Politik

Jan Böhmermann ist der erste Verlierer bei der Wahl um den SPD-Vorsitz

Vorsitzender darf er nicht werden, also prahlt er einfach mit seinem Twitter-Fame herum.
Böhmermann am SPD-Pult
Böhmermann: Screenshot Youtube I
Kandidaten: imago images / photothek 

Wenn Böhmermanns Neo Magazin Royale am Donnerstagabend in der ZDF-Mediathek erscheint, zittern die Mächtigen. Böhmermann kann Staatskrisen auslösen oder die gesamte Pop-Industrie mit einem Song und einem Gehege voller Affen bloßstellen. Es gibt aber auch eine Sache, die Böhmermann überhaupt nicht kann: Verlieren.

Das hat der Start der aktuellen Staffel des Neo Magazins gezeigt. Unter dem Hashtag #Neustart19 bewarb sich Böhmermann für den SPD-Vorsitz. Doch sein Vorhaben, die Partei zu übernehmen, scheiterte kläglich. Nicht, weil die Kandidatur keinen Erfolg hatte. Sondern, weil Böhmermann die SPD cool aussehen ließ und daneben selbst wie ein gekränkter Narzisst wirkte.

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Böhmermann schießt mit Scharfschützengewehr auf eine Hüpfburg

Witze über die SPD zu reißen, das reichte 2016 für einen passablen Einspieler von Lutz van der Horst in der heute-show. 2019 ist es weder kreativ noch besonders lustig. Eher so, als würde man mit einem Scharfschützengewehr auf ein Hüpfburg schießen. Besonders unspektakulär ist es, wenn man sich wie Böhmermann über Ralf Stegners hängende Mundwinkel lustig macht und die ermüdenden Auftritte von Olaf Scholz hervorhebt. Dass der Finanzminister eine ziemliche Schlaftablette ist, wissen nämlich nur die wenigsten.

Sogar eine Kampagnen-Webseite hatte Böhmermanns Team entworfen – in fünf Minuten. "Sie ist aber besser als alles, was ich je von der SPD gesehen habe", erklärte Böhmermann, "bei aller Bescheidenheit." Bescheiden waren auch die Reaktionen auf Böhmermanns Kandidatur in den Medien. Der Tagesspiegel nannte Böhmermanns Kandidatur feige. Zeit Online schrieb, dass das Nachtreten bei der SPD schon ziemlich leicht falle.

Auch auf politischer Ebene war Böhmermanns Kandidatur ein Flop. Böhmermann fand nicht die nötigen fünf Unterbezirke, die seine Kandidatur hätten unterstützen müssen. Der Vorsitzende des Ortsvereins Köln-Ehrenfeld wollte ihn nicht mal in die Partei aufnehmen.

Und obwohl sich zu jedem Thema irgendein ehemaliger SPD-Vorsitzender erbost zu Wort meldet, adelte ihn nicht mal Sigmar Gabriel mit Aufmerksamkeit. Und dem ist schon zu jeder Belanglosigkeit ein dummer Spruch eingefallen. Stattdessen erklärte Böhmermanns Mitbewerber Karl Lauterbach gelassen: "Vielleicht kann er den einen oder anderen Unterbezirk mit einer hohen Spende gefügig machen."

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Der erfolgsverwöhnte Böhmermann wird sich am Ende seiner Kandidatur in etwa so beschissen gefühlt haben wie das echte SPD-Spitzenpersonal, das seit drei Jahren von einem Umfragetief ins nächste stürzt. Nur schaffen es die Genossen und Genossinnen im Gegensatz zu Böhmermann bei all den Niederschlägen, nicht in Gehässigkeit zu verfallen.

Warum erzählt uns Böhmermann, dass er im Internet erfolgreicher ist als eine 76-jährige Wissenschaftlerin?

Anstatt sich einzugestehen, dass nicht jede Nummer sitzen kann, hatte Böhmermann noch eine Menge zu sagen. Weniger über die SPD, mehr über sich selbst. So nach dem Motto: Wenn ich schon nicht Vorsitzender werden darf, dann flexe ich wenigstens ein bisschen mit meinem Fame herum. Der Hashtag Neustart19 sei beliebter als die Brandenburger Kandidatin Klara Geywitz. Und bei Twitter sei man sowieso erfolgreicher als alle SPD-Kandidaten, also mit der Ausnahme von Olaf Scholz. Das musste Böhmermann korrekterweise noch hinterherschieben.

Als Zuschauer frage ich mich, was mir der Moderator damit sagen will? Dass er die SPD zwar nicht kapern konnte, aber dafür im Internet erfolgreicher ist als die 76-jährige Wissenschaftlerin Gesine Schwan? Bravo!


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Böhmermann löst sich aber gerade noch rechtzeitig vom digitalen Schwanzvergleich. Soll ja niemand auf den Gedanken kommen, dass sein Ego gekränkt sei. Lieber versucht er es mit einer tiefsinnigen Frage: Warum löst meine Kandidatur mehr Kritik aus als die von Olaf Scholz?

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Eine berechtigte Frage, hätte Böhmermann nicht ein paar Sätze vorher behauptet, die SPD würde sich als sein Opfer darstellen. Diese Rolle will der Moderator ganz für sich alleine haben. Der linksintellektuelle Komödiant, den man bei der SPD nicht haben will, der nicht mitspielen darf in dieser großen Show, die sich Wahl zum SPD-Vorsitz nennt. Und der eigentlich nur darauf aufmerksam machen wollte, dass die SPD mit Scholz und der GroKo auf dem falschen Kurs ist.

So kündigt er am Ende trotzig an, doch noch Parteivorsitzender zu werden. Wie das genau gehen soll, erklärt er nicht. Er grinst nur vielsagend. Doch auch wenn es nichts wird, sollte Böhmermann der Partei treu bleiben. Von der neuen SPD, die von Ego-Typen wie Gerhard Schröder und Martin Schulz weg will, kann er lernen, wie man anständig mit Niederlagen umgeht: Da sollte man das eigene Ego für die Sache zurückstellen.

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