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So sieht Zivilcourage in Schweden aus

Die menschenverachtende Kampagne einer schwedischen Partei sorgt für Demonstrationen in Stockholm.

Video: svt | Instagram

Ausländerfeindlichkeit wird in den letzten Monaten zu einem großen Teil im Internet diskutiert und bekämpft. Durch Aktionismus und Populismus bekommen rechte Gruppierungen und Parteien aber auch im echten Leben immer mehr Zustimmung. Die schwedische Partei Sverigedemokraterna (Schwedendemokraten) hat in jüngsten Umfragen—ähnlich wie die FPÖ—immer mehr zugelegt. Eine Plattform fanden ihre menschenverachtenden Claims jetzt auf Wahlplakaten in Stockholmer U-Bahn-Stationen.

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Die aktuelle Kampagne der Schwedendemokraten wirbt mit menschenverachtenden Slogans gegen Obdachlose und Entschuldigungen für eine gegenwärtige „Unordnung", die eben diese zu verantworten hätten. Die Schwedendemokraten würden dafür sorgen, besagtes Chaos zu beseitigen. Die Plakate, übersät mit Leberblümchen in den schwedischen Nationalfarben, erregten großes Aufsehen in der Bevölkerung.

Claims, die über einer Rolltreppe zu lesen waren, lasen sich wie folgt: „Sorry about the mess here in Sweden. =( We have a serious problem with forced begging! International gangs profit from people's desperation. Our goverment [sic!] won't do what's needed. But we will! And we're growing at record speed. =) We are the opposition and we promise real change! We are the Sweden democrats! Welcome back to a better Sweden in 2018!"

Vor allem die Rechtschreibfehler und der Gebrauch von Smileys lässt einen den Kopf schütteln. „And we're growing at record speed =)" liest sich beinahe wie eine Drohung. Der Inhalt und die Sprache der Plakate lassen vermuten, dass die Kampagne sich vor allem an Touristen richten soll. Wahrscheinlich soll sich durch die „Entschuldigung" eine Art Schamgefühl bei der schwedischen Bevölkerung einstellen. Stattdessen löst sie einen Aufschrei aus.

Dienstagabend fanden sich rund 1.000 Menschen in der Stockholmer U-Bahn-Station Östermalmstorg ein, um die Plakate demonstrativ abzureißen. Sie hatten sich zuvor via Facebook zusammengefunden. Der schwedischen Ausgabe von The Local gegenüber äußerten sie sich schockiert über die Ausdrucksweise der Schwedendemokraten: „Sie bezeichnen Bettler als ,Unordnung', als würden sie sie wegsäubern wollen." Andere Plakate zeigten schlafende Obdachlose, gekleidet wie Roma, mit dem Slogan „Sweden should do better than this!"—auch sie wurden bereits von Passanten entfernt.

Ein Video der Protestaktion ging schnell viral. Mittlerweile gibt es einige Gegen-Kampagnen der Demonstranten, in denen man sich wiederum entschuldigt—jedoch für die rassistische Partei, die diese lächerlichen Botschaften verbreitet. Die aufkommende Zivilcourage ist ein Silberstreifen am Horizont, ein Aufstehen, ein Lautwerden gegen rechtspopulistische Inhalte, das gerade passiert und das einen kurz nicht mehr daran denken lässt, was mit dieser Welt eigentlich los ist.

Folgt Franz auf Twitter: @FranzLicht