im zweiten Jahr seiner Ausbildung zum Bestatter.

Mehr von Nikita findet ihr hier.