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Frauen erzählen, wie sie unter Sexismus im Online-Gaming leiden

"Dann wendete sich auf einmal das Gespräch und er sagte: 'Ich möchte dich gern während des Spiels oral befriedigen!'" – Lilli, 40.
Die Venus als Gamerin

Linh benutzt keinen Voice-Chat mehr, um ihr Geschlecht zu verbergen. Julia wird mit privaten Nachrichten bombardiert, sobald andere Gamer merken, dass sie eine Frau ist. Lilli wird Schlampe genannt, wenn sie mit ihrem weiblichen Nicknamen unterwegs ist.

Das sind nur ein paar Beispiele für die alltägliche Respektlosigkeit, die Frauen in Spielen wie League of Legends, Overwatch und World of Warcraft erleben. Um in Ruhe ihr Spiel zu genießen, geben sich viele Gamerinnen als Männer aus. Andere verzichten gleich ganz darauf, mit Fremden zu spielen. Kann das die Lösung sein? Wir haben mit fünf Frauen darüber gesprochen, wie sie den alltäglichen Sexismus in Online-Spielen erleben und was sie dagegen tun.

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Lilli, 40: "Ich bereue meinen weiblichen Nutzernamen. Ich habe ihn erst seit Kurzem, seitdem gibt es viel mehr Beschimpfungen und Häme."

Mein Name ist eigentlich nicht Lilli. Aber meine Kinder surfen schon fleißig im Internet, deshalb möchte ich meinen richtigen Namen lieber geheim halten. Ich spiele League of Legends, weil ich dort in verschiedene Rollen schlüpfen kann, die zu meinem Charakter passen. Meine Rolle im Spiel ist Support Main, also eine Spielfigur, die andere heilt und mit ihren Fähigkeiten stärkt. Das bedeutet, ich kann im Spiel alle meine Lieben beschützen und sie stärker und schneller machen. Ich spiele meist mit meinem Partner und meinen Kindern, so haben wir online Familienzeit.

Mein Benutzername ist deutsch und weiblich und deshalb werde ich ständig angefeindet. Wenn ich außerhalb meiner Familie spiele, bekomme ich Kommentare wie: "Bist du etwa ein Mädchen?" oder "Das verlieren wir, wir haben eine Schlampe dabei!" Manchmal entspinnen sich auch freundliche Chats. Kürzlich hat sich jemand locker mit mir ausgetauscht. Aber dann wendete sich auf einmal das Gespräch und er sagte: "Ich möchte dich gern während des Spiels oral befriedigen!" Das fand ich absolut verstörend.

Ich bereue meinen weiblichen Nutzernamen. Ich habe ihn erst seit Kurzem, seitdem gibt es viel mehr Beschimpfungen und Häme. Ich möchte aber gern als Frau sichtbar sein und mich nicht hinter einem neutralen Namen verstecken, nur um Diskriminierung zu entgehen. Ich habe im Moment die Kraft, mich zu verteidigen, aber ich weiß nicht, wie lange noch.

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Die Entwickler hinter League of Legends setzen sich für positive Kommunikation ein und sprechen sich klar gegen Diskriminierung aus. Das finde ich gut und das gibt mir Rückendeckung, derartiges Verhalten jedes Mal zu melden. Würde die professionelle E-Sport-Welt diverser sein, wäre schon viel gewonnen. Es braucht mehr Sichtbarkeit von Spielerinnen.

Sarah, 44, Designerin in der Spielebranche: "Sobald meine Stimme zu hören ist, beginnen die Probleme."

Ich bin in vier Multiplayer-Spielen aktiv: Star Wars the Old Republic, World of Warcraft, Elder Scrolls Online und Guild Wars 2. Meist spiele ich eines davon, bis es mir zu den Ohren herauskommt, dann wende ich mich dem nächsten zu. Ich heiße eigentlich nicht Sarah, allerdings könnte man mich über meinen richtigen Namen in der Spielebranche erkennen, weil ich dort als Designerin arbeite. Das möchte ich nicht.

Wenn ich in Gruppen mit anderen spiele, dann am liebsten Tanks, also mächtige Krieger, die besonders viel aushalten und austeilen. Das macht mir Freude, das kann ich gut bis in höchste Schwierigkeitsklassen. Ich kann auch bei stressigen Schlachten sehr ruhig bleiben. Alle meine Charaktere sind männlich, das gefällt mir optisch besser. Oft sind die weiblichen Figuren in den Spielen stereotyp normschön. Ohne Sprach-Chat merken die anderen nicht, dass ich weiblich bin. Solange sind Gruppen auch kein Problem.

Sarahs Gaming Charakter

Sarah, 44, spielt lieber einen männlichen Charakter, um sich vor Beleidigungen zu schützen.

Aber sobald meine Stimme zu hören ist, beginnen die Probleme. Ich habe mehrfach erlebt, dass ich dann in einer zufällig zusammengestellten Gruppe nicht mehr ernst genommen werde. Meine Erklärungen, wie der Bossgegner besiegt werden kann, wurden einfach nicht umgesetzt. Auch wenn Spielerinnen in der Gruppe waren, haben sie mich nicht ernst genommen. Ein männlicher Mitspieler musste dann exakt das, was ich gerade gesagt hatte, wörtlich wiederholen.

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Ich spiele seitdem Gruppeninhalte nur noch mit Freunden und nicht mehr mit Fremden. Das bedeutet, dass ich in manchen Spielen gar keine Gruppenaktivitäten mehr mache, weil ich dort niemanden kenne. Ich habe auch schon erlebt, dass ein Freund ohne viel Spielerfahrung plötzlich zum Erklärbär mutierte und mir Strategien aufdrücken wollte, von denen er keine Ahnung hatte. Vielen Dank für das Mansplaining!

Linh, 24, Studentin: "Es ist nahezu unmöglich für die Entwickler, das Problem zu lösen, solange sich die Mentalität in der Online-Gaming-Community nicht ändert."

Im Voice-Chat von Overwatch wurde ich oft aufgrund meines Geschlechts diskriminiert. Zum Beispiel haben Spieler behauptet, ich sei an der Niederlage schuld, weil ich als Frau nicht spielen könne. Dass mein Punktestand etwas anderes sagt, hat die anderen nicht interessiert. Ich habe mich alleine hochgespielt und bin im durchschnittlichen Bereich: Gold bis Platin.

Ich spiele League of Legends und Overwatch. Bei beiden gefällt mir der Wettkampf. Es ist ein sehr lohnendes Gefühl, wenn man als Team etwas erreicht hat. Bei League of Legends zählen Taktik und Absprachen während des Spiels, Overwatch ist viel dynamischer und die Rücksprachen sind häufiger.

In solchen Situationen habe ich mich am Anfang einfach nur verletzt gefühlt. Ich konnte nicht glauben, dass sich jemand nur aufgrund seines Geschlechts überlegen fühlt. Als ich mir das dann öfter anhören musste, habe ich versucht, diese Personen zu ignorieren. Aber wenn man damit konfrontiert wird, macht es einen dennoch wütend. Manchmal konnte ich mich gar nicht mehr auf das Spiel konzentrieren.

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Ich habe nicht nur Beleidigungen erlebt. Sobald mein Geschlecht durch meine Stimme oder meinen Nicknamen enthüllt wurde, habe ich Anmachsprüche über mich ergehen lassen müssen. Einmal sagte ein Spieler, ich sollte ihn auf meine Freundesliste hinzufügen, damit er mich hochspielen könnte. Als wäre ich nicht dazu selbst in der Lage!

Ich habe inzwischen meinen Nicknamen geändert und aufgehört den Voice-Chat zu nutzen. Aber immer noch fragen andere, ob ich weiblich bin, wenn ich mal schlecht gespielt habe. Was hat mein Geschlecht denn damit zu tun?

Ich finde gut, dass es Report-Funktionen gibt, um toxische Spieler zu melden. Aber es ist nahezu unmöglich für die Entwickler, das Problem zu lösen, solange sich die Mentalität in der Online-Gaming-Community nicht ändert. Ich glaube, dass ist gerade bei jungen, heranwachsenden Spielern am schwierigsten. Das hat auch eventuell was mit der Erziehung zu tun. Ich finde es wichtig, dass im E-Sport und auf Twitch mehr über Sexismus aufgeklärt wird.

Stephanie, 41, Verkäuferin und Streamerin: "Er hat mir mit dem Tod gedroht."

Sobald mein Auto abbezahlt war, habe ich mich in mein erstes kostenpflichtiges Online-Rollenspiel gewagt: Star Wars: Galaxies. Ich habe es etwa sieben Jahre lang gespielt, leider wurde es 2011 abgeschaltet. In Star Wars: Galaxies hatte ich auch das einprägsamste negative Erlebnis. Ich hatte überlegt, mir einen männlichen Charakter zu erstellen, mich aber doch für einen weiblichen entschieden. Die meiste Zeit war das kein Problem. In dem Spiel gab es aber auch eine Sorte Kerle, die erwartet haben, dass Spielerinnen sie als Mentor anhimmeln. Einer dieser Kerle hat sich besonders an uns Mädels geklebt. Aber ich wollte einfach nur als normaler Spieler behandelt werden. Diese Ablehnung hatte ihm nicht geschmeckt, er hat mich beleidigt und beschimpft.

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Nachdem ich ihn blockiert und gemeldet hatte, machte er mit seinem Zweitaccount weiter. Einmal hat er mir mit dem Tod gedroht. Ich wusste, dass er in Amerika lebt und ich für ihn unerreichbar bin. Dennoch hinterlässt so etwas Spuren. Dieser Kerl wollte mir Angst machen. Ich habe den Vorfall gemeldet, aber der Support hat nicht reagiert. Von vielen anderen Spielern habe ich die Nicknames vergessen, von ihm aber nicht. Ich habe mich durch den Vorfall weder vom Spiel noch von der Onlinewelt vertreiben lassen, aber ich schaue mir Menschen sehr viel genauer an, bevor ich sie an mich heranlasse.

Julia, 23, Studentin: "Spieler haben mir schon unterstellt, dass mir ein Mann geholfen haben muss."

Im Moment spiele ich am meisten League of Legends. Mir fällt negativ auf, dass ich nach einem Spiel häufig angeschrieben werde, wenn jemand mitbekommen hat, dass ich eine Frau bin. Da kommen immer irgendwelche schleimigen Aussagen. Ich werde nach meinem Privatleben gefragt und nach meinen Social-Media-Accounts. Es gibt auch Kommentare wie: "Ich wusste gar nicht, dass Frauen so gut zocken können". Spieler haben mir auch schon unterstellt, dass mir ein Mann geholfen haben muss, in den Rängen aufzusteigen.

Zur schlimmsten Erfahrung zählt eine Live-Situation, da habe ich mit einem Streamer und einem Zuschauer im Stream gespielt. Weil ich die beste Spielerin von uns dreien war, habe ich Anweisungen gegeben. Irgendwann hat der Streamer mich lächerlich nachgeäfft und blöd dazwischen geredet. Ich habe mich über die Bloßstellung vor seinen Zuschauern geschämt und weniger gesagt. Weder der andere Gamer im Stream noch die Zuschauer haben sich eingemischt. Ich hatte mich in dem Moment gefragt, ob ich überreagiere oder ob alles nicht so gemeint war. Heute denke ich: Es war so respektlos und von oben herab, dass ich nicht wusste, wie ich damit umgehen soll.

Wenn heute ein sexistischer Kommentar kommt, lasse ich es einfach passieren, ohne etwas dazu zu sagen. Mir fehlt die Energie, mich immer wieder damit auseinanderzusetzen.

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