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Haben wir mit unseren Spenden für die Flüchtlingshilfe das Innenministerium mitfinanziert?

Der österreichischen Staat will seiner Aufgabe nicht nachkommen und dafür auch noch andere zahlen lassen.

Als im Sommer 2015 die ersten Refugees in großer Zahl Österreich erreichten, waren es zu einem großen Teil nicht die österreichischen Polizisten, Staatsbediensteten oder Beamte des Innenministeriums, die an den Bahnhöfen für die nötige Versorgung der Geflüchteten sorgten.

Der Staat zeigte sich viel mehr hoffnungslos überfordert und unvorbereitet. Nur durch die monatelange Hilfe von NGOs wie dem Roten Kreuz, der Volkshilfe, Train Of Hope und islamisch-türkischen Kulturvereinen, sowie dem starken Engagement der Zivilbevölkerung, konnten die Refugees am Wiener West- und Hauptbahnhof, in Traiskirchen, Nickelsdorf und Salzburg ausreichend versorgt werden.

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Die Organisationen, die in die Flüchtlingshilfe eingebunden waren, bekamen im Gegenzug Förderungen vom Bund. Schließlich handelt es sich bei der Versorgung von Geflüchteten und Asylsuchenden eigentlich um eine Staatsaufgabe. Wie am Montag bekannt wurde, haben aber 12 dieser Nichtregierungsorganisationen bereits im Februar einen Brief des Innenministeriums bekommen, in dem sie aufgefordert werden, die Spenden, die sie für die Flüchtlingsarbeit erhalten haben, offen zu legen. Grund dafür ist, dass die Förderungen durch den Bund um die Summe der erhaltenen Spenden gekürzt werden sollen.

Das Schreiben, das VICE vorliegt, beginnt mit folgendem Satz: „Sie leisten mit ihrem aktuellen Engagement einen sehr wesentlichen Beitrag in der Bewältigung der Migrations- und Flüchtlingssituation." Wenige Zeilen später wird aber darauf verwiesen, dass die Organisationen „administrativen Vorgaben" unterliegen und nun mehr ersucht werden, dem Bund mitzuteilen, „in welcher Höhe Spenden […] seit dem 4.9.2015 mit der Widmung Flüchtlingshilfe eingegangen sind". Weiters wird den betroffenen Organisationen mitgeteilt, dass „bei der Gewährung von weiteren Förderungen bzw. bei der Förderabrechnung auf diese Angaben Bedacht zu nehmen sein wird."

Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraising Verbands Austria (FVA), meint dazu gegenüber dem ORF: „Wenn der Staat beginnt, die gemeinnützigen Organisationen für eigene Zwecke zu missbrauchen, dann hört sich so etwas wie Zivilgesellschaft oder gemeinnützige Tätigkeit auf." Und tatsächlich muss die Frage gestellt werden, ob man mit seinen Spenden nun unbeabsichtigter Weise das Innenministerium—und damit möglicherweise auf die fragwürdigen Kampagnen und die Politik der Innenministerin—mitfinanziert hat.

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Lies hier, warum ein bedignugsloses Grundeinkommen für die Flüchtlingsdebatte notwendig werden könnte.

Julian Pöschl, Mitbegründer der Organisation Train Of Hope, die vor allem in Wien an den Bahnhöfen unbezahlbare und unbezahlte Arbeit geleistet hat, schreibt über die Forderung des Innenministeriums: „Es ist für keine NGO möglich, alleine durch Spendengelder zu überleben. Das sollte auch nicht notwendig sein, führt aber zu einem Problem: Wer beißt schon gern die Hand, die einen füttert, wenn sie gelegentlich auch zuschlägt?"

Auch Erich Fenninger von der Volkshilfe Österreich übt scharfe Kritik am Vorgehen des Innen- und Finanzministeriums: „Es ist absurd, auf Spendengeld der Organisation zuzugreifen, um diese staatliche Aufgabe zu erfüllen", sagt er gegenüber VICE. Außerdem versichert er, dass die Spendengelder der Organisationen selbstverständlich den schutzsuchenden Menschen zugute kämen—etwa für Deutschkurse, Freizeitaktivitäten und Integrationsmaßnahmen.

Fenninger verwehrt sich jedoch dagegen, dass die NGOs ihre Spendengelder auch für die Art der Versorgung aufwenden sollen, die eindeutig eine staatliche Aufgabe ist. „Die Zivilgesellschaft hat in den vergangene Monaten enormen Einsatz gezeigt, hat Lebensmittel, Schlafsäcke, Zeit und auch Geld gespendet, um Schutzsuchende zu unterstützen und zu versorgen. Das ist aber grundsätzlich eine staatliche Aufgabe", so der Menschenrechtler.

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Foto: Tori Reichel

Dass der Bund nun die eigentlich von ihm zu tragenden Kosten einbehalten will, ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch eine rechtliche Frage. Während sich Finanz- und Innenministerium eindeutig im Recht sehen, ist das für den Staatsrechtler Daniel Ennöckl von der Uni Wien nicht so eindeutig: „Jene Vereine, die relativ stark Spenden lukrieren können, erhalten dann deutlich weniger Subvention, oder deren Betrag wird reduziert. Das halte ich unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes, den das Innenministerium auch bei privatrechtlichen Förderverträgen einhalten muss, für sehr, sehr schwierig", sagt Ennöckl gegenüber Ö1.

Gleich mehrere Vertreter von NGOs reagierten jedenfalls entsetzt auf das Vorgehen des Bundes. Dieser Umstand bringe manche der Organisationen „an den Rand der Zahlungsfähigkeit", sagt etwa Rotkreuz-Chef Gerry Foitik gegenüber dem Standard.

Betrogen dürfen sich auch all jene fühlen, die für die Flüchtlingshilfe Geld gespendet haben. Betrogen vom Österreichischen Staat, der seiner Aufgabe nicht nachkommt und dafür auch noch andere zahlen lassen will.

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