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Drogen

Ein bayerisches Gericht verurteilt eine 72-jährige Cannabis-Dealerin

Ihre Dealer-Aktivitäten waren allerdings eher rührend.
Symbolfoto || Cannabis: imago | Scienece Photo Library || Hände: imago | Schöning

Es war sicher keiner dieser Tage, an denen Staatsanwälten und Richtern Glückstränen auf die Talare kullern, weil sie die Straßen wieder sicherer gemacht haben: Ende März hat das Amtsgericht München eine 72-jährige Rentnerin zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil sie Cannabis verkauft hatte. Von "unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" sprach das Gericht in seiner jetzt veröffentlichten Pressemitteilung unter der Überschrift "Omas Appetitrezept".

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Ab Juni 2016 soll sie für etwas mehr als ein Jahr in mindestens 24 Fällen jeweils ein Gramm Gras verkauft haben – was dann schon etwas weniger dramatisch klingt. In Berlin werden Verfahren selbst dann noch regelmäßig eingestellt, wenn jemand die Hälfte davon in der Hosentasche herumträgt. Dass die Bayern härter durchgreifen, ist bekannt, außerdem ging es hier nicht nur um Eigenbedarf. Im Haus der Frau fand die Polizei insgesamt 264 Gramm Gras und Haschisch. Ein Drittel habe sie verkaufen wollen, der Rest sei für sie bestimmt gewesen, sagte die Frau vor Gericht: Sie habe ihre Appetitlosigkeit und ihre ständige Gewichtsabnahme täglich mit ein bis zwei Gramm therapiert. Das Gericht verurteilte sie zu einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung sowie einer Geldstrafe von 2.000 Euro.


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Reich wurde die Frau mit ihrem Nebenerwerb nicht. Sie selbst habe das Cannabis für 10 Euro pro Gramm gekauft und es für 15 Euro weitergegeben. Macht bei 24 Gramm einen Gewinn von 120 Euro – oder dem Gegenwert von einmal Oktoberfest mit allem.

Ein Kunde hatte die Rentnerin verraten

Die illegale private Altersvorsorge der Münchnerin war aufgeflogen, als die Polizei an einem nicht näher genannten Flughafen einen ihrer Kunden festgenommen hatte. Womöglich war es sogar ihr einziger Kunde. Der Mann hatte angegeben, ein Jahr lang ein- bis zweimal im Monat jeweils ein Gramm Cannabis von einer älteren Dame gekauft zu haben. Wenn die Mengen in allen Aussagen stimmen, bliebe nicht mehr viel für andere Käufer übrig.

Das Urteil wäre wohl noch härter ausgefallen, wenn die Richterin nicht einige mildernde Umstände gesehen hätte. Für die Frau habe nicht nur gesprochen, dass sie den Großteil des Cannabis selbst konsumieren wollte, sondern auch "… dass sie geständig war [und] es sich bei dem Marihuana um eine sogenannte weiche Droge handelt, die zum großen Teil sichergestellt werden konnte", so die Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Auch das hohe Alter der Angeklagten und ihr unbeschriebenes Vorstrafenregister berücksichtige das Gericht.

Weil sich viele gesundheitliche Probleme mit Cannabis lindern lassen, entdecken immer mehr ältere Patienten die Droge als Medizin. Zwar gibt es Cannabis seit März 2017 auch von der Apotheke, doch nicht jeder bekommt ein Rezept. Manchen entscheiden sich dann, illegal anzubauen – so wie ein Rentner, der 2013 aufflog. Die 89 Pflanzen im Keller seines Berliner Einfamilienhauses liefen allerdings nicht mehr unter Eigenbedarf zur Selbsttherapie. Der Mann musste für vier Jahre ins Gefängnis.

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