Die Meermänner haben sich vor dem Schwimmbecken aufgereiht
Alle Fotos: Matthiew Foucher
subkultur

Meerjungmänner erzählen, warum sie sich als Arielle so wohlfühlen

Diese Typen schwimmen gegen den Strom und sehen dabei fabelhaft aus.

Geht dir die Diskussion um die Hautfarbe von Arielle auch so auf die Nerven geht? Dann guck dir lieber diese Typen an. Ihnen ist nicht nur egal, welche Hautfarbe eine Meerjungfrau hat – ihnen ist sogar das Geschlecht egal. Denn die Teilnehmer des Mister Triton France 2019 sind stolze Meerjungmänner.

Der Wettbewerb, ins Leben gerufen von Meerjungmann Ludo, ist laut den Veranstaltern womöglich weltweit der erste seiner Art. Zehn Teilnehmer aus Frankreich wetteiferten Ende Juni darum, zum besten Meerjungmann des Landes gekürt zu werden.

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Dafür bewiese sie sich in vier Kategorien: einem Unterwasser-Fotoshooting; einer Schwimm-Performance, bei der die Männer mindestens 25 Meter unter Wasser schwimmen mussten; und zwei Modeshows, eine im Badeoutift und eine im Kostüm – inklusive Schwimmflosse natürlich. Bewertet wurden die Kandidaten von einer vierköpfigen Jury, darunter Ingrid la Sirène, ehemalige Siegerin des Wettbewerbs Miss Mermaid International und heutige Direktorin von Miss Mermaid France. Gewonnen hat Meerjungmann Kewin. Wir haben mit ihm, dem ersten Mister Triton France, den Zweit- und Drittplatzierten Alexandre und Aurélien und mit unserem heimlichen Favoriten Chris gesprochen. Die vier erzählen uns, woher ihre Leidenschaft kommt und warum sie sich in ihren Flossen so wohlfühlen.

Aurélien, dritter Platz, leitet im echten Leben die Fischabteilung einem Laden für Garten- und Haustierbedarf

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Aurélien stammt aus einer ländlichen Gegend mitten in Frankreich, wo er mit seinem Partner lebt. Er arbeitet in einem Laden für Haustier- und Gartenbedarf, wo er passenderweise die Fischabteilung leitet. Schon seit seiner Kindheit liebt er alles, was mit der Unterwasserwelt zu tun hat. Früher war Aurélien ein sehr aktiver Schwimmer, hörte aber damit auf, weil da "nicht genug Fantasie" drinstecke. Dann entdeckte er das sogenannte Mermaiding auf YouTube.

"Ich hatte schon immer ein bisschen Probleme mit meinem Körper", sagt er. "Mermaiding ermöglicht es mir, mich in jemand anderen zu verwandeln, nicht mehr darüber nachzudenken, wie Leute mich sehen, und mich so zu akzeptieren, wie ich bin. Wenn ich unter Wasser bin, nervt mich niemand und ich kann ich selbst sein." Besonders der Fantasy-Aspekt fasziniert ihn, denn so könne er vorübergehend "in einer Parallelwelt zur Welt der Menschen" leben und "die ganze Brutalität dieser Welt" vergessen.

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Mermaiding zu üben, ist gar nicht so leicht. Nur wenige Schwimmbäder erlauben es Aurélien, seine Meerjungmann-Flosse zu tragen. Wann immer er kann, schwimmt er in seiner Heimat im Fluss, manchmal auch vor der Südwestküste Frankreichs, wo ihn die Leute "neugierig und fasziniert" anstarren, sagt er.

Alexandre, zweiter Platz: "Typen sehen den maskulinen Aspekt des Ganzen gar nicht"

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Der 22-jährige Alexandre hat das Mermaiding durch seine Freundin Laurianne entdeckt, die selbst unter dem Namen Princesse Kawaii als Meerjungfrau unterwegs ist.

"Anfangs fand ich es seltsam, aber ich schwimme seit fünf Jahren und liebe es, unter Wasser zu sein", sagt er. "Wenn ich könnte, würde ich die ganze Zeit unter der Oberfläche bleiben. Aber mit Flossen schwimmen unterscheidet sich wirklich stark vom Schwimmen mit Beinen." Alexandre, der beruflich Flugzeugmaler ist, praktiziert das Hobby zwar seit fünf Jahren mit seiner Freundin, aber steht erst seit letztem Jahr öffentlich dazu.

Seit er bekennender Meerjungmann ist, muss er sich bemühen, den Spott zu ignorieren. "Typen sehen den maskulinen Aspekt des Ganzen gar nicht", sagt er. Alexandre zieht allerdings Inspiration aus der griechischen Mythologie: "Ich muss dabei an Poseidon und seinen Sohn denken – es hat auch alles einen kriegerischen Aspekt."

Gegen die Hater ist auch Alexandre ein Krieger. "Meine Kollegen machen sich lustig über mich", sagt er. "Aber das motiviert mich nur, es noch besser zu machen."

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Kewin, Mister Triton 2019, hat sich erst im vergangenen Jahr seine Triton-Flosse gekauft

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Der amtierende Mister Triton hat das Mermaiding erst vor einem Jahr entdeckt. "Ich bin viele Jahre geschwommen, und das hier war eine gute Gelegenheit, wieder damit anzufangen", sagt Kewin. Jetzt trainiert er einmal die Woche mit einer einfachen Monoflosse in einem Schwimmbecken. Bei gutem Wetter geht er manchmal im Meer schwimmen, wo auch schon mal seine kleine Tochter dabei ist – aber Mermaiding ist noch nichts für die Kleine.

"Als ich Ludos Profil fand und sah, dass er diesen Wettbewerb organisiert, habe ich lange überlegt, ob ich teilnehmen soll", sagt Kewin. "Zuerst habe ich mir Ende letzten Jahres die Triton-Flosse gekauft. Erst danach habe ich entschieden mitzumachen."

Offensichtlich war das eine gute Entscheidung. Seine Siegerrunde durfte Kewin nach dem Contest auf der La Mer XXL drehen, einer der größten Meeresausstellungen, die Frankreich zu bieten hat. Dort schwamm er in einem riesigen Wassertank umher, die goldene Mister-Triton-Krone auf dem Kopf.

Chris, unser heimlicher Favorit: "Für mich gehört es zum Alltag, dass Leute starren"

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Chris feiert am Tag des Wettbewerbs seinen 30. Geburtstag. Er ist seit acht Jahren Cosplayer, zum Mermaiding fand er erst vor drei Jahren bei einem Foto-Shooting, das eine Freundin organisiert hatte. "Ich liebe schon immer Mythenwesen, vor allem Meerjungfrauen", sagt er. "Nach dem ersten Fotoshooting war ich ganz verzaubert."

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Im Alltag ist Chris leitender Kassierer bei einer Supermarktkette, aber nebenher betreibt er eine Firma, die Flossen und Accessoires für Meerjungmenschen verkauft. Er übt Mermaiding in einem Teich in der Nähe seiner Wohnung in Orléans. Der Sport gebe ihm ein Gefühl von Freiheit, so Chris. "Wenn ich im Wasser bin, dann wird alles ganz still und um mich herum gibt es sonst nichts."

Chris ist überzeugt, dass mehr Männer mitmachen würden, wenn Meermenschen nicht allgemein als weibliche Kreaturen gelten würden. "Männer schleppen viele Erwartungen mit sich herum, die mit t zu tun haben", sagt er. "Meine Eltern haben mich mit 20 aus dem Haus geworfen, weil ich schwul bin. Wenn du so was durchgemacht hast, fällt es dir leichter, diese Geschlechterrollen abzulehnen."

Mit seinem langen, dunkelroten Haar ist Chris es längst gewohnt, angefeindet zu werden, vor allem in der Arbeit: "Für mich gehört es zum Alltag, dass Leute starren. Früher habe ich mich noch aktiver gegen Homofeindlichkeit eingesetzt, aber das hat mich irgendwann zu sehr ausgelaugt."

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