maskierte Zollbeamte stehen hinter einem Berg Heroin
Vier Männer der Observationseinheit Zoll bewachen ihren größten Heroinfund der letzten Jahre || Alle Fotos wenn nicht anders angezeigt: Viktoria Grünwald

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Drogen

Wir waren beim Zoll, um 60 Kilo Heroin zu bestaunen

"Das war ein Zufallsfund", sagt der Beamte. "Aber manchmal ist das Glück eben mit den Richtigen!"

Es sieht fast harmlos aus, wie es da wie eingeschweißter Leberkäse auf dem Tisch liegt. Stapelweise Heroin. Weniger harmlos wirken dagegen die maskierten Beamten einer Zoll-Spezialeinheit, die dahinter stehen und sehr, sehr ernst gucken. An den Einsatzhandschuhen eines der Männer ist nur der rechte Abzugfinger nicht von Stoff bedeckt. Praktisch.

Hier in einem Zoll-Gebäude im Norden Berlins sind die reglosen Männer keine Deko für die Pressekonferenz, die gleich stattfinden soll. Sie stehen hier weil wirklich verdammt viel Heroin auf dem Tisch liegt, um den wir Journalisten stehen und warten, als würden wir uns gleich am Hotelbuffet ein Lunchpaket mitnehmen. "Was sehen Sie dahinten?", fragt Sven Brenner, Leiter des Hauptzollamts Frankfurt (Oder), die anwesenden Journalisten. "60 Kilo sehr reines Heroin." Wie rein, könne er noch nicht sagen, es sei aber nicht gestreckt. Wenn man das Zeug strecken würde, sagt er, läge der Verkaufspreis auf der Straße ungefähr bei 7 Millionen Euro.

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Es ist der größte Heroinfund, den das Hauptzollamt Frankfurt (Oder) seit Beginn der Nullerjahre gemacht hat. Und er kam auf einem ungewöhnlichen Weg ins Land. Meistens kommt Heroin über die Balkanroute nach Österreich und schließlich nach Deutschland. Das hier kam aber über Polen; eine Route, auf der die Fahnder sonst vor allem Zigarettenschmuggler aufgreifen.

60 Kilo Heroin unterm Rücksitz

Dass sie das Heroin entdeckten, war dann auch erstmal Zufall. Am 22. Januar um 1 Uhr morgens zogen die Fahnder auf der A11 an einer Raststätte einen Geländewagen raus. Es war eine verdachtsunabhängige Kontrolle. Der Fahrer, ein 63-jähriger Grieche mit polnischen Wurzeln, war von Polen aus unterwegs in die Niederlande. "Eine seltsame Reiseroute", sagt Sven Brenner. Zu verzollen hatte der 63-Jährige Fahrer auf den ersten Blick aber nichts, auch im Gepäck fanden die Beamten nichts Verdächtiges. Eine von vielen Kontrollen, bei denen nichts weiter passiert. Bis einer der Beamten unter den Bodenteppich schaute und das Paketband sah.

Zoll Heroin

Die Fahnder von Zoll und Bundespolizei fanden das Heroin im Boden des Fahrzeugs | Foto: Hauptzollamt Frankfurt (Oder)

Das Tape sollte den Zugang zu mehreren Hohlräumen verstecken. "Sandwichboden", heißt sowas in Autobauersprache, und der werde oft als Versteck benutzt, sagt einer der Beamten. Darin lag, was Brenner die "Früchte unserer erfolgreichen Arbeit" nennt. Im Boden unter der hinteren Sitzbank hatte jemand das Dämm-Material durch Heroinpakete ersetzt.

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Die Fahndungsgruppe aus Zoll und Bundespolizei nahm den Fahrer vorläufig fest. Er war wohl nicht der einzige, der an diesem Tag ein bisschen die Schultern hängen ließ. "Gehen Sie davon aus, dass dieser Transport nicht unbegleitet erfolgt ist", sagt Siegmund Poloczek, vom Zoll Frankfurt (Oder). Wenn jemand so viel Heroin durch die Gegend fahre, seien bis zu drei Begleitfahrzeuge dabei. "Ich glaube, dass der Empfänger schon Bescheid wusste, nachdem dem Herren die Weiterreise nicht mehr gewährt worden ist."

Heroin

Das Heroin hat einen geschätzten Straßenverkaufswert von 7 Millionen Euro

Einen Trend könne man aus dem Fund aber nicht ablesen, weil der Zoll nur ab und zu kontrolliert. "Ja, das war ein Zufallsfund, aber manchmal ist das Glück eben mit den Richtigen", sagt Sven Brenner. Und Siegmund Poloczek ergänzt: "Schmuggelbekämpfung ist das berüchtigte Katz- und Maus-Spiel. Diesmal waren wir Katze." Dazu lächelt Frank Walter Steinmeier zufrieden von einem Porträt an der Wand.

Das ideale Auto um Heroin zu schmuggeln

Jetzt wollen wir Journalisten natürlich alles wissen. Zum Beispiel, welches Auto Heroin-Schmuggler fahren. Als ein Beamter die Marke nennt – Land Rover – wiederholen einige anwesende Journalistinnen und Journalisten leise den Namen, als habe der Mann vom Zoll "Lamborghini" gesagt. Wahrscheinlich denken gerade alle daran, dass man in einem Land Rover normalerweise Biojoghurt durch den Prenzlauer Berg transportiert, nicht Heroin durch Brandenburg. In diese tiefschürfenden Überlegungen hinein erklärt Mario Ledwig, Leiter der Bundespolizeidirektion Angermünde, warum die Fahrzeugwahl wirklich ein interessantes Detail ist.

An dem ganzen Fall könne man sehen, wie viel Gedanken sich die Schmuggler gemacht hätten. Das Auto sei ein älteres Modell. Da würde die Polizei den Fahrer schon mal nicht wegen Autodiebstahls verdächtigen, sagt Ledwig. Außerdem sei ein 63-Jähriger weniger auffällig als ein junger Mann, der in einer Luxuskarosse sitze.

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Auf vielen Paketen war das Logo eines Vogels und die Zahl 213 abgedruckt

Auf einigen Heroinpaketen fand sich dieses Logo

Eine Frage bleibt aber offen. Schon als die Beamten die Pakete aus dem Auto zogen, waren einige mit einem Logo markiert: Einem Adler und der Zahl 213. Auf der Pressekonferenz will sich der Zoll dazu noch nicht äußern. Also spekulieren wir eben. Das erste was einer Kollegin in der Redaktion später einfällt, ist der Paragraf 213 im Strafgesetzbuch der DDR – illegaler Grenzübertritt in die BRD. Wäre ein lustiger Insidergag unter Heroindealern und Stasi-Rentnern, ist aber wahrscheinlich Quatsch. Dann meldet sich die Art-Direktorin. Ein Reichsadler könne es nicht sein, dafür guckt er in die falsche Richtung. Der Adler auf dem polnischen Wappen guckt zwar wie der Heroin-Gockel nach Links, so richtig passe es aber auch nicht. Als ein dritter Kollege, ehemaliger Musikjournalist, anmerkt, dass die Beatles 213 Songs haben, sind wir endgültig an der Stelle im Text angekommen, um von unseren Verschwörungstheorien zur Pressekonferenz zurückzukehren.

"Was passiert jetzt mit dem Stoff?", fragt ein Journalist. "Den nehmen wir", sagt Brenner, lacht und dann – als der ganze Raum mitlacht – sagt er: "Nein, der wird vernichtet".

Heroin

Das Heroin wird bis zu seiner Vernichtung an einem geheimen Ort eingelagert

Kurz ist noch Zeit, ein paar Fotos von den Heroinpaketen zu machen, "hat was von Katastrophentourismus", sagt eine Journalistin. Wer jetzt noch gehofft hat, ein Selfie mit den maskierten Beamten knipsen zu können, wird enttäuscht. Sehr hastig, innerhalb von zwei Minuten packen die Männer der Observationseinheit Zoll das Heroin in zwei Alukisten, tragen es aus dem Raum in ein bereitstehendes Fahrzeug, um es an einen Ort zu bringen, an dem es geschützt ist. Geschützt vor neugierigen Journalisten. Und den Kumpels des griechischen Heroin-Schmuggler mit dem Land Rover.

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