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Munchies

Mit ohne Alles—Mein Besuch im Allergiker Café

Im Allergiker Café in Wien gibt es Alles mit ohne Allem: Wein ohne Histamine, Bier ohne Gluten, Kuchen ohne Mehl, dafür einen großen Hund.

Alle Fotos: VICE Media

Nachdem mein erster Besuch im Allergiker Café von Platzmangel und einem riesigen Hund vereitelt wurde, beschloss ich, noch einen Versuch in dem Lokal zu starten, das sich auf überlebensunfähige Kundschaft wie mich spezialisiert hat. Ich bin einer derjenigen Menschen, die nur noch leben, weil die heutige Gesellschaft krampfhaft an jedem sommersprossigen Kümmerling festhält, der vor hundert Jahren noch dank der natürlichen Selektion an einer Haselnuss, einer Prise Blütenstaub oder den Haaren eines süßen Miezekätzchens erstickt wäre.

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Manchmal mehr und manchmal weniger stark reagiere ich auf fast 80 Auslöser und vor allem sehen diese Reaktionen immer verschieden aus. Jedoch sind sie selten so stark, dass es ein paar Dibondrin nicht lösen könnten. „Lösen“ ist hier relativ, denn dank dem Wundermittel darf ich den restlichen Tag dann ziemlich high und etwas desorientiert verbringen. Ich habe einen vierseitigen Allergika-Ausweis, auf dem steht, was mir im Falle meiner Unzurechnungsfähigkeit nicht verabreicht werden darf. Warum darin Dinge wie Zebra, Stress und Chlorophylle stehen, verstehe ich zwar nicht ganz, aber sicher ist ja immerhin sicher. Nebenbei reagiere ich auch auf Tierhaare, unter anderem auf die von Hunden, Katzen,—wie schon erwähnt— die von Zebras und sogar auf Pelzträgerinnen (letzteres könnte jedoch psychosomatisch sein), was meines Wissens nach zu den häufigsten Allergien gehört.

Warum ein Kaffeehaus, das genau diese Allergien zu umgehen versucht, einen Haushund hat, der geschätzt mehr wiegt, als jede einzelne Mitarbeiterin, ist mir schleierhaft. Während meines Besuchs liegt er jedoch in der Ecke, döst vor sich hin und nicht einmal meine sonst sehr sensible Nase reagiert auf ihn. Vielleicht ist er ja ein Allergiker-Hund. Das Café wirkt wie ein Familienunternehmen, in dem wirklich alles vom Essen bis zur Dekoration selbst gemacht ist. Diverse Kuchen, Brownies, und Kekse, sowie eine vegetarische Tagesspeise werden in der offenen Küche direkt hinter der Theke gebacken, zubereitet und direkt frisch serviert.

Drinnen ist es ruhig. Solange die Gäste versorgt sind, kocht die Mutter vor sich hin, während die Tochter zeichnet und der Hund in einer Ecke liegt und schläft. Die Atmosphäre ist sehr familiär und offen und ich fühle mich eher wie bei meiner Tante und Cousine eingeladen, als in einem Restaurant. Auch die Auswahl auf der Tageskarte erinnert mich daran. Einfache Gerichte, aber liebevoll zubereitet, abgeschmeckt und serviert. Nur der Kaffee war um Längen besser, als der meiner Tante. Eine ausgewogene Röstung, stark, trotzdem mild und natürlich wahlweise ohne Milch. Die verschiedenen Kuchen tragen der Einfachheit halber Ikea-artige Vornamen. Immerhin bestellt sich ein Tobias leichter als ein fruktose-, laktose- und glutenfreier Brownie ohne Nüsse. Tobias schmeißt mich zwar nicht vom babyblauen Vintage-Sessel, ist aber durchaus lecker und vor allem anfallssicher.

Süßspeisen und vor allem Kuchen sind bekanntlich nicht gerade der Teil der Ernährung, bei dem man akribisch Inhaltsstoffe durchgehen will. Wer das auch in Zukunft nicht tun will, beziehungsweise muss, kann sich im Allergiker Café getrost die erstbeste Schnitte gönnen. Die vielen Leute hingegen, die darauf achten müssen was sie essen, gerne wissen, was sie zu sich nehmen oder einfach nur gemütlich und nett einen Kaffee trinken wollen, haben jetzt die perfekte Anlaufstelle gefunden. Man wird beim Bestellen nach allen Allergien und Unverträglichkeiten gefragt, es wird einem auch dann geduldig zugehört, wenn man von Zebraallergien erzählt, und man bekommt genau das perfekte Stück Kuchen empfohlen. Alles in Allem ist das Allergiker Café sehr charmant, offen und vor allem ideal, wenn man eine häusliche Atmosphäre mehr schätzt als den sonst eher unüblichen Charme der Wiener Kellner.