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Wiederbelebungsmaßnahmen

Frauen mit Herzstillstand wird seltener geholfen als Männern

Studien zeigen, dass Männer bei Wiederbelebungsmaßnahmen teils wohl Angst haben, sexuellen Missbrauch vorgeworfen zu bekommen.
herzinfarkt
Frau: Pixabay || Defibrillator: imago | CHROMOORANGE || Collage: VICE

Wenn dein Herz aufhört zu pumpen, kommt es zum Kreislaufstillstand. Weder Gehirn noch Organe können mit Blut versorgt werden. Nach wenigen Sekunden bist du nicht mehr ansprechbar, nach zehn Sekunden verlierst du das Bewusstsein und mit jeder Minute sinkt deine Chance, wiederbelebt zu werden, um zehn Prozent. In so einer Notsituation können Menschen durch eine Herzdruckmassage dein Leben retten. Doch wenn du eine Frau bist, ist es unwahrscheinlicher, dass dir jemand hilft.

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Zu dieser Erkenntnis kommen zwei Studien von Medizinern und Medizinerinnen der University of Colorado aus Denver. "Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass Frauen, die außerhalb des Krankenhauses einen Herzstillstand erleiden, seltener eine Reanimation erhalten als Männer", sagte Sarah M. Perman, die führende Wissenschaftlerin der Studie.

Bereits 2017 veröffentlichten Wissenschaftler der University of Pennsylvania eine Studie, wonach 45 Prozent der Männer (aber nur 39 Prozent der Frauen) eine Herz-Lungen-Wiederbelebung nach einem Herzstillstand erhielten. Insgesamt war die Überlebenschance bei Männern demnach um 23 Prozent höher.


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Perman und ihr Team gingen einen Schritt weiter, sie baten 54 Personen, online zu erklären, warum Frauen bei einem Herzstillstand in der Öffentlichkeit seltener reanimiert werden. In den Antworten identifizierten sie vier Begründungsmuster:

  • Die Angst vor unangebrachter Berührung und Vorwürfen des sexuellem Missbrauchs
  • Die Angst vor Körperverletzung
  • Die Wahrnehmung, dass Frauen kleinere Beschwerden dramatisieren oder gar einen Herzstillstand vortäuschen würden
  • Der Glaube, dass Brüste wiederbelebende Maßnahmen erschweren würden

Dass sie Angst hätten, wegen sexueller Übergriffe oder unangemessener Berührungen angeschuldigt zu werden, wurde von Männern doppelt so oft genannt wie von Frauen. Frauen gaben wiederum häufiger an, Angst zu haben, jemanden zu verletzen.

In einer zweiten Studie wurden 75 Personen mit Hilfe von Virtual Reality in Situationen versetzt, in denen sie Menschen mit Herzstillstand helfen sollten. Die Wissenschaftler baten die Testpersonen, so zu reagieren, als ob ein echter Notfall passieren würde. Das fiktive VR-Szenario: eine geschäftige Stadt, in der ein Fußgänger zusammenbricht. Auch hier zeigten die Ergebnisse, dass die Teilnehmer seltener Wiederbelebungsmaßnahmen bei Frauen durchführten als bei Männern.

Jährlich sterben schätzungsweise 60.000 bis 100.000 Menschen in Deutschland durch einen Herzstillstand, er gilt damit als eine der häufigsten Todesursachen. Diese kleinen Studien zeigen mögliche Hindernisse auf, warum Menschen – und vor allem Frauen – im Notfall teilweise keine Hilfe erhalten. Auch deshalb sagt Perman: "Auch wenn es sich um tatsächliche Ängste handelt, ist es wichtig zu wissen, dass Wiederbelebungsmaßnahmen lebensrettend sind." Die Maßnahmen sollten bei allen zusammengebrochenen Menschen angewendet werden, ungeachtet ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft.

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