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Paragraph 219a

So verschwendet Jens Spahn fünf Millionen Euro

Mit seiner neuen Studie will der Gesundheitsminister auf die seelischen Folgen einer Abtreibung aufmerksam machen. Dabei gibt es längst genug Untersuchungen – mit zehntausenden Teilnehmerinnen.
Jens Spahn und Geldscheine
Collage bestehend aus: Spahn: imago | Reichwein || Geld: imago | Panthermedia

Die Lockerung des Werbeverbots von Abtreibungen sollte ein weiterer Schritt in Richtung einer Gesellschaft sein, die Abtreibungen nicht mehr tabuisiert. In der sich Frauen nicht mehr rechtfertigen müssen und Ärzte nicht mehr als Massenmörder bezeichnet werden. Ärztinnen dürfen demnach angeben, dass sie Abtreibungen durchführen. Sie dürfen aber weiterhin nicht über Details aufklären, etwa darüber, welche medizinische Eingriffe sie für den Abbruch nutzen.

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Für Pro-Choice-Befürworter war die Lockerung aber nur ein schlechter Kompromiss. Nachdem also die SPD nicht durchsetzen konnte, dass der Paragraph zum Werbeverbot komplett entfällt, soll der konservative CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn jetzt fünf Millionen Euro für eine Studie bekommen, die die möglichen "seelischen Folgen" von Abtreibungen untersucht.


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Es ist aber nicht nur umstritten, dass ein solches Syndrom überhaupt gibt, es wurden auch schon genug Studien durchgeführt, die das komplette Gegenteil beweisen – worauf etwa die Twitter-Nutzerin Diana Krebs hinweist. Wir haben die wichtigsten Studien für euch aufgelistet, damit das Gesundheitsministerium um Jens Spahn die eingeplanten Millionen sparen kann und dafür vielleicht lieber ein paar Hebammen beschäftigt.

  • Eine US-Studie aus dem Jahr 2015 begleitete 667 Frauen, die eine Abtreibung durchführen ließen, über einen Zeitraum von drei Jahren. Die Forscher befragten die Frauen, ob sie die Entscheidung bereuten. Das Ergebnis: Direkt nach dem Eingriff und auch drei Jahre danach gaben 95 Prozent der Frauen an, dass es für sie die richtige Entscheidung war und sie sie nicht bereuen. Nur eine von 20 fühlte sich "traurig" und "wütend". Einige der Frauen, die den Eingriff nicht bereuten, gaben zwar an, direkt nach der Abtreibung negative Gefühle gehabt zu haben, aber hauptsächlich, weil sie Angst vor der Reaktion von Bekannten und Familienmitgliedern hatten.
  • Das Global Doctors of Choice Network trägt in einem Positionspapier von 2011 mehrere Untersuchungsergebnisse über Folgen einer ungewollten Schwangerschaft zusammen. Die dargestellten Studien, in denen fast 50.000 Frauen aus Australien, Litauen, China, USA und im Iran befragt wurden, kamen alle zum gleichen Ergebnis: Das Risiko von Depressionen während und nach einer Schwangerschaft steigt bei einer ungewollten Schwangerschaft stark an. Eine Abtreibung erhöht das Risiko psychischer Erkrankungen dagegen nicht.
  • Im vergangenen Jahr veröffentlichte die American Public Health Association eine Studie, die Folgen einer abgebrochenen Schwangerschaft mit den Folgen einer verweigerten Abtreibung verglich. 813 Frauen wurden über Telefoninterviews im Zeitraum von fünf Jahren befragt. Das Ergebnis: Frauen, denen eine Abtreibung verweigert wurde, haben häufiger finanzielle Probleme als Frauen, die abgetrieben haben, weil sie beispielsweise wegen des Kindes nicht mehr Vollzeit arbeiten können. Viele Frauen hatten sogar fünf Jahre nach der Geburt des Kindes mit Armut zu kämpfen.
  • Schon in den Sechzigerjahren begleitete in Schweden ein Psychiater und Sozialarbeiter 54 Kinder, die geboren wurden, nachdem man der Mutter eine Abtreibung verweigerte. Psychische Probleme und Kriminalität, wie beispielsweise Alkohol am Steuer, stellte er bei diesen Kindern fast doppelt so häufig fest wie bei Kindern aus einer geplanten Schwangerschaft.
  • Eine weitere schwedische Studie stellte bei der Hälfte von 249 Frauen, denen eine Abtreibung verweigert wurde, starke psychische Probleme wie Depressionen fest.
  • 1975 fanden Forscher in Prag bei Untersuchungen heraus, dass Kinder nach einer verweigerten Abtreibung oft benachteiligt waren. Ihre emotionalen Bedürfnisse konnten nicht erfüllt werden, sodass sie häufig Probleme in der Schule bekamen. Die Probleme bestanden häufig noch bis ins Erwachsenenalter.
  • Bei einer Studie in San Francisco aus dem Jahr 2012 stellten Forscher fest, dass Frauen, denen eine Abtreibung verweigert wurde, häufiger Sozialhilfe in Anspruch nehmen mussten. Frauen, die abgetrieben hatten, hatten weniger finanzielle Probleme.

Anstatt also fünf Millionen Euro zu verbraten, sollte sich Herr Spahn lieber mit bestehenden Studien auseinandersetzen – deren Ergebnisse zeigen, dass negative Folgen einer Schwangerschaft vor allem eine gemeinsame Ursache haben: dass Frauen sie nicht selbstbestimmt beenden konnten.

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