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Popkultur

Worauf ihr bei 'Anchorman 2' achten solltet

Wir haben uns die wichtigsten Gedanken zu Ron Burgundy und seinem Newsteam gemacht. Anchorman 2 - The Legend Continues ist der der goldene Schuss der Komödien-Fortsetzungen.

Vor fast zehn Jahren wurde eine anfangs erfolglose, SNL-artige Komödie mit Will Ferrell zu einem der am häufigsten zitierten und T-Shirt-tauglichsten Filme der Post--Ära. Was zu so etwas wie dem Blutdiamanten des Zelluloids macht, ist schwer zu erklären. Wahrscheinlich hat es ein bisschen damit zu tun, dass sein Humor so beiläufig daherkommt, als hätten Louis CK und Helge Schneider gedreht, während sein Look so authentisch alt wirkt, dass wir beim Schauen immer wieder instinktiv glauben, dass schon unsere Eltern Hosilulu zu Burgundys stolzen Misogynie-Postulaten gemacht haben, während die 70er allerorts blutige Newsteam-Schlachten hervorbrachten.

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Fear and Loathing in Las Vegas

Anchorman

Pootie Tang

2—The Prequel

Aber dem ist natürlich nicht so, da Anchorman erst 2004 geschlüpft ist—was einen weiteren elementaren Bestandteil seiner Einzigartigkeit ausmacht: Denn in Wahrheit geht es in diesem lose aus Sketch-Improvisationen zusammengeschnittenen Spaß-Perpetuum rund um Schnauzbart-Ikone Ron Burgundy darum, dass wir als wissende, postmoderne Gestalten auf eine Welt zurückblicken, in der Leute wie Ron Burgundy noch ernst genommen (oder zumindest mit aller Ernsthaftigkeit als Idioten klassifiziert) wurden. Oder anders: Es geht darum, die frühen 70er Jahre durch Rons Burgunder-Brillen zu sehen und deshalb nicht in Verlegenheit zu kommen, wenn er seine Ignoranz mit der richtigen Salon-Frisur und einer Kautabakprise voll gutem, alten Sexismus kompensiert. „I wanna be ON you …"

Es ist erstaunlich, dass sie das News Team des ersten Teils wieder zusammenführen konnten, da Paul Rudd und Steve Carell seitdem präsentable Karrieren gemacht haben. Umso schöner ist es zu sehen, dass sich niemand zu gut ist, eine idiotische Nebenrolle mit falschen Bärten aus seiner Filmografie zu reanimieren. Um zu unterstreichen, wie einprägsam und ikonisch diese Filme sind, möchte ich nur sagen: Jedes Mal wenn ich Milch aus der Packung trinke, denke ich an Rons lamentierendes „Milk was a bad choice!". Hier nun die wichtigsten Dinge, die man über das Anchorman-Universum wissen sollte.

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Punkt 1 - Brick ist definitv ein Zeitreisender.

Auch wenn Brick Tamland, der witzige Wettermann mit dem Pappkartonhirn im zweiten Teil mehr Geschichte bekommt, als seinem (und unserem) Charakter gut tut—und ein Großteil seiner Screentime wohl auf den höheren Bekanntheitsgrad von Steve Carell zurückzuführen ist—, hat auch die Fortsetzung ihre illustren I love lamp-Momente. Etwas enttäuschend ist da nur der faule Wayne's World 2-Move, dass der Idiot eine Idiotenfreundin bekommt. Die wird zwar von der herzallerliebsten Kristen Wiig verkörpert, führt aber zu einer peinlichen, viel zu selbstreferenziellen und in Folge schlichtweg unlustigen Kombination. Josef meint sowieso, dass Steve Carell ein bisschen überbewertet ist. Markus findet, dass er in die unfreiwillig lustige, beziehungsweise freiwillig unlustige, Buster Keaton-Rolle des Halbarschs—wie sie auch Jason Bateman in Arrested Development spielt—gut passt.

Wie auch immer, jedenfalls wird im zweiten Teil ein bisschen Nebel weggepustet und sowas Ähnliches wie Charakterentwicklung mit Brick betrieben. Was im ersten Teil nur gemutmaßt wurde, wird in Anchorman 2 nun sonnenklar: Brick ist tatsächlich ein Zeitreisender.

Abgesehen davon, dass er in der ersten Newsteam-Kampfkonfrontation eine Granate und dann einen Dreizack hervorzaubert, stellt er sich auch im Einser den Fernseh-Zuschauern mit den Worten vor: „Years later, a doctor will tell me that I have an IQ of 48 and am what some people might call mentally retarded." (Pompöse Mystery-Musik vom History Channel beginnt zu spielen.) Weiß er diese Dinge, weil er sie gesehen hat oder bereits erlebt? War es nur ein witziger Spruch oder steckt da doch mehr dahinter?!

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Als das Newsteam in Anchorman 2—The Legend Continues, der nun an der Schwelle zum Jahr 1980 spielt, Geschichten über vergangene Erlebnisse teilt, fragt Brick plötzlich, ob sich alle eigentlich noch an zehn Jahre später erinnern können, und daran wie Brian was mit seinem Jetpack hat bzw haben wird. Beim zweiten epischen Newsteam-Fight des neuen Teils hat er nun eine Laser-Kanone, die er verrückt lachend als Waffe aus der Zukunft bezeichnet.

Auch sein Zitat aus Ghostbusters „I ain't afraid of no ghost"ist ein absichtlicher Anachronismus, da der Film erst 6 Jahre nach den Geschehnissen in Anchorman 2 herauskommt. Theorien, denen zufolge Brick von den Strapazen des intertemporalen Reisens Hirnschäden davongetragen habe, sind auch schon aufgekommen. Vielleicht behauptet er auch deshalb vor seiner Angebeteten, dass er erst 19 sei und weint auf seiner eigenen Beerdigung. Auf jeden Fall ist Brick Tamland vielschichtiger, als man vorerst annehmen möchte.

Das Ask anything auf Reddit mit Adam McKay (Regisseur der Anchorman-Filme) beschreibt eine komplexe Wahrnehmungsebene des Brick Tamlands. (Screenshot)

Punkt 2 - Wenn Celebrity-Cameos Heroin wären, würde Anchorman 2 uns einen goldenen Schuss setzen.

Der Film hat eine angenehme Überlänge und sein Klimax ist ein erschütterndes Feuerwerk bekannter Gesichter. Billig? Sicher. Aber wisst ihr, was auch billig ist? Asiatische Nudelboxen und tschechische Spraybilder der Jungfrau Maria, die es in rauhen Mengen in der Excalibur City inklusive neonfarbener Hintergrundbeleuchtung zu kaufen gibt. Und wisst ihr, was diese Dinge auch sind? Ziemlich großartig für das, was sie sein sollen.

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Punkt 3 - Anchorman 2 macht alles, was ein zweiter Teil machen sollte.

Gleich vorweg—Anchorman 2 ist kein Der Pate 2, weil auch Ron Burgundy kein Michael Corleone ist. Aber es ist eine Fortsetzung, die trotz erweitertem Budget nicht auf die Kernelemente des Ausgangsfilms vergisst, sondern diese sogar noch mit ein bisschen Suspense anreichert und sie unserer Erwartungshaltung wie einen swafflenden Penis ins entsetzte Gesicht zurückklatscht.

Von einigen halbenttäuschten Hardcore-Fans hört man dieser Tage ein verhaltenes „Naja", was die generelle Qualität angeht; gefolgt von einem „Es ist halt schon epochaler, weniger improvisiert und generell einfach größer, mainstreamiger UND ÜBERHAUPT …" Was Pomp, Größe und Mainstream angeht, können wir nur noch einmal auf Nudelboxen und Marienbilder verweisen. Ein nicht unspannender Rückverweis auf Rons stadtbekanntes Querflötenspiel. Interessanterweise erinnert sein gekonntes Eislaufen auch direkt an Blades of Glory, ein ebenso unterschätzter Film und genauso fucking hilarious wie die Anchor-Männer.

Was den Improvisationsgrad betrifft, können wir—als Filmfans, die selber auch nicht beim Dreh dabei waren, aber ganz gut im genauen Hinschauen sind—nur sagen, dass der Vorwurf höchstwahrscheinlich einfach Bullshit ist. Tatsächlich gibt es in Anchorman 2 mehr als nur eine Handvoll Momente, in denen Will Ferrell und Anhang sich ziemlich eindeutig gegenseitig einen Helge machen und einfach Wörter aneinanderreihen, von denen weder Regie noch das jeweilige Gegenüber wussten, dass sie überhaupt existieren.

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Ja, das höhere Budget macht sich an manchen Stellen bemerkbar (siehe voriger Punkt), aber während die Panorama-Einstellungen sicher seltener sein und die Retro-Ausstattungs-Angebereien kleiner gehalten werden könnten, muss man eigentlich nur die Hochglanz-Oberfläche mit Sex-Panther-Kräften transzendieren, um ziemlich schnell beim selben Schmuddel-Schmäh wie in Teil eins anzukommen.

Punkt 4 - Unser heimischer **Anchorman *Armin Wolf ist auch irgendwie lustig.***

Österreichs Lieblingsmoderator aus Tirol hat uns nicht nur zum Thema WKR-Ball unser erstes eigenes VICE News Video getwittert, sondern beweist auch eine gut nachvollziehbare Spur von Humor mit seinem Burgundy Auftritt vor wenigen Tagen. Gratulation, lieber Armin, du bist schon ein Guter.

Punkt 5 - Es macht Spaß, den historischen Kern und Ursprung des Infotainments mit der feinen Ferrell-Schokolade überzogen zu bekommen.

Der geschichtlich-referenzierende Nukleus von Anchorman 2 ist eigentlich auch aus weiter Entfernung ziemlich gut als leuchtender Plutoniumball im Zentrum tausender, mutierter Improv-Pointen zu erkennen und macht keinen Hehl aus sich selber. Anchorman 2 erzählt—mehr oder weniger—die Gründungsgeschichte von CNN, dem ersten 24-Stunden-News-Sender, der 1980 von Medienmogul, Wrestling-Promoter und Captain Planet-Erfinder Ted Turner (ja, diese Dinge sind alle WAHR) gegründet wurde.

„Mehr", weil der Film eine Huldigung nach der anderen auf den amerikanischen Unternehmergeist darstellt und in jedem seiner Kader die patriotische Boldness der Reagan'schen Scheißdrauf-Economics zelebriert; und „weniger", weil der Film sich eigentlich auf eine private Liebesgeschichte konzentriert, im weiteren auf eine zweite Liebesgeschichte, eine plötzliche Erblindung samt anschließender Genesung und drei Mavericks, die genauso gut republikanische Sex-Berserker aus dem Ku Klux Boy-Klub sein könnten.

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Die echten Eckpfeiler der CNN-Erfolgsgeschichte sind dabei um einiges düsterer, als im Film: Allem voran war das die Explosion der Raumfähre Challenger 1986, die beim Start vor einem Millionenpublikum in die Luft flog. Die erste live übertragene Verfolgungsjagd als Quoten-Doping geht höchstwahrscheinlich auch auf CNNs Kappe, war jedoch nicht ganz der Gamechanger, als der sie in Anchorman 2 Rons Genius zugeschrieben wird.

Aber auch die inzwischen zum Repertoire jedes News-Senders zählenden Tierbeiträge, tragischen Human Interest-Storys und die alltägliche Panikmache, die dem Prinzip verpflichtet ist, dass Menschen auch bei echten Ereignissen tausend Mal lieber Hitchcock'sche Suspense als Super-RTL'sches Lagerfeuer haben (und die in modernem Kabel-News-Programm Gang und Gebe sind), werden Rons Einfluss zugeschrieben und so bekommt auch das Fehlen von professioneller Integrität in den Medien ein nettes schnauzbärtiges Gesicht.

Punkt 6 - Es gibt eine Botschaft (!!!) und einen Fortsetzungs-Teaser

Da wir hier schon ziemlich nah am Spoiler vorbeischrammen und uns bereits kleine Quetschwunden vom körperlich schmerzhaften Unterdrücken unserer Gedanken zum Ende des Films holen, halten wir uns bei diesem letzten Punkt einfach sehr kurz.

Im Wesentlichen geht es darum: Während Teil 1 sich am Ende zu einem befreienden Bullshit-Crescendo hochschaukelt, wo Hunde in Untertiteln über die Welt philosophieren, ist Teil 2 so etwas wie die reifere Familien-Fortsetzung, die in all der Gag-Gewalt immer noch eine ernste Botschaft hat (die wir natürlich nicht verraten, obwohl sie wirklich keine Überraschung ist). Die andere Sache ist, dass Anchorman 2 sehr subtil Anchorman 3 denkbar macht—und zwar anhand einer kleinen Ellipse am Schluss.

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Ich sage nur: Achtet auf den Moment zwischen Bumm und Standing-Ovation. Falls sie die Zeitreise-Storyline rund um Brick weiter ausbauen wollen, wäre hier locker Platz für einen ganzen Film.

Foto von Gemma LaMana/Paramount

Und so viel also dazu. Schaut euch Numero Due des Nachrichtensprechers mit den besten oralen Lockerungssätzen („The human torch was denied a bank loan … The arsonist has oddly shaped feet",) auf jeden Fall an. Unbedingt. Mit Bier und Freunden und gern auch mehr als ein Mal.

Und wenn ihr danach immer noch nicht genug habt, probiert doch mal Wake up Ron Burgundy (2004)—ein vollständiger Feature-Film mit 90 Minuten Länge, der ausschließlich aus Outtakes und nicht verwendeten Szenen aus dem ersten Anchorman besteht.

Wir hoffen, dass dieses Format auch für Teil 2 wiederbelebt wird. Alleine um die ganzen rausgeschnittenen Cameo-Momente zu sehen, würde ich so manchen Sandler stillen. Ein Hoch auf den absurden Witz und die Beliebigkeit!

Josef Zorn auf Twitter: @theZeffo

Markus Lust auf Twitter: @wurstzombie