Russischer TV-Sender findet "Hitlers Enkel"
Screenshot NTV

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Nazis

Russischer TV-Sender findet "Hitlers Enkel"

Ein DNA-Test soll Gewissheit bringen, aber gewiss ist hier gar nichts.

Es ist schon eine Krux mit den Nazis. So sicher und wissenschaftlich unschlagbar ihre Verbrechen bewiesen sind, so oft ranken sich Theorien um sie, vor allem natürlich um Adolf Hitler. Mal ist er im U-Boot nach Argentinien abgehauen, mal hat er dank plastischer Chirurgie sein Aussehen verändert, um unerkannt in Europa zu leben. Jetzt will ein russischer TV-Sender einen Enkel Hitlers gefunden haben – und damit beweisen, dass der Diktator einen Sohn gezeugt hat. Es wäre eine Sensation.

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Offiziell hatte Hitler keine Kinder. Und inoffiziell drehen sich viele Hitler-Theorien darum, dass er impotent oder zeugungsunfähig war, vielleicht auch einen Micropenis hatte und wahrscheinlich nur einen Hoden. Die Sache mit dem Hoden war übrigens lange eine Verschwörungstheorie, dann aber tauchten Unterlagen eines Gefängnis-Arztes auf, sodass sie mittlerweile als beinahe bestätigt gilt.


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"Im Schlafzimmer von Philippe Loret steht, auf dem sichtbarsten Platz, ein Porträt von Adolf Hitler." So schreibt und sendet es der russische Sender NTV. Philippe Loret soll der Enkel Hitlers sein. Sein 1985 gestorbener Vater Jean-Marie wäre demnach dessen unehelicher Sohn.

In der TV-Reportage präsentiert Philippe Loret Nazi-Devotionalien – Münzen, eine Büste, Urkunden – und seine Überzeugung, vom "Führer" abzustammen. Tatsächlich sieht er mit seinem Bärtchen ein bisschen aus wie eine ältere, gutmütige Märchenonkel-Version des Nazi-Diktators.

Nun weiß aber auch das russische Fernsehen, dass ein Hitler-Bild im Schlafzimmer sowie ein Schnauzbart höchstens ausreichen, um jemandem eine verquere politische Einstellung nachzuweisen. Daher soll Philippe Lorets DNA jetzt mit der von Hitler verglichen werden, er selbst ist dazu bereit. In russischen Geheimdienst-Archiven liegen Teile eines Schädels und Zähne, die zu Hitlers Überresten gehören sollen. Sie würden einen DNA-Vergleich ermöglichen.

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Gänzlich neu ist die Legende von einem französischen Sohn Hitlers nicht. Schon der umstrittene Geschichtsforscher Werner Maser vertrat diese Theorie in den 70er Jahren in einem Buch. Hitler soll während des Ersten Weltkriegs in Nordfrankreich eine Affäre gehabt gehabt haben und Jean-Marie Loret soll aus dieser Liaison hervorgegangen sein. Experten halten dagegen, dass der damals 18-jährige Hitler sich zur fraglichen Zeit nicht im gleichen Ort aufgehalten hat wie die Mutter von Jean-Marie.

Auch Archive können lügen

Es wäre aber auch keine wirkliche Krux mit den Nazis, wenn selbst eine so sichere wissenschaftliche Methode wie ein DNA-Test nicht trotzdem viele Fragen offen lassen würde – und das, bereits vor der Veröffentlichung des Ergebnisses. Denn zumindest bei einem Teil von Hitlers Überresten in den russischen Archiven gilt es als sehr zweifelhaft, ob von Hitlers stammen. So behauptet ein US-Experte, der die Schädelteile untersuchen durfte, dass diese von einer Frau stammen.

Bei den Zähnen könnte es sich wohl wirklich um die von Hitler handeln, aber bewiesen ist auch das nicht. Und sowieso hat der deutsche Kriminalbiologe Mark Benecke, der ebenfalls einmal Hitlers Überreste untersuchen durfte, einen schlampigen Umgang der Russen mit ihren Archiven festgestellt, sodass eventuelle Proben verunreinigt sein könnten.

Nicht gerade zur Vertrauensbildung trägt überdies bei, dass der Sender NTV, wie alle großen russischen TV-Kanäle, zumindest indirekt vom Staat kontrolliert wird. Der Ton der Reportagen ist entweder krawallig – oder rührselig. So schreibt NTV über Philippe Loret: "Tief in seinem Inneren weiß er auch ohne irgendwelche Untersuchungen, dass er Hitlers leiblicher Enkel ist." Gefühlte Fakten sind eh viel angenehmer.

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