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rechte Gewalt

Eine rechtsextreme Gruppe soll in Berlin-Neukölln über 160 Straftaten begangen haben

Angreifer setzten Autos von Aktivisten und Politikern in Brand und schmierten "Rote Drecksau!" auf Häuserfassaden.
Auch der Brandanschlag im Februar 2017 gehört zu den Taten der Rechtsextremen Foto: imago | Olaf Wagner

Fast die Hälfte der Bewohner Neuköllns hat eine Migrationsgeschichte, die SPD holte bei den Bezirkswahlen 2016 mal wieder die meisten Stimmen. Neukölln ist das Realität gewordene Feindbild vieler Rechtsextremer – und genau das soll sich eine Gruppierung aus dem Süden des Bezirks allerdings zum Ziel gemacht haben. In einer noch unveröffentlichten Antwort auf eine Anfrage der Linken verzeichnet die Senatsinnenverwaltung 164 politisch motivierte Straftaten in Neukölln zwischen Januar 2016 und Juli 2017. Die Liste liegt VICE vor.

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Beim Großteil der Vergehen handelt es sich um Beleidigungen und Propagandadelikte, aber auch Sachbeschädigung und Brandanschläge gehen auf das Konto der Täter. Zu den laufenden Ermittlungen wollte sich die Senatsinnenverwaltung nicht äußern – Festnahmen im Zusammenhang mit den Taten hat es in den letzten Monaten allerdings keine gegeben. In Ermittlerkreisen ginge man allerdings davon aus, dass die Angriffe von einer einzelnen Gruppe begangen wurden, so der Tagesspiegel.

Immer wieder waren in Neukölln Autos von Aktivisten und Politikern in Brand gesetzt worden, auf Hausfassaden und in Hauseingänge schrieben die Täter "Rote Drecksau". Die Handschrift sei immer die gleiche. Auch auf ein linkes Kollektivcafé gab es im Dezember 2016 einen Brandanschlag, in derselben Nacht wurde ein Buchladen angegriffen, der sich in der Initiative "Neuköllner Buchläden gegen Rechtspopulismus und Rassismus" engagierte.

Die rechte Gruppe "Freie Kräfte Neukölln" hatte schon im September zu Gewalt aufgerufen

Dass die Taten einen politischen Hintergrund haben, ist offensichtlich. Erst im September 2016 hatte die rechtsradikale Gruppe "Freie Kräfte Neukölln" eine Liste mit den Namen und Adressen politischer Gegner und Einrichtungen veröffentlicht und zu Gewalt aufgerufen: "Für alle anderen, die keine Zeit haben, aber ihre Wut bei den Volksverrätern mal rauslassen wollen." Trotzdem soll es in den vergangenen Monaten keine Festnahmen gegeben haben.


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Die Senatsinnenverwaltung sagt, es lägen derzeit keine Erkenntnisse über die Existenz rechtsterroristischer Strukturen in Berlin vor. Weder Menschen noch die Regierung seien direkte Ziele der Straftaten gewesen. Um juristisch von "Terrorismus" zu sprechen, müssten die Täter mit ihren Gewaltaktionen gesellschaftspolitische Veränderungen erzielen wollen. Weil es keine Bekenner gibt, will die Senatsverwaltung die Taten auch nicht als "politischen Terror" beschreiben. Das geht aus der Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage der Linken hervor.

Als Reaktion auf den Anstieg der Gewalt richtete der Berliner Innensenator Andreas Geisel im Januar die Ermittlungsgruppe "Rechtsextremistische Straftaten in Neukölln" ein, seit März ermittelt sie wieder. Davor gab es die 2007 gegründete "Ermittlungsgruppe Rechtsextremismus". Diese wurde im Juli 2016 eingestellt, nachdem "rechtsextremistische Straftaten nur noch einzeln verübt" wurden. Das antwortete die Senatsverwaltung für Inneres und Sport auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen. Nachdem Rechte nun offensichtlich doch wieder im Bezirk aktiv sind, stimmten die Abgeordneten der Bezirksverordnetenversammlung dafür, die Ermittlungsgruppe erneut einzusetzen. Alle außer CDU und AfD.

Seit Februar sind die aus Neukölln bekannten Schriftzüge nun auch in Berlin-Wedding aufgetaucht. Die Senatsinnenverwaltung geht davon aus, dass es sich um dieselben Täter handelt.

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