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Was von zehn Staffeln ,Popstars‘ geblieben ist

Die Mutter aller Casting-Shows kommt wieder. Wir blicken auf die vergangenen zehn Staffeln zurück.
Collage von VICE Media

Ich bin fertig mit Casting-Shows. Ernsthaft, ich habe genug von Fach-Jurys, die mit Boss Hoss und Kay One besetzt werden, solariumgebräunten Bratzen, die wegen ihrer „Persönlichkeit" in die nächste Runde kommen und Schnellschuss-Alben aus der Feder von Dieter Bohlen. Dabei verband mich einst eine große Liebe zu Casting-Shows, vor allem zu Popstars.

Popstars ging 2000 auf RTL 2 los, wechselte nach zwei Staffeln zu ProSieben und hat es seit jeher auf zehn Staffeln in Deutschland, zwei in Österreich und der Schweiz und insgesamt 14 Endprodukte, die Bands, geschafft. Das Format jetzt nochmal zurückzuholen, ist eine mehr als wahnwitzige Idee und könnte genau deshalb funktionieren. Neues Logo, alter Sender, Stefanie Heinzmann, Miss Platnum, ein altbewährtes Girlband-Konzept und kein brüllender Detlelf D! Soost. Wenn man alles richtig macht, könnte das tatsächlich wieder was werden.

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Während die Popstars-Flamme in mir darauf wartet, wieder entfacht zu werden, habe ich auf zehn Staffeln voller D! und „Pam pam pam!" zurückgeblickt. Ich gehöre zu der Sorte Mensch, die alle entstandenen Bands problemlos in chronologischer Reihenfolge inklusive diverser Trivia-Anekdoten aufzählen kann, also dürfte das ein Leichtes für mich werden.

No Angels

Zugegebenermaßen, die erste Staffel hatte nicht gerade den größten Trash-Faktor. Das Format war unverbraucht und nicht als Reality-Show, sondern als Doku angelegt, welche die gesuchte Girlband nach der unspektakulären Formation (damals noch ganz einfach im Wohnzimmer) auch weiterhin begleiten und aufbauen sollte. Ein paar Momente der ersten Staffel bleiben trotzdem unvergessen—wie Jeans-Verkäuferin Sandy einfach „Bohemian Rhapsody" beim Casting vorsingt, zum Beispiel. Oder wie beim ersten Videodreh jedem der Bandmitglieder nach Spice Girls-Vorbild ein Element zugeteilt werden soll, es aber fünf Mädchen und nur vier Elemente gibt und man so kurzerhand das Element „Geist" erfindet. „Die fünf gecasteten Nutten" würden sich die No Angels später selbst nennen.

Hier den bekanntesten Song der Band einzubetten wäre viel zu einfach gewesen. Abgesehen davon ist „Daylight" trotz Kultstatus nicht gerade gut gealtert und klingt heute nur noch nach Schwulen-Disco und einem schlechten „Hits der 00er Jahre"-Sampler. „No Angel (It's All In Your Mind)" hingegen hört und sieht man die 12 Jahre, die es mittlerweile am Buckel hat, nicht wirklich an. Das damals dritte Album mit einer Single, die so heißt, wie die Band selbst, einzuläuten, war schon 2003 dumm und genial zugleich, der Song hatte so was locker Selbstironisches und dazu dieses stilvolle Andy Warhol-Video, das fast schon internationales Sugababes-Niveau hatte. Hach. So sollte man sich die No Angels in Erinnerung behalten. Alles, was nach dem Comeback kam, gilt nicht.

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Bro'Sis

Nach dem unerwarteten Erfolg der ersten Staffel, wurde auch gleich die zweite hinterhergeschossen. Gesucht wurde eine gemischte Band, die irgendwie die Fugees als Vorbild hatte. Dass das mal damit enden würde, was wir heute als Ross Antony und Indira Weis kennen, hätte damals wohl noch niemand gedacht. Als „Do You" veröffentlicht wurde, schien das Dschungelcamp noch so weit entfernt. Bro'Sis waren amerikanischer als die No Angels und für ein paar gute Songs hat das auch gut funktioniert. „I Believe" kommt auf Partys heute immer noch ganz gut an.

Trivia: Alex Christensen war hier Teil der Jury, unter den Kandidatinnen fand sich eine gewisse Yasmin—ja, diese Staffel war quasi die Geburtsstunde von „Du hast den schönsten Arsch der Welt". Ich will mich für dieses Wissen nicht rechtfertigen, aber es ist nun mal so.

Overground / Preluders

Mit dem Senderwechsel von RTL 2 zu ProSieben war der Grundstein für die Trash-Laufbahn von Popstars gelegt. In der dritten Staffel orientierte man sich am britischen Konzept und schusterte gleich mal zwei Bands zusammen—eine mit Mädchen, eine mit Jungs—, die man anschließend gegeneinander antreten ließ. So vieles an dieser Staffel war so falsch.

Zunächst mal saß da plötzlich Sabrina Setlur in der Jury. Dann kam der Titelsong von Blümchen, die zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr Blümchen hieß und unter ihrem echten Namen, Jasmin Wagner, ernstgenommen werden wollte. Wie erfolgreich das war, merkt man daran, dass es keiner mehr weiß. Dann hieß die Girlband auch noch Preluders und musste ein R.E.M-Cover veröffentlichen, das exklusiv beim Mäki verkauft wurde. Ich schwöre.

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Abgesehen davon war das George Michael-„Freedom! '90"-Video für die Single der Girlband ganz ansehnlich. Damals wurde in die Popstars-Bands halt noch investiert. Die männlichen Kollegen von Overground (!) gingen zwar offiziell als Sieger der Staffel hervor, aber mal ehrlich, die hatten einen ziemlich irritierenden Sprach-Mix in ihren Songs und haben als letzten Ausweg sogar „This Is How We Do It" von und mit Montell Jordan gecovert. Über zwei Alben haben es beide Bands nicht geschafft.

Nu Pagadi

Wem hierbei nicht mindestens ein kalter Fremdscham-Schauer über den Rücken läuft, der hat die Jahre 2004-2006 nicht miterlebt. Es war eine dunkle Phase, die wir am liebsten vergessen würden. Die Erinnerung an Bands wie Nu Pagadi lässt dies jedoch nicht zu. In einer Zeit, in der Charmed zur besten Sendezeit auf ProSieben lief, die zugehörigen Trailer mit „Nemo" von Nightwish unterlegt wurden, Evanescence und Within Temptation regelmäßig in der Bravo stattfanden und es sowas wie LaFee gab, entschied sich Popstars dazu, eine Pseudo-Gothic-Band in Fellgewändern zu casten.

Noisey weiß, was aus österreichischen Casting-Stars geworden ist.

Der Versuch, sich vom typischen Plastik-Pop zu entfernen und echten, harten Rock zu machen, wirkt heute eher wie eine schlechte Parodie. Mit der Ankündigung, es wäre definitiv die letzte Staffel, wollte man sich wohl schon im Vorhinein für die Band entschuldigen. Die Blonde (Doreen) war später übrigens mit Sido zusammen.

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Monrose

2006 lag die Trennung der No Angels bereits drei Jahre zurück, ihr Vermächtnis war ein freier Platz für eine deutsche Girlband, den es zu füllen galt. Jetzt hatte man halt schon behauptet, die letzte Staffel wäre wirklich die letzte gewesen, aber damit gab es immerhin einen gerechtfertigten Grund, um Popstars doch wiederzubeleben: „Neue Engel braucht das Land". Nachfolger mussten her und dafür sorgen würde Nina fucking Hagen.

Die fünfte Staffel war die quotentechnisch stärkste und brachte mit Monrose auch die nach den No Angels erfolgreichste und langlebigste Popstars-Band hervor. Vor allem aber brachte sie Queen Senna hervor: „Gib dich böse und rock die Scheiße fett. Hammerbraut, ey. Verarschen? Die Alte auf der Platte soll die Fresse halten!" Es gab Situationen, in denen Senna mit Bushido Beef hatte oder Leo, einer späteren Postars-Siegerin, eine Spielzeug-Puffn an den Kopf hielt. Wie Senna so schön sagte, sie war nicht mit einem krass und mit einem weniger krass, sie war echt mit jedem krass.

Room2012

Mit Monrose gab es wieder mal eine erfolgreiche Popstars-Band, also war es nur logisch, dass das Format wieder von vorne losging. Einen neuen Twist brauchte man trotzdem, also hieß der Untertitel diesmal „On Stage". Erst mals wurden nicht nur Sänger, sondern auch separat Tänzer gesucht. Warum, weiß bis heute keiner so genau, am Ende gab es nämlich wieder eine gemischte Band namens Room2012, diesmal offenbar mit Black Eyes Peak-Schablone, und die Tänzer, die man „Popstars Dance Company" nannte, wurden irgendwann einfach nicht mehr erwähnt.

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In Erinnerung bleibt die sechste Staffel vor allem für das legendäre Nach-Casting von Holland. Mitten während der Staffel bemerkte man, dass die bisher gefundenen Talente eigentlich nicht das Gelbe vom Ei sind, also rollte schnurstracks ein Bus nach Holland um diesmal wirklich gute Leute aufzugabeln. Eine davon war die spätere Fergie der Band, die bis heute immer mal wieder in trashigen Taff-Einspielern durchs Bild hüpft. Nach zwei Singles war Schluss.

Queensberry

„Leo, was für Nasenlöcher!" Als Gabby diesen Satz losließ, ahnte sie wohl noch nicht, dass sie eines mit diesen Nasenlöchern in der selben Band sitzen würde. Leo ist übrigens die, die zwei Staffeln zuvor von Senna die Pistole an den Kopf gehalten bekam. Hat sich scheinbar ausgezahlt. Die Queensberry-Staffel lebte quasi von Gabby, weil sie permanent neben der Spur war, „Wo sind die Wörter hin?" fragte und ständig das Bandhaus mit ihren Haaren verdreckte. Außerdem gab es eine Kandidatin namens Patze.

Mindestens so beliebig wie die Jury, die neben D! aus Sido und Loona bestand, war auch das Endergebnis Queensberry. Hartnäckig waren sie trotzdem.

Some & Any

„Bevor wir wieder eine Girlband machen, brauchen wir noch mal was anderes. Was hatten wir noch nicht?" „Duo!" „Ok, aber schnell. Dann wieder Girlband. Bäm."

Was ging hier schief? Die erste Single war der Song, der bereits während der gesamten Staffel in Demo-Fassung als Titelsong verwendet wurde. Im Halbfinale wurde zum Televoting aufgerufen, ausscheiden musste niemand, ProSieben wurde Zuschauertäuschung vorgeworfen. Und: Der Bandname.

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Some & Any war die erste Popstars-Band, deren Single nicht die Top 10 der deutschen Charts erreichte. Das Video findet man nicht mal auf YouTube. Es war irgendwie und irgendwas.

LaViVe

Endlich wieder Girlband! Das hat ja immer bestens geklappt. Bis jetzt. Der USP von LaViVe sollte wohl darin liegen, diesmal nicht die üblichen Kandidatinnen in die Band zu lassen, sondern auch mal die speziellen Typen. Die Dicke, die Gothic-Tante, das unscheinbare Mädel und die Quoten-Blonde. Leider war nach dem Some & Any-Flop nicht mehr so viel Budget für die neue Band da, das Album der Band war jedenfalls großteils aus rumänischen Dance-Pop-Coverversionen zusammengeschustert. Das passte alles irgendwie nicht ins Konzept. Dass das schwarzhaarige Metal-Mädchen in der fertigen Band eine Ginger-Perücke bekam und plötzlich billige Stampfbeats feiern musste, tat mir irgendwie leid.

Melouria

Was soll man da noch sagen. Melouria hatten einen Bandnamen, der klang, wie eine hochansteckende Krankheit. Leider passte das irgendwie zur Musik. Die erste Single war ein grottiges, DJ Antoine-eskes Roxette-Cover, hatte nicht mal ein richtiges Video und schaffte es auf eine unglaubliche Woche in den Charts. Sie gehen in die Popstars-Geschichte ein, als erste Band, die noch nicht mal ein Album aufnehmen durfte. Servus, Melouria.

Tears / Kilmokit / BFF

Ja, auch in Österreich und der Schweiz gab es mal eigene Ableger von Popstars. Die Schweiz versuchte das schon 2001 nach No Angels-Vorbild und castete eine kurzlebige Girlband namens Tears. Österreich war dann erst 2012 dran, als man nochmal das Duell-Konzept aufgriff und D! quer durch die Bundesländer schickte. Die Siegerbands waren ungefähr so, wie ihre Namen klingen: Kilmokit für die Boy-, BFF für die Girlband. Da konnte auch David Alabas Schwester und ein Video, das mit „He Mädels, gehma wieder fort" anfängt, nicht helfen. Auf dass Popstars in der kommenden Staffel wieder zu seinen Wurzeln zurückfindet und ein paar trashige Jeans-Verkäuferinnen castet.

Franz hört jetzt wieder No Angels: @FranzLicht