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Drogen

Die Stadt Münster will 100 Leute ein Jahr lang umsonst mit Gras versorgen

Fast alle Parteien sind dafür. Aber ausgerechnet die "Hanffreunde" warnen vor kostenlosem Cannabis.
Foto: imago | Ipon

Montagmorgen in Münster. Das Telefon klingelt. Am Apparat ist das Gesundheitsamt. "Sie wurden als einer von hundert Menschen ausgewählt und erhalten über ein Jahr lang völlig umsonst Cannabis", sagt eine Stimme.

Was sich nach dem vernebelten Tagtraum einer Kifferrunde anhört, ist tatsächlich der Plan der Stadt Münster. Hintergrund ist ein wissenschaftliches Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis, die der Stadtrat schon durchgewunken hat. Nun reichte die Stadt einen Antrag beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ein.

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Die Eckpunkte der Studie: Ein Jahr lang sollen hundert Menschen bis zu zwei Gramm Cannabis pro Woche erhalten. Aber wer nicht raucht, muss sein Gras zurückgeben. Das soll mit "stichprobenhaften Kontrollen des Urins" nachgewiesen werden. So soll verhindert werden, dass die Probanden ihr Gras weiterverkaufen. Statt mit Tabak wird die Einnahme per Vaporizer empfohlen.

Aber wie kann man mitmachen? Durch eine Stichprobe sollen die hundert Menschen im Alter zwischen 21 und 63 Jahren mit Wohnsitz in Münster ausgewählt und vom Gesundheitsamt kontaktiert werden. Für sie gibt es dann jede Woche Gratis-Gras.

Das Projekt soll klären, ob eine kontrollierte Abgabe von Cannabis unter "medizinischen, gesundheitlichen und sozialen Aspekten sowie unter Einhaltung des Jugendschutzes" sinnvoll ist.

"Anfangs dachten wir, dass wird die Stadt sowieso ablehnen", erklärt Micha Greif, Sprecher der Hanffreunde Münster, gegenüber VICE. "Das sind die Früchte unserer Arbeit. Wir haben dreieinhalb Jahre dafür gekämpft." Greif und seine Mitstreiter sammelten Unterschriften, gründeten einen Verein und sprachen mit den Parteien. "Bis auf die CDU und dem Kandidaten der AfD haben wir alle Parteien überzeugen können."

Doch ausgerechnet die Hanffreunde kritisieren nun, dass es das Cannabis umsonst gibt. "Wenn etwas kostenlos ist, nehmen die Leute natürlich mehr davon", sagt Greif. Das verzerre das Ergebnis. "Durch das Projekt soll eine Legalisierung erprobt werden. Die Stadt kann auch durch den Verkauf testen, wie hoch die Einnahmen bei einer geregelten Abgabe von Cannabis wären."

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Außerdem spreche dagegen, dass Münsters Schuldenstand ein Rekordniveau erreicht habe, so Greif. In dem Antrag ist von 98 Gramm pro Kopf die Rede – insgesamt also fast zehn Kilo Gras. Bei einem von der Stadt geschätzten Preis zwischen 15 und 25 Euro je Gramm würde allein das Cannabis zwischen 147.000 und 245.000 Euro kosten.

Das soll aus der sogenannten "Cannabisagentur" bezogen werden. Seitdem im März das Betäubungsmittelgesetz für medizinisches Cannabis in Deutschland gelockert wurde, soll diese Abteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte Patienten mit rezeptpflichtigem Gras versorgen. Doch schon jetzt gibt es Lieferengpässen und nicht alle Patienten können versorgt werden.

Münster ist nach Berlin die zweite Stadt, die versucht, Cannabis auszugeben. In der Hauptstadt war 2015 ein Coffee-Shop-Modell gescheitert, weil unter anderem nicht klar war, wie es den Drogenhandel effektiv einschränken würde. Micha Greif von den Hanffreunden ist dennoch zuversichtlich: "Münster hat aus den Erfahrungen von Berlin gelernt. Durch die zufällige Auswahl weniger Personen unter strengeren Gesichtspunkten stehen die Chancen besser."

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