Ich wurde in meiner Ausbildung sexuell belästigt und fand es irgendwie geil

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Ich wurde in meiner Ausbildung sexuell belästigt und fand es irgendwie geil

„Welcher notgeile Teenager träumt nicht irgendwie mal von der heißen Büro-MILF und findet es geil, wenn er damit prahlen kann, dass diese ältere Frau mit den großen Brüsten ein Auge auf ihn geworfen hat?"

Laut einer aktuellen Studie der Antidiskriminierungsstelle in Deutschland hat jeder zweite Arbeitnehmer schon mal irgendeine Art von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz erlebt. Die Tatsache, dass in Österreich der „Klaps auf den Hintern" nicht einmal unters Strafrecht fällt, zeigt, dass es hierzulande oft noch nicht einmal das Problembewusstsein dafür gibt. Dazu kommt, dass Betroffene häufig selbst nicht sicher sind, ob es sich in ihrem Fall um sexuelle Belästigung handelt und wo die Grenze zum Flirt verläuft. Für alle zum Mitschreiben: Spätestens wenn es jemand als unangenehm empfindet, ist die Grenze überschritten. Dass unser Autor seine Erlebnisse mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz als „irgendwie geil" wahrgenommen hat, ist ein Ausnahmefall und ändert ABSOLUT NICHTS daran, dass es armselig und falsch ist, einen Arbeitskollegen, in welcher Form auch immer, sexuell zu belästigen. Warum er trotzdem immer wieder die Notbremse gezogen hat, erzählt er uns hier:

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Ich habe damals meine Ausbildung in einem mittelständischen Betrieb in einem Dorf bei Stuttgart gemacht. Das Ganze war nicht mal eine alternative Agentur im Mad Men-Stil, sondern ein völlig normaler Industriebetrieb. Zweideutige Anspielungen gab es trotzdem schon immer, allerdings schienen sich die älteren Damen noch ein bisschen zurückzuhalten, als ich minderjährig war. Das ein oder andere Zwinkern war Alltag und keine große Sache für mich. Als ich 18 wurde, ging es allerdings richtig los mit den cougarmäßigen Sprüchen, wie zum Beispiel „Rrrrrr, jetzt bist du ja 18." Wenn ich ehrlich bin, gefiel mir das aber ziemlich gut. Welcher notgeile Teenager träumt nicht irgendwie mal von der heißen Büro-MILF oder Lehrerin und findet es geil, wenn er vor seinen Kumpels auch noch damit prahlen kann, dass diese ältere Frau mit den großen Brüsten ein Auge auf ihn geworfen hat? Meinem Status im Freundeskreis gaben die ganzen Sprüche jedenfalls ziemlichen Auftrieb. „Wollen wir Mittagessen gehen? Bei mir oder bei dir?" oder „Was machst du an deinem freien Tag?", gefolgt von einem wirklich nicht subtilen Zwinkern gehörten zum Alltag in der Kaffeeküche. So weit, so harmlos. In dieser Zeit, noch bevor man Smartphones hatte und es offensichtlich zum deutschen Büroalltag gehört, dass vor allem Frauen ihren männlichen Kollegen anzügliche Nachrichten schicken und sie betatschen, waren diese zweideutigen Versuche, mich in Verlegenheit zu bringen, einfach etwas, das ich normal fand. Gefallen hat es mir sowieso. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich einfach keine Angst habe, dass mir irgendjemand irgendetwas gegen meinen Willen antun könnte. Wenn ich ein Mädchen gewesen wäre und die Sprüche von älteren Typen gekommen wären, hätte ich das sicherlich auch creepy gefunden, aber so hat es mir einfach nur geschmeichelt.

Wirklich krass waren nur zwei Vorfälle, die garantiert mit Sex geendet hätten, wenn ich es drauf angelegt hätte. Einmal musste ich—warum auch immer—mit einer Kollegin zusammen für unseren Chef eine große Menge Bargeld bei der Bank abholen. Sie war damals Mitte 20, ziemlich gut aussehend und blond. Wir holten das Geld in der Bankfiliale ab und ich war erstaunt, in was für einer kleinen Tasche man eine sechsstellige Summe Geld transportieren kann. Es war eine wirklich große Summe, mehr als man bei einem gewöhnlichen Bankraub mitgehen lassen kann. Das hat offenbar die Fantasie meiner Kollegin angeregt und es ging direkt los. „Lass uns durchbrennen!", sagte sie. Daraufhin habe ich natürlich erstmal skeptisch reagiert und gefragt: „Wohin? Was machen wir dann?" „Alles, was du willst, machen wir dann!" Dann standen wir verdächtig lange am Parkplatz rum. Ich hatte vor allem Angst wegen des Gelds. Mit dem Geld meines Chefs durchzubrennen, wäre nun mal wirklich keine gute Idee gewesen. Ich bin dann ausgestiegen und habe so getan, als wäre nichts gewesen.

Ein anderes Mal war ich mit einer anderen Kollegin (doppelt so alt wie ich) bei einem Geschäftsessen in Stuttgart, im Marché in der Königsstraße. Auf der Rückfahrt Richtung Büro wurde es heikel. „Na, Lust, überhaupt zu arbeiten?", fragte sie. Sie war wohlgemerkt meine Abteilungsleiterin und ich noch in der Ausbildung. Sie war damals Ende 30, verheiratet und hatte einen Arsch wie Kim Kardashian. Sie fragte mich, ob wir zu mir wollen und den Nachmittag zusammen verbringen. Erst dachte ich, dass es Spaß war, aber als sie dann die Ausfahrt von der Autobahn genommen hat und wir fast bei mir waren, wurde mir klar, dass sie es ernst meinte. Ich konnte vermutlich nicht richtig nachdenken, da Blueballs. Aber ich hab es irgendwie geschafft, dass wir nicht zu mir gefahren sind und es danach auch nicht komisch bei der Arbeit wurde.


Titelfoto: Flickr | Mario Antonio Pena Zapatería | CC BY-SA 2.0