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Verbrechen

Der "Butterbrot-Mörder" von Bielefeld ist vielleicht Deutschlands unheimlichster Serienmörder

Über Jahre soll ein Schlosser seine Kollegen heimlich vergiftet haben – nur um sie leiden zu sehen.
Ein verschimmeltes Butterbrot in einer Tupperdose
Foto: imago | imagebroker

"Ich wusste nichts von ihm", sagt Werkzeugmacher Udo über den Mann, der ihn vielleicht umbringen wollte. "Er blieb immer für sich, sprach nicht und hatte keine Freunde". Das war so und das blieb so – während der gesamten 30 Jahre, die die beiden Männer nebeneinander in der Werkzeugbau-Abteilung einer Armaturenfirma in Ostwestfalen arbeiteten.

"Ich hatte mit Klaus kein Problem und habe akzeptiert, dass er keine Kontakte wollte", erzählte Udo B. der Bild im Juni. "Streit gab es nie."

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Trotzdem sitzt sein Kollege Klaus O. seit Donnerstag vor Gericht – weil er versucht haben soll, Udo B. heimlich umzubringen. Langsam, über Monate, mit giftigen Schwermetallen, die er ihm aufs Pausenbrot streute. Und B. soll nicht sein einziges Opfer sein.


Auch auf VICE: Falsch wegen Mordes verurteilt


Im Prozess, der am Donnerstag vor dem Landgericht Bielefeld beginnt, wird Klaus O. des versuchten Mordes in drei Fällen beschuldigt. Aktuell ziehen die Ermittler aber auch eine noch schlimmere Möglichkeit in Erwägung: dass Klaus O. über mehrere Jahre zahlreiche seiner Arbeitskollegen heimlich vergiftet hat. Sie untersuchen deshalb gerade die Todesursachen von 21 ehemaligen Mitarbeitern, teilweise werden deren Leichen dafür exhumiert.

Zuerst glaubten alle an einen Streich

Aufgeflogen ist der 57-jährige Schlosser, als ein 26-jähriger Kollege im Mai ein verdächtiges Pulver auf seinem Pausenbrot bemerkte und damit sofort zu seinem Vorgesetzten ging. Die Geschäftsführung hielt das für einen Scherz – bis die Vorgesetzten das Pulver als hochgiftiges Bleiacetat identifizierte.

Dann ging alles sehr schnell: Das herbeigerufene LKA entschied, eine Kamera im Pausenraum der Werkstatt aufzuhängen. Knapp eine Woche später filmte die Kamera Klaus O., wie er sich wieder am Pausenbrot desselben Kollegen zu schaffen machte. Die Ermittler verhafteten ihn noch am selben Tag. Bei der Durchsuchung seines Hauses fanden sie ein ganzes Labor, in dem der Schlosser giftige Substanzen wie Quecksilber, Blei und Kadmium offenbar selbst zusammen mischte.

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Ist Klaus O. ein Serienmörder?

Die Polizei begann zu ermitteln und plötzlich stand die Frage im Raum, ob Klaus O. für eine ganze Reihe von schweren Erkrankungen unter Angestellten der Firma verantwortlich war, die die Behörden vor ein Rätsel gestellt hatten.

So liegt Nick N. seit mehr als einem Jahr im Koma. Vor zwei Jahren hatte der 30-Jährige eine schwere Quecksilbervergiftung erlitten. Das Verblüffende an dem Fall: In der Armaturenfabrik wird gar kein Quecksilber eingesetzt.

Und dann war da eben noch der Fall von Udo B., dessen Nieren im April plötzlich versagten. Seitdem muss B. dreimal in der Woche sechs Stunden zur Dialyse. "Ärzte konnten nicht erklären, warum ich so krank wurde", sagte er damals zur Bild. Möglicherweise beantwortet diese Frage jetzt der Prozess.

Nachbarn beschreiben ihn als verbittert

Warum Klaus O. seine Kollegen über Jahre mutmaßlich vergiftete, weiß bis heute niemand. Der Angeklagte selber schweigt. Das Wenige, was Reporter bisher über den Familienvater zusammentragen konnten, gibt wenig Aufschluss über seine Motive – auch wenn man einen Eindruck von einem isolierten, unangenehmen Mann bekommt.

"Freunde hatte der nicht, der hat sich mit seiner Familie abgesondert", erzählte eine ältere Nachbarin dem Westfalen-Blatt. Eine andere Nachbarin erinnert sich, wie sie O. einmal gebeten hatte, seine Hecke zu schneiden, worauf er sie "beschimpft und bedroht" habe – und am nächsten Tag, berichtet sie, habe sie Nägel in ihrem Garten gefunden. "Es ist nicht gerade angenehm, neben so einem verbitterten Menschen zu leben."

Laut der Anklageschrift soll es ihm bei den Giftanschlägen "auch darum gegangen sein, zu sehen, wie seine Kollegen vor seinen Augen langsam an körperlichen Wohlbefinden einbüßen und aufgrund der Art der Vergiftung Schmerzen und Qualen erleiden würden."

Bei Udo B. hat das funktioniert. Seit seinem Nierenversagen kann der 56-Jährige nie mehr als einen Liter Flüssigkeit am Tag zu sich nehmen, ohne schwere Krämpfe zu bekommen. Niemand kann ihm sagen, ob er jemals wieder gesund wird.

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